Bollettieri: "Freue mich über die deutschen Mädels"

Nick Bollettieri ist der berühmteste Tennistrainer der Welt. Am Rande des Turniers in Wimbledon erklärt er hier, was ihm an Sabine Lisicki gefällt und was er Tommy Haas noch alles zutraut.
von  Jörg Allmeroth
Nick Bollettieri schmiedet Tennis-Champions
Nick Bollettieri schmiedet Tennis-Champions © Rauchensteiner/Augenklick

Nick Bollettieri ist der berühmteste Tennistrainer der Welt. Am Rande des Turniers in Wimbledon erklärt er hier, was ihm an Sabine Lisicki gefällt und was er Tommy Haas noch alles zutraut

AZ: Herr Bollettieri, Sie werden in einem Monat 81 Jahre alt. Was treibt Sie an, noch immer zu Turnieren wie jetzt nach Wimbledon zu fahren?

NICK BOLLETTIERI: Wimbledon ist der Heilige Gral des Tennis. Jedes Mal, wenn ich hier ankomme, schlägt mein Herz höher. Ich genieße jede Minute in diesem Paradies. Und das werde ich auch mit 85 noch tun.


Halten Sie auch in Wimbledon Ihr Fitnessprogramm durch?


Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker. Dann gehe ich eine Stunde in den Kraftraum oder ins Fitness-Studio. Und danach bin ich bereit für den Tag. Daheim in Florida stehe ich ja auch noch regelmäßig zehn bis zwölf Stunden auf dem Platz.


Hätten Sie geglaubt, dass Tommy Haas, der mit zwölf Jahren in Ihre Akademie kam und in Wimbledon gerade in der ersten Runde ausschied, noch einmal ein Comeback im Spitzentennis schafft?

Oh Mann, er hat uns alle überrascht. Wer kann schon prophezeien, dass er in Halle jemanden wie Federer im Finale schlägt. Einfach traumhaft. Aber Tommy hat eben einen Willen, der ist so hart wie Granit. Sonst kannst du nicht nach diesen Verletzungen immer wieder zurückkommen. Ich denke, er kann es noch mal unter die Top 20 schaffen.


Haas gilt als einer der stärksten Spieler, die nie einen Grand Slam-Titel gewannen.


Aber seine Karriere ist immer wieder grausam durch diese Verletzungen unterbrochen worden. Tommy ist der größte Pechvogel, den das moderne Tennis gekannt hat. Und deshalb habe ich diese tiefe Hochachtung für einen Burschen, der trotzdem nie aufgegeben hat. Und jetzt mit 34 immer noch großartiges Tennis spielt. Und eins sage ich ganz klar: Wenn Haas gut spielt, dann ist das ein echtes Erlebnis. Big Tennis, wie wir in Amerika sagen. Da willst du als Fan zuschauen.


Bei Olympia wird Haas nicht dabei sein und sich schon auf die US Open konzentrieren.

Das wird ihm nicht furchtbar wehtun, da hält sich sein Schmerz trotz akuter Enttäuschung doch in Grenzen. Er hatte seinen großen olympischen Moment schon 2000, in Sydney – mit der Silbermedaille. Aber dass ihn seine eigenen Leute nun nicht mal für eine Wildcard vorgeschlagen haben: Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Er hätte sich das als Anerkennung für seine Karriere verdient gehabt.


Ein noch größeres Comeback bestaunt die Tenniswelt gerade im Fall von Maria Scharapowa.

Sie war schon immer ein eisernes, hartes Mädchen. Ehrgeiziger, willensstärker als alle anderen. Sie wird immer als arrogante Millionen-Zicke abgetan, dabei ist sie die professionellste Athletin, die es im Damentennis gibt. Keine macht ihren Job so leidenschaftlich und so perfekt wie Maria. Sie wieder auf Platz eins zu sehen, ist einfach nur eine große Freude.


Wie nehmen Sie das deutsche Fräulein-Wunder im Damentennis wahr?

Deutschland ist ein Land mit so großer Tennistradition, deshalb sehe ich mit Vergnügen, wie da immer neue Mädchen auftauchen und sich in die Spitze spielen. Das Schöne ist: Sie verstehen sich gut, neiden nicht den Erfolg der anderen. Dazu sind noch so unterschiedliche Charaktere wie Sabine Lisicki, Andrea Petkovic oder Angelique Kerber dabei.


Kann eine von Ihnen einen Grand-Slam-Titel gewinnen?

Warum nicht? Im Damentennis gibt es keine Spielerin, die einfach mal so zwei, drei Grand Slams hintereinander gewinnt und eine total einschüchternde Statur hätte. Das gilt auch nicht für Scharapowa oder Serena Williams. Oder die Nummer eins, Azarenka. Ich tippe ja regelmäßig bei Grand-Slam-Turnieren alle Matches durch, aber meine Trefferquote bei den Frauen könnte besser sein.


Da sind die Herren schon berechenbarer. Djokovic, Nadal und Federer haben die Dinge eigentlich immer im Griff.

Du kannst nicht ernsthaft gegen einen von den drei Jungs wetten. Das sind schon drei außergewöhnliche Spieler und Menschen. Solche Spieler werden nicht jedes Jahr geboren.


Macht der Rest der Welt nicht genug Druck? Oder sind die drei einfach zu stark?

Ich glaube nicht, dass auch nur ein Spieler auf den Platz geht und sich sagt: Den kann ich sowieso nicht schlagen. Im Gegenteil: Djokovic, Nadal und Federer müssen in jedem Match hochwachsam sein, sie spüren immer den Atem der Verfolger im Nacken. Und behaupten sich trotzdem – und zwar schon über viele Jahre. Das ist eine Riesenleistung.

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