Box-Champ Usyk zieht in den Krieg: "Mein Körper gehört der Ukraine"

Oleksandr Usyk gilt als der Tyson Fury der Ukraine. Ein bisschen durchgeknallt, für jeden Spaß zu haben, tanzt der Box-Superstar gerne in Unterhosen, die selbst der exaltierte Modedesigner Harald Glööckler als gewagte Farbkombination bezeichnen würde, durch den Ring, und präsentiert dabei sein ansteckendes Lachen mit der markanten Zahnlücke. Doch das war Oleksandr Usyk, als die Welt noch eine andere, noch halbwegs in Ordnung war.
Usyk war in London, als in der Heimat die russische Invasion begann
Doch nichts mehr ist, wie es mal war für ihn, für sein Vaterland - die Ukraine. Der 35-Jährige, der am 21. September 2021 sensationell Weltmeister Anthony Joshua in London vorgeführt, demontiert und vom Box-Thron gestoßen hat, war in London, als die russische Invasion in seiner Heimat begann. Er wollte sofort zurückfliegen, doch nachdem die Flughäfen geschlossen wurden, bestieg er stattdessen einen Flieger nach Warschau, besorgte sich ein Auto, und fuhr fast 800 Kilometer durch nach Kiew.
In der ukrainischen Hauptstadt hält sich Usyk momentan auf. Von dort gab es eine Liveschalte zum US-Sender CNN. Kein Lächeln mehr, die Augenringe sind groß und schwarz. Es sind die Augen eines Mannes, der zu wenig Schlaf hat, dem schwerste Gedanken und Sorgen auf der Seele liegen. "Ich kann nicht verraten, wo wir sind, aber wir sind in einem Keller in Kiew", sagt Usyk, "ich habe meine Familie um mich versammelt. Meine Eltern, die Patenkinder und und und. Ich werde sie hier verteidigen."
Uysk über seinen Einsatz: "Weil es meine Pflicht ist"
Als ihn der Reporter fragt, warum er die Gefahr auf sich genommen hat, schüttelt Uysk nur den Kopf. "Warum fragen Sie mich, warum ich hier bin? Weil es meine Pflicht ist. Weil ich ein Mann bin. Weil es zu viele Bastarde, auch Plünderer, da draußen gibt und ich für die Sicherheit meiner Leute sorgen muss", sagt er: "Ich will niemanden töten. Aber wenn es sein muss, wenn es um mein Leben oder das einer geliebten Person geht, werde ich es tun."
Uysk: "Ich habe keine Angst, kein bisschen"
In seinen Augen, die so unglaublich tief im Kopf liegen, ist diese Entschlossenheit, die die Ukrainer im Angesicht des verbrecherischen Angriffskrieges zeigen, offenbar. "Ich habe keine Angst, kein bisschen. Boxen hat mich gelehrt, dass man in Ausnahmesituationen nur erfolgreich ist, wenn man absolute Ruhe hat", sagt der Olympiasieger von 2012: "Ich habe totale Ruhe in mir. Das einzige Gefühl, das mich erfüllt, ist Erstaunen und Entsetzen, dass so etwas wie dieser Krieg in unserer Zeit noch passieren kann."
Usyk ist mit den Klitschko-Brüdern eng befreundet
Und dann fügt Usyk noch mit dem Pathos einer echten Kämpfer- und Boxerseele hinzu: "Es mag sentimental klingen: Aber meine Seele gehört Gott, mein Körper meinem Land, der Ukraine, meiner Familie."
Usyk ist nicht der einzige ukrainische Boxer, der in seine Heimat zurückgekehrt ist, um den - notfalls bewaffneten - Kampf gegen die Invasoren aufzunehmen. Auch Uysks Freund aus Kindertagen, der mehrmalige frühere Weltmeister Wassyl Lomatschenko (34), der sich bei Kriegsausbruch in einem Kloster in Griechenland befand, machte sich sofort auf den Weg. Er reiste nach Bukarest, fuhr mit dem Auto neun Stunden zum Hafen, um eine Fähre in seine Heimatstadt Odessa zu besteigen.
Usyk und der Leichtgewichtsboxer Lomatschenko sind die gegenseitigen Taufpaten ihrer Kinder. "Wir werden kämpfen", sagt Usyk, der mit den Boxbrüdern Wladimir und Vitali Klitschko, die weiter in Kiew verharren, ebenfalls engstens befreundet ist. "Wann und ob ich je wieder boxe, interessiert mich gerade nicht. Mein Land, meine Ehre ist mir wichtiger als jeder Weltmeister-Gürtel."