"Bolt verarscht die Leute"
Der Superstar der Leichtathletik-WM will am Sonntag Gold holen. Aber es gibt Zweifel am Showman aus Jamaika.
MOSKAUUsain Bolt hat die Massen im Griff. Dafür muss der Super-Sprinter noch nicht einmal schnell laufen. Es reicht, wenn der Jamaikaner auf einer Reggae-Party den Hobby-DJ gibt, lässig an den Plattenspielern dreht und ein paar schiefe Töne ins Mikrofon rappt – wie bei seinem ersten PR-Termin in Moskau vor Beginn der Leichtathletik-WM (10. bis 18. August). Und schon kreischen die Fans und liegen sich vor Glück in den Armen.
Bolt ist sich seiner Einzigartigkeit in der Leichtathletik sehr bewusst. Den Doping-Skandal in der Sprint-Szene lässt er einfach an sich abperlen. „Ich bin sauber, deshalb muss ich nicht auf andere schauen. Jede Sportart hat Höhen und Tiefen. Natürlich schaden die jüngsten Ereignisse dem Image unseres Sports. Ich versuche aber einfach immer, mein Bestes zu geben, um eben diesen Sport wieder nach vorne zu bringen", sagt der 26-Jährige vor den Titelkämpfen in Russland, die der sechsmalige Olympiasieger wieder überstrahlen will.
Doch dem Schatten des Doping-Verdachts kann selbst der schnellste Mann der Welt nicht entkommen. Zu krass waren die jüngsten Enthüllungen, sodass auch an dem vorgeblichen Saubermann zunehmend gezweifelt wird. Warum sollte unbedingt der Schnellste der Schnellen nicht gedopt sein? Wo doch Ex-Weltmeister Tyson Gay (USA), Ex-Weltrekordler Asafa Powell (Jamaika) und viele andere als Betrüger überführt wurden? Doping-Jäger wie Werner Franke halten die 100 Meter ohnehin für „total verseucht”.
Das Thema ist Bolt unangenehm. Wenn er über Doping sprechen muss, lässt er sogar für kurze Zeit die obligatorischen Faxen weg. Glaubwürdigkeit ist schließlich wichtig für das Geschäft. Nur so fließen die Millionen. Fans und Sponsoren mögen keine Lügner. „Ich versuche, hart zu arbeiten und schnell zu laufen. Hoffentlich vergessen die Leute dann, was passiert ist”, sagt Bolt, der anders als viele seiner Sprinter-Kollegen bislang nicht des Dopings überführt wurde.
Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass wohl ausgerechnet ein überführter Doper Bolts ärgster Rivale über die 100 Meter (Finale am Sonntag, 19.50 Uhr/ZDF und Eurosport) sein wird: Justin Gatlin aus den USA.
Bolt wird die Fans verzücken, so oder so, das steht fest. Gegenüber der unhinterfragten Begeisterung gibt es aber auch andere Standpunkte: Der frühere 200-m-Vizeeuropameister Manfred Ommer schießt scharf gegen Bolt und sieht Jamaikas Superstar: „Der verarscht doch die Leute”, sagte Ommer: „Die deutschen Sprinter, die laufen sich warm, die machen Gymnastik, und der kommt in Badelatschen ins Stadion, guckt ein bisschen blöd in der Gegend rum, dann zieht der seine Spikes an und läuft im Vorlauf mal locker 9,8. Dann kann es passieren, dass der deutsche Athlet irgendwann auch sagt: Pass mal auf, wenn ich deine Pillen hätte, wäre ich auch so schnell.”
- Themen:
- Usain Bolt