„Bis Mittag esse ich nur Obst“
Das waren noch Zeiten: Am Samstag wird Bundesliga- und 1860-Legende Timo Konietzka 70 Jahre alt. Der im Ruhrgebiet aufgewachsene Konietzka stürmte von 1965 bis 1968 für den TSV 1860, wurde 1966 mit den Löwen Meister. Im AZ-Sportgespräch erzählt der frühere Weltklasse-Stürmer, wie er sich fit hält.
Von Oliver Griss
Auch wenn Sie sich selbst nie so bezeichnen würden, aber am Samstag wird eine Legende 70 – Sie! Wie werden Sie denn feiern?
TIMO KONIETZKA: Ganz entspannt. Ich habe das Glück, dass ich am Vierwaldstätter See bei Luzern wohne – und wir ein Hotel, den „Ochsen“, haben. Das ist wie Urlaub. Nachdem ich meinen 60. und 65. mit jeweils 300 Leuten gefeiert habe, lasse ich es diesmal ruhiger angehen. Zehn Leute kommen, darunter mein Sohn Oliver aus München.
Wäre Ihnen eine große Feier mittlerweile zu anstrengend?
Im Gegenteil! Ich bin nicht ruhiger geworden, bin voll im Saft. Ich fange jetzt wieder etwas Neues an. Ich werde Repräsentant für eine Therapiematte und einen neuen Gesundheitsschuh. Bisher gab es von mir den so genannten MBT-Schuh, mit dem auch Berkant Göktan seine Reha gemacht hat. Der Erfinder hat die Firma verkauft, und will jetzt mit mir neu an den Start gehen. Er hat mir einen Zehnjahresvertrag für die Vermarktung angeboten.
Dann wären Sie 80. Fühlen Sie sich denn noch so jung?
Und wie! Das Leben besteht aus Bewegung, Ernährung und positivem Denken. Das setze ich 365 Tage im Jahr um. Ich fange jeden Tag mit Sport an, gehe Joggen, ich mache auch noch Tempoläufe.
Mit 70?
Natürlich. Das habe ich ewig gemacht. Ich habe noch wie früher mein Kampfgewicht, um die 72 Kilo. Bis Mittag esse ich nur Obst, aber ich sündige natürlich auch ab und zu.
Sie haben am 24. August 1963 als Dortmunder Profi das erste Tor der Bundesliga-Geschichte gegen Bremen geschossen – aber ein Foto gibt es davon nicht...
Ja, leider. Ich habe 1000 Schweizer Franken dafür ausgesetzt, dass mir einer dieses verdammte Dokument anschleppt. Aber es wird sich keiner mehr melden.
Dann beschreiben Sie mal das Tor.
Selbstverständlich: Anstoß wir, Aki Schmidt spielte den Ball zu Franz Brungs, der passte zu unserem Linksaußen Lothar Emmerich, Flanke, Tor. 1:0 nach 35 Sekunden – mit dem rechten Fuß. Ich habe das tausende Male erzählen müssen. Aber ich mache es gerne. Ich habe dem Fußball alles zu verdanken. Der „kicker“ hat mir dafür sogar den Goldenen Schuh verliehen.
Ihre Torquote ist beachtlich: In 100 Bundesligaspielen erzielten sie 72 Tore.
(lacht) Und alle Tore ohne Freistoß und Elfmeter, denn dafür hatten wir andere. Nur Gerd Müller war besser als ich. Ich habe schon einige Größen hinter mir gelassen: Rudi Völler, Jürgen Klinsmann oder Uwe Seeler. Ich habe einmal bei 1860 in einer Saison 26 Tore geschossen. Heute liegt man Luca Toni mit 24 zu Füßen. Er ist der King, ich war früher einer unter vielen.
Und wem verdanken Sie Ihre große Karriere?
Da gibt’s nur einen: Max Merkel. Er hat mich als jungen Burschen zu Borussia Dortmund geholt. Dazu gibt’s ja eine lustige Geschichte: Als wir mit meinen Eltern gesprochen haben, liefen die Hühner durch die Küche. Wir waren eine Bergmannsfamilie. Ich habe da eine Erfolgsgeschichte gestartet. Merkel hat mich mit einem Anzug und einem Paar Schuhen nach Dortmund gelockt.
Sie fingen mit 14 Jahren an, im Bergwerk „Viktoria“ unter Tage zu arbeiten.
Bis 19, ja. Ich musste schuften wie ein Sklave. Da bist du ins Bergwerk reingefahren, bei über 30 Grad, und danach bin ich noch stundenlang trainieren gegangen. Das war eine Qual.
Warum haben Sie eigentlich nie bei 1860 gearbeitet nach der aktiven Karriere?
Das hat mich nie interessiert. Ich bin froh, dass ich es nicht nötig hatte, bei Dortmund oder 1860 ein Gnadenbrot zu bekommen. Ich war eigenständig, habe gutes Geld verdient.
Die Löwen dümpeln seit fünf Jahren in der Zweiten Liga herum: Haben Sie irgendwelche Tipps, damit sie wieder erstklassig werden?
(lacht) Mein Tipp? Ein paar Bankeinbrüche! 1860 braucht 50 Millionen Euro, damit der Verein Spieler kaufen kann. Nur mit jungen Talenten wirst du den Aufstieg nicht schaffen.
Wenn der Erfolg ausbleibt, knistert es schnell in Giesing.
Ich bin jetzt 41 Jahre weg von 1860 - und es war schon zu meiner Zeit unruhig. Dieser Klub wird nie zur Ruhe kommen. In den 60er Jahren hatten wir die Nase vorne, da war Bayern noch gar nichts in Deutschland. Es gibt nur eine Meistermannschaft bei 1860 – und ich war dabei. Das ist schon verrückt. Bei Bayern interessiert sich keiner dafür, wer mal Meister geworden ist.
Und wie gefällt Ihnen die heutzutage Bundesliga? Würden Sie etwas reformieren?
Die Bundesliga ist sensationell, sie hat die schönsten Stadien, am meisten Zuschauer, aber man müsste in jeder Mannschaft mindestens sechs Deutsche auf dem Feld haben – und nur fünf Ausländer. Das würde vollkommen genügen. Heute kann man froh sein, wenn pro Mannschaft vier Deutsche spielen. Ich bin mir damals, als ich zu 1860 gewechselt bin, wie ein Fremder vorgekommen in München. Ich war für viele der Preiß, ich konnte kaum was verstehen. Aber heute ist alles anders.