Interview

Birgit Fischer: "Die Kanuten reißen bei Olympia immer das Ruder herum"

Birgit Fischer ist weiter Deutschlands erfolgreichste Olympia-Starterin. Im AZ-Interview spricht die Paddel-Ikone über ihre Konkurrentin, Dressur-Queen Isabell Werth - und Gold-Kanutin Ricarda Funk.
Krischan Kaufmann
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Birgit Fischer hier 2004 in Athen im Zweierkajak mit Carolin Leonhardt.
Birgit Fischer hier 2004 in Athen im Zweierkajak mit Carolin Leonhardt. © imago images/Sven Simon

AZ-Interview mit Birgit Fischer: Die 59-jährige ehemalige Kanutin (Brandenburg an der Havel) ist mit acht Gold- und vier Silbermedaillen die erfolgreichste deutsche Olympionikin und die zweiterfolgreichste Olympionikin überhaupt.

AZ: Frau Fischer, Hand aufs Herz, haben Sie am Mittwoch womöglich ein wenig angespannter als sonst die Olympischen Spiele in Tokio verfolgt?BIRGIT FISCHER: Nein, denn ich war den ganzen Tag unterwegs und hatte ehrlich gesagt leider gar keine Zeit, die Olympischen Spiele im TV anzuschauen. Aber ich weiß, auf was Sie hinaus wollen. Denn ich habe schon viele Nachrichten von Freunden erhalten.

Dann überraschen wir Sie jetzt nicht mit der Nachricht, dass die deutsche Dressur-Queen Isabell Werth "nur" Silber geholt hat und damit bei sieben Goldmedaillen stehenbleibt, während Sie mit achtmal Gold weiterhin Deutschlands alleinige Rekord-Olympionikin sind.
Nein. Allerdings hatte ich eigentlich fest damit gerechnet, dass Isabell Werth ihr achtes Gold gewinnt und mich damit einholt - aber dann schafft sie das eben in drei Jahren in Paris mit ihrer Bella Rose.

Birgit Fischer: "Ich finde, dass man Sportarten nicht miteinander vergleichen sollte"

Mit diesem Pferd wahrscheinlich nicht mehr, da Isabell Werth direkt nach ihrem Silber-Ritt in Tokio angekündigt hat, ihre Bella in die verdiente sportliche Rente zu schicken.
Dann gelingt ihr das Gold eben mit einem anderen Pferd. Isabell ist ja so pfiffig, sie baut sich bestimmt ein neues Siegpferd auf, sie ist ja auch eine Top-Ausbilderin, hat ja bereits mit drei verschieden Pferden Gold gewonnen, wenn ich mich recht erinnere.

Birgit Fischer, ehemalige Kanutin und erfolgreichste deutsche Olympiasiegerin.
Birgit Fischer, ehemalige Kanutin und erfolgreichste deutsche Olympiasiegerin. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Schwingt da bei Ihnen nicht doch ein kleines bisschen Erleichterung mit, dass Sie den Titel der erfolgreichsten deutschen Olympia-Starterin nun mindestens für drei weitere Jahre behalten dürfen?
Nein, absolut nicht. Ich kann mit diesem Titel eh nicht so viel anfangen. Ich finde, dass man Sportarten nicht miteinander vergleichen sollte. Was soll denn zum Beispiel ein Michael Phelps (US-RekordSchwimmer, Anm. d. Red.) sagen, der acht Goldmedaillen allein bei den Olympischen Spielen in Peking gewonnen hat. Aber okay, dann habe ich jetzt diesen Titel eben noch drei weitere Jahre, aber irgendwann ist auch das ganz sicher Geschichte - und dann ist das auch gut so. Ich habe ja auch irgendwann mal jemanden - ich glaube, es war sogar Dressurreiter Reiner Klimke (sechs Goldmedaillen, verstorben 1999, Anm. d. Red.) - abgelöst.

Birgit Fischer: "...dann hätte ich diesen Titel schon längst vergessen"

Zumindest damals waren Sie aber doch ein wenig stolz, oder?
Ganz ehrlich, wenn mich nicht alle vier Jahre jemand anrufen und mich daran erinnern würde, hätte ich diesen Titel schon längst vergessen. Aber es ist anscheinend nun mal so, dass andere das viel spannender finden als ich. Und wahrscheinlich ist auch der Kanuverband sehr stolz darauf, dass die erfolgreichste deutsche Sportlerin aus seinen Reihen kommt - da müsste man aber sicherheitshalber dort mal nachfragen.

Dressur-Reiterin Isabell Werth fehlt noch eine Goldmedaille, um Rekord-Olympionikin Birgit Fischer einzuholen.
Dressur-Reiterin Isabell Werth fehlt noch eine Goldmedaille, um Rekord-Olympionikin Birgit Fischer einzuholen. © picture alliance/dpa/AP

Haben Sie sich denn in der Vergangenheit mit Isabell Werth schon mal ausgetauscht, so von Rekordhalterin zu Rekordhalterin in spe?
Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich sie überhaupt schon mal getroffen habe. Ingrid Klimke, die Tochter von Reiner Klimke, habe ich mal getroffen, aber Isabell glaube ich noch nicht. Wäre aber schön, wenn wir uns mal treffen würden.

Dass mit Ricarda Funk ausgerechnet eine Kanutin Deutschland das erste Gold in Tokio beschert hat, findet die Kanu-Ikone Birgit Fischer...?
Ich finde das toll. Das Rennen habe ich in den frühen Morgenstunden tatsächlich live gesehen und habe ihr direkt auf Instagram gratuliert. Ich war sogar eine der ersten Gratulanten - und wenn ich ein bisschen besser mit dieser Technik umgehen könnte, wäre ich wahrscheinlich sogar die erste gewesen. (lacht)

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Auf die deutschen Kanuten ist auch in Tokio Verlass...
Die Kanuten reißen bei Olympia ja immer das Ruder herum - das Blöde ist nur, dass kurz danach alles schnell wieder vergessen wird und die Kanuten wieder um ihre Fördergelder und die Aufmerksamkeit kämpfen müssen. Und leider macht auch der Kanuverband als erfolgreichster Verband Deutschlands viel zu wenig aus diesen Erfolgen. Aber damit habe ich zum Glück auch nichts mehr zu tun.

Ihrem Sport sind Sie weiterhin verbunden, dem Verband offensichtlich nicht mehr unbedingt?
Naja, der Verband und ich wir waren ja in meinen letzten aktiven Jahren eh nicht mehr so richtig verbunden. Aber zum Glück zählt bei unserem Sport nur die Leistung - und deshalb kann ich auch sehr gut verstehen, dass die Sportler jetzt trotz der Pandemie-Situation alle nach Tokio wollten. Olympia ist eben etwas absolut Einmaliges.

Apropos: einmalig. Bei acht Goldmedaillen, gibt es überhaupt diesen berühmten einen Olympia-Moment für Sie?
Nein, leider nicht. Ich bin das schon oft gefragt worden, muss aber jedesmal mit Nein antworten. Denn jede Medaille hat nun mal ihre eigene Geschichte - und das gilt auch für alle Olympischen Spiele, an denen ich teilgenommen habe. Das erste Gold, das letzte, die Medaillen zwischendrin, alle sind irgendwie besonders. Das wäre ja so, als ob man mich fragen würde, ob ich meine Tochter oder meinen Sohn lieber habe.

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