Björn Werner: "Tom Brady ist eine Ein-Mann-Show!"
Der Super Bowl zieht auch dieses Jahr wieder die Sportwelt in seinen Bann. AZ hat sich im Vorfeld des Mega-Events mit Ex-NFL-Legionär Björn Werner unterhalten.
AZ: Herr Werner, in der Nacht auf Montag (00.30 Uhr/ProSieben) steigt der Super Bowl zwischen den New England Patriots und den Philadelphia Eagles. Würden Sie, der ehemalige deutsche NFL-Star, es wagen, gegen Tom Brady und die Patriots zu wetten?
BJÖRN WERNER: Klare Antwort: Nein! Ich habe den allergrößten Respekt vor Brady, der für mich als Quarterback noch mal eine Stufe über all den grandiosen Spielern steht, die es in die Ruhmeshalle des Footballs geschafft haben. Ich würde mir zwar wünschen, dass es die Eagles schaffen, dass mal ein anderes Team den Super Bowl gewinnt, dieses Gefühl erleben darf, aber wenn ich wetten muss, würde ich immer mein Geld auf Brady setzen.
Kann man diesen Brady-Faktor irgendwie erklären? Im vergangenen Super Bowl gegen die Atlanta Falcons sah er wie der sichere Verlierer aus, dann drehte er das Ding. Das gleiche jetzt im Conference-Final gegen Jacksonville.
Wenn Brady auf der anderen Seite steht, darfst du nie glauben, dass du das Spiel gewonnen hast. Das Ding ist erst vorbei, wenn die Referees abgepfiffen haben und auf der Anzeigetafel mehr Punkte stehen als bei den Patriots. Ist noch eine Sekunde auf der Spieluhr, ist Brady einfach nicht geschlagen. Er ist Mega-Wettkämpfer. Wenn es schlecht steht, spornt ihn das nur an, dann will er erst recht die Ein-Mann-Show auspacken. Dieser Brady-Faktor ist legendär. Er macht alle Leute um sich rum besser. Denn seien wir ehrlich: Bis auf Tight End Rob Gronkowski haben die Patriots keinen echten Superstar. Trotzdem schaffen sie es dauernd in den Super Bowl. Die Patriots haben eine Dynastie geschaffen, wie wir sie wahrscheinlich nie wieder sehen werden.
Werner: Nur so kann man die Patriots schlagen
Sie haben selber drei Mal mit den Indianapolis Colts gegen Brady gespielt.
Drei Mal gespielt, drei Mal verloren. Ich habe ihn ein paar Mal auf den Hintern setzen können, aber das Siegerlächeln hat immer ihm gehört.
Wie kann man, wie können die Eagles, diese Patriots im Super Bowl stoppen?
Sie haben eine sehr gute Defensive. Die Defense-Line muss andauernd Druck auf Brady machen. Von der ersten bis zur letzten Sekunde. Sie dürfen nie vom Gas gehen. Wenn sie es schaffen, Brady möglichst oft zu Boden zu bringen, haben sie eine Chance. Aber nur dann! Ich glaube, dass das Spiel enger wird, als viele glauben. Die Eagles haben auch ein gutes Laufspiel. Und einen Quarterback, der nicht so schlecht ist, wie viele behaupten.
Nick Foles, der nur der Ersatzmann für Carson Wentz ist, der zum Ende der Saison einen Kreuzbandriss erlitten hat.
Foles ist ein guter Spieler, er hat alles gesehen. Wie gesagt, er wird sehr unterschätzt.
"Wenn New England wieder gewinnt, ist es fast langweilig"
Beliebt sind die Patriots nicht, sie sind dafür berüchtigt, die Regeln zu brechen. Zu Ihrer aktiven Zeit waren Ihre Colts die Leidtragenden, als in der Saison 2014/15 bei der 7:45-Klatsche die Patriots mit zu wenig aufgepumpten Bällen gespielt haben.
Ich bin ganz offen: Ja, sie versuchen alles, aber das war nicht der Grund, warum wir verloren haben, sie waren einfach besser. Aber es ist sicher so, dass 31 Teams in der NFL und deren Fanlager alle für die Eagles sind. Es gibt die Patriots-Fans, die sind natürlich für ihr Team, alle anderen sind für die Eagles. Man will einfach, dass nicht immer nur die Patriots gewinnen. Wenn New England wieder gewinnt, ist es fast langweilig.
Wie beim Fußball, wo der FC Bayern eh immer gewinnt.
Ja, aber bei den Bayern kann man das ja noch verstehen. In der Bundesliga gibt es keine Gehaltsobergrenze, die kaufen sich die größten Stars zusammen und haben dann eben den Erfolg. Aber im American Football? Hier gibt es die Gehaltsbegrenzung und alles. Aber die Patriots schaffen es immer wieder, für billiges Geld Spieler von anderen Teams zu bekommen, die dort die Erwartungen nicht erfüllt haben. Und in New England klappt es mit ihnen. Wie das funktioniert, das wissen nur die Patriots. Das ist das Geheimnis dieses unglaublichen Erfolges.
Brady gewinnt die aussichtslosen Spiele
Es wäre Bradys sechster Super-Bowl-Sieg. Ist er wirklich der beste Quarterback aller Zeiten?
Ja, weil er die wichtigen Spiele gewinnt, die aussichtslosen Spiele gewinnt. Und er gewinnt eben mit einer Mannschaft, die keine großen Stars außer ihm hat. Der Einzige, der ähnlich dominant war, war Joe Montana und seine San Francisco 49ers. Aber der hatte Superstars wie Jerry Rice um sich, da war auf jeder Position ein Star.
Brady wirkt immer so brav und bieder. Aber er ist für seine Ausbrüche auf dem Feld gefürchtet.
Absolut. Es war schon zu meiner Zeit so: Niemand durfte die Schiedsrichter so anmeckern und angehen wie er - und vielleicht Peyton Manning.
Der einstige Star-Quarterback der Indianopolis Colts und Denver Broncos.
Genau. Die sind immer zu den Schiedsrichtern hin und haben Flaggen für angebliche Fouls gefordert. Und dann haben sie die meistens bekommen! Wahnsinn! Brady ist keiner, der dauernd Trash-Talk betreibt, also sich verbal mit gegnerischen Spielern anlegt, aber er ist auch keiner, der davor zurückschreckt. Er weiß eben schon, dass er Tom Brady ist. (lacht)
Sie selber haben drei Jahre in der NFL gespielt. Beschreiben Sie mal, wie es bei so einem Spiel zugeht, wenn lauter Kolosse drei Stunden lang aufeinander prallen?
Das sind Athleten, das glaubt man nicht. Kerle, die sind zwei Meter groß, 140 Kilo schwer, die sich wie Katzen bewegen. Wenn du am Tag nach einem Spiel aufstehst und nicht der ganze Körper schmerzt, hast du nicht alles gegeben. So ist die Einstellung in der NFL. Jemand hat es mal so beschrieben: Football ist so, als ob du jede Woche in einen Autounfall verwickelt bist. Solche Traumata erlebt der Körper.
"Ich bin megastolz, ich habe für mich Unglaubliches erreicht"
Sie haben acht OPs gehabt, mussten Ihre Karriere wegen Knieproblemen beenden.
Ja, aber mir geht es gut dabei. Würde mein Körper noch Football mitmachen? Nein! Aber ich kann normalen Sport betreiben, und im Vergleich zu meiner Football-Zeit bin ich sowas von unfit, obwohl ich sehr fit bin. (lacht)
Wie stolz sind Sie, der als 16-Jähriger in die USA gegangen ist, auf das, was Sie erreicht haben?
Megastolz. Es gibt sechs Spieler, die in Deutschland groß geworden sind, die es in die NFL geschafft haben, ich bin einer davon. Ich habe meinen Traum gelebt. Wenn Leute sagen, dass ich nicht das erreicht habe, was sie erwartet haben, lache ich sie an. Jeder kann seine Meinung haben, aber ich sehe es so: Ich habe für mich Unglaubliches erreicht. Ich hatte drei fantastische Jahre in der NFL, hatte das Glück, dass ich dadurch finanziell abgesichert bin. Meine Töchter können mit anderen finanziellen Möglichkeiten aufwachsen als ich.
Sie stammen aus eher ärmlichen Verhältnissen in Berlin.
Was heißt ärmlich? Wir hatten immer zu essen. Klar, wir konnten uns keine Luxusklamotten leisten. Aber ist das wichtig? Meine Eltern haben sehr hart gearbeitet, wir hatten immer zu essen und was zum Anziehen.
In Ihrer Zeit in Amerika hatten Sie die Spitznamen Germinator und Berlin Wall. Welcher gefiel Ihnen besser?
Den Germinator, als die Zusammensetzung aus Germany und Terminator, kriegen wir großen deutschen Jungs alle ab, Sebastian Vollmer, Markus Kuhn, ich. Mir hat der Spitzname Berlin Wall, die Berliner Mauer, den ich in meiner Zeit im College in Florida erhalten habe, besser gefallen. Ich bin Berliner und bin stolz, meine Stadt zu repräsentieren.
Eine sehr viel angenehmere und menschlichere Berliner Mauer als das Original.
(lacht) Danke.
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