"Big Mama" Rittner und ihre Rasselbande

Die deutschen Tennis-Frauen spielen am kommenden Wochenende gegen China um einen Platz in der Champions League des Fed Cup. "Mutter" des Aufschwungs ist Barbara Rittner, die Teamchefin.
von  Abendzeitung
Immer für ihre Tennis-Mädels wie hier Anna-Lena Grönefeld da: Barbara Rittner (l.).
Immer für ihre Tennis-Mädels wie hier Anna-Lena Grönefeld da: Barbara Rittner (l.). © Rzepka/Augenklick

FRANKFURT - Die deutschen Tennis-Frauen spielen am kommenden Wochenende gegen China um einen Platz in der Champions League des Fed Cup. "Mutter" des Aufschwungs ist Barbara Rittner, die Teamchefin.

Mit stoischer Gelassenheit hat sie in den letzten Jahren alle möglichen Turbulenzen ertragen: Maßlose Spieleragenten, kratzbürstige Tenniseltern, verrückte Trainertypen und natürlich auch Spielerinnen, die mal Heilsbringerinnen waren und im nächsten Moment schon der größte anzunehmende Sorgenfall. Geholfen hat Barbara Rittner, der deutschen Fed Cup-Chefin, bei diesem Höllenritt allerdings nicht nur die charakterliche Festigkeit, sondern auch jener „Schuß Naivität“, den sie sich einst selbst zusprach, als sie ihr Amt beim Deutschen Tennis Bund 2005 antrat: „Zum Glück weiss man nie, was alles schiefgehen kann.“

Nun freilich steht die Leverkusenerin, die an diesem Samstag 36 Jahre alt wird, im sommerlichen April des Jahres 2009 mit ihrer Tennisauswahl so gut da wie schon lange nicht mehr. Wenn Deutschland am kommenden Wochenende in Frankfurt gegen die aufstrebende Tennismacht China um einen Platz in der Champions League des FedCup spielt, dann sind die Erbinnen von Steffi Graf und Anke Huber keineswegs chancenlose Aussenseiterinnen, sondern durchaus ernsthafte Anwärterinnen für den Vormarsch in die Weltgruppe. Mit der unbeschwerten Senkrechtstarterin Sabine Lisicki, mit der stabil unter den Top 70 platzierten Anna-Lena Grönefeld, dazu mit den jüngst im Tourbetrieb überzeugenden Teammitgliedern Kristina Barrois und Tatjana Malek scheint die DTB-Rasselbande durchaus zu einem Überraschungscoup in der Lage. „Unser großes Plus ist unser verschworener Teamgeist“, sagt Rittner, die Mutter der Tennis-Kompanie, „jede Spielerin brennt richtig darauf, im FedCup an den Start zu gehen.“ Insgesamt, so Rittner, „holen wir im Vergleich mit den Topnationen wirklich auf.“

Rittner: "Für diesen Job brauchst du eine gewisse Härte"

Der zarte Aufschwung im deutschen Damentennis, ein Jahrzehnt nach dem Abtritt der Ikone Graf und knapp 17 Jahre nach dem letzten FedCup-Sieg, ist auch der Beharrlichkeit und dem unermüdlichen Einsatz der Vorturnerin Rittner zu verdanken. Die Leverkusenerin, die 2004 als Lehrgangsbeste die Trainerprüfungen in der Sportschule Kaiserau abschloß, schweißte die Auswahltruppe mit enormem Einfühlungsvermögen, aber auch mit unerbittlicher Prinzipientreue stets zu einer festen Einheit zusammen: „Für diesen Job brauchst du schon eine gewisse Härte. Und manchmal auch ein bisschen Intuition, um in den Matches die richtigen personellen Entscheidungen zu treffen“, sagt die einstige Weltklassespielerin, die 1992 selbst zu dem Team gehörte, das in Frankfurt gegen Spanien den Pokalsieg schaffte.

„Deutschland wieder zu einer Macht im Damentennis zu machen“ – an dieser Maxime orientiert sich das ganze Wirken Rittners, zu deren persönlichem Freundeskreis auch die Bundesminister Brigitte Zypries und Sigmar Gabriel gehören. Die Mittdreissigerin verfügt dabei zum Glück über umfangreiche Kompetenzen und den nötigen Überblick – neben den Profispielerinnen gebietet sie als Verantwortliche auch über die Juniorinnen, also jene potenziellen Stars von morgen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Gerade in den schwierigen Übergangsjahren vom Nachwuchs- ins Erwachsenentennis wird eine wie Rittner gebraucht, um ihre eigenen Erfahrungen einzubringen in die Schulungen – und um Kummerkasten und Sorgentelefon zu sein, wenn die Eltern oder der persönliche Trainer als Ansprechadresse ausfallen.

"Ich weiß genau wie jede von ihnen tickt"

So ist sie immer mal wieder „Big Sister“ oder „Big Mama“ für die besten jungen Spielerinnen im Lande, eine Vertrauensstellung, die hilft, wenn ihre Schützlinge sich dann ins Abenteuer Wanderzirkus stürzen und wenn sie später einmal für Fed Cup-Spiele ausgesucht sind. „Ich weiss genau, wie jede von ihnen tickt. Wie man sie behandeln muss“, sagt Rittner, „wenn nötig, bin ich für jede zu jedem Zeitpunkt erreichbar.“ Etwa auch in kritischsten Momenten für eine Spielerin wie Grönefeld, die auf dem Tiefpunkt ihrer Karriere stets emotionalen Halt bei der Fed Cup-Chefin fand.

In der neuen Spielzeit haben sich die Gewichte in der DTB-Auswahl aufs neue verschoben: Als unumstrittene Nummer 1 der Rittner-Equipe geht nun die Berliner Teenagerin Sabine Lisicki an den Start, eine Spielerin, die ihre größten Kräfte dann freisetzt, wenn der Druck am größten ist – nicht zuletzt im FedCup. „Es ist toll, dass ich gerade jetzt nach meinem ersten Turniersieg im FedCup spielen kann“, sagt die 19-jährige, „ich träume davon, einmal mit Deutschland den Sieg zu holen.“ Vom Druck als Nummer 1-Spielerin und erster Punktlieferantin befreit, könnte auch Anna-Lena Grönefeld zum großen Schlag ausholen. Die Nordhornerin, die sich anders als Lisicki nicht besonders wohlfühlt im Scheinwerferlicht, muss womöglich gegen die Chinesinnen im Einzel und im Doppel (an der Seite von Malek) auf den Centre Court des TC Palmengarten Frankfurt.

Jörg Allmeroth

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