Bolt läuft durch
Der Jamaika-Blitz demütigt über 200 Meter - wie schon über die 100 m - die gesamt Weltelite. Doch diesmal verzichtet er auf jegliche kindische Provokation.
PEKING Diesmal klopfte er sich erst nach dem Zieleinlauf auf die Brust, nicht schon vor dem Ziel wie bei den 100 Metern am Samstag. Usain Bolt demütigte auch gestern beim Olympischen Finale über 200 Meter die Konkurrenz und holte sich nicht nur die Goldmedaille, sondern auch den Weltrekord, den Michael Johnson vor zwölf Jahren in Atlanta aufgestellt hatte. Eine Zeit, die damals als Bestmarke für die Ewigkeit gegolten hatte. Eine Zeit, die gestern ausgelöscht wurde. Um zwei Hundertstel auf 19,30, und am Ende lag er mehr als eine halbe Sekunde vor Churandy Martina, dem Zweitplatzierten von den Niederländischen Antillen. Eine einzigartige Ein-Mann-Show, bei der sieben Läufer nur das B-Finale zu bestritten schien. Noch vor dem Endlauf zeigten sie auf der Leinwand die Bilder vergangener Olympiasieger. Jesse Owens, Michael Johnson, Shawn Crawford. „Olympische Helden“, stand da geschrieben. Ein Olympischer Held, der auch Usain Bolt ist. Wenn er sauber ist.
Zehn Minuten vor dem Rennen kam er zusammen mit den anderen Läufern, machte seine Scherze mit dem Publikum. Zu martialischer Gladiatorenmusik dann die Präsentation der Läufer, dass Tim Lobinger in der Qualifikation beim Stabhochspringen derweil einen Fehlversuch über 5,55 Meter hatte, interessierte im Stadion kaum einen.
Wie vor dem 100-Meter-Finale feierte Bolt sich selbst, zelebrierte seine Show, dann lief er einen Lauf, der in jedem Fall unvergesslich bleiben wird. Er lief ihn sogar durch, ganz ohne Provokation.
Natürlich war das Stadion begeistert, klatschten die 91000 dem Doppel-Olympiasieger frenetisch Beifall. Keiner schien zu zweifeln.
Eine Begeisterung, die nicht jeder teilte. Zum Beispiel Tobias Unger. Der beste deutsche Sprinter erhob in „Sport-Bild“ Vorwürfe gegen Bolt und das jamaikanische Anti-Doping-System, sprach von einer „Riesenverarschung“.
Im Zwischenlauf war Unger über die 100 Meter rausgeflogen, 10,36 lief er, fast sieben Zehntel langsamer als Bolt bei seinem mühelos erlaufenen Fabelweltrekord. Über 200 Meter, die Unger die ganze Saison nicht gelaufen war, trat der 29-Jährige gar nicht erst an. Somit hatte er Zeit für einen massiven Rundumschlag.
„Ich habe langsam keine Lust mehr“, schimpfte Unger, „Er zeigt keine Schwächen nach langen Reisen, keine Müdigkeit durchs Training.“ Was laut Unger mit rechten Dingen zugehe. „Im Zwischenlauf hat sich Bolt nicht mal warm gelaufen“, so Unger. „Der kam in Badehose und Joggingschuhen, hat eine Steigerung und einen Start gemacht und ist dann die 100 Meter in 9,92 Sekunden gejoggt.“
Verärgert ist Unger vor allem über die laschen Dopingkontrollen auf Jamaika. „Die springen auf ihrer Insel rum, wie sie wollen, denen passiert nichts. Ich muss mich allein hier bei Olympia an- und abmelden, für den Fall, dass wir eine Dopingkontrolle haben.“ Bolt wisse nicht einmal, wie man solchen einen Bogen ausfüllt. „Ich habe langsam keine Lust mehr.“ Auch wenn ihm der Spaß vergangen ist, Unger wird ein weiteres Aufeinandertreffen mit Bolt nicht vermeiden können. Im zweiten Vorlauf der 4x100-Meter-Staffel läuft Unger am Donnerstag (14.30 Uhr MESZ) im zweiten Vorlauf mit der deutschen Mannschaft auf Bahn 2. Drei Bahnen weiter die Jamaikaner um Bolt, Bahn 5.
Das Publikum scherte solch Kritik wenig. Sie wollten ihren Helden feiern. Und das taten sie dann auch.
Florian Kinast
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