Bestechungsvorwürfe gegen deutsche Handball-Referees

Auch das noch: Mitten in die Ermittlungen gegen den THW Kiel platzt die nächste Handball-Horrormeldung. Diesmal sehen sich die beiden renommiertesten deutschen Schiedsrichter schweren Vorwürfen ausgesetzt.
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Unter Verdacht: Bernd Ullrich
dpa Unter Verdacht: Bernd Ullrich

KIEL - Auch das noch: Mitten in die Ermittlungen gegen den THW Kiel platzt die nächste Handball-Horrormeldung. Diesmal sehen sich die beiden renommiertesten deutschen Schiedsrichter schweren Vorwürfen ausgesetzt.

Bestechungsvorwürfe gegen die Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich haben offenbar eine neue Dimension von Korruption im Handball aufgezeigt. «Dass es im Handball ein Korruptionsproblem gibt, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Ich sehe die einzige Chance darin, dass wir unter Zuhilfenahme von externen Experten den Sumpf trockenlegen müssen», sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer des Ligaverbandes HBL, am Samstag der Deutschen Presse Agentur dpa. Und weiter: «Wenn wir das halbherzig machen, können wir die Segel streichen.»

50.000 Dollar im Gepäck

Damit reagierte er auf Bestechungsvorwürfe gegen die Magdeburger Referees, bei denen nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Spiegel» im Anschluss an das Europacup-Finale Medwedi Tschechow gegen BM Valladolid vor knapp drei Jahren 50.000 Dollar gefunden worden waren. «Das nimmt Züge an, die katastrophal sind. Am Donnerstag habe ich gesagt, dass ich für deutsche Schiedsrichter meine Hand ins Feuer lege. Die Hand ist verbrannt», sagte Bohmann. Die HBL hat das Duo zu einer Stellungnahme bis zu diesem Sonntag aufgefordert. «Wir haben ihn gebeten, bis morgen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Er weist die Vorwürfe zurück», sagte HBL-Präsident Reiner Witte nach einem Telefonat mit Ullrich.

Nach Ansicht von Bohmann droht dem Handball durch Korruption eine ähnliche Glaubwürdigkeitskrise wie dem Radsport durch Doping. Bei der Bekämpfung seien auch der Weltverband IHF und die Europäische Handball-Föderation (EHF) gefordert. «Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir das mit aller Konsequenz ausrotten müssen. Da geht es nicht um Bundesliga oder DHB, sondern um EHF und IHF. Wir müssen korrupte Strukturen aufzeigen und bekämpfen. Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen, nicht behalten, sondern wiedergewinnen wollen, müssen wir diesen Weg gehen», forderte er.

«Wir müssen korrupte Strukturen bekämpfen»

Nach der Affäre um den Rekordmeister THW Kiel haben die Vorwürfe gegen die Referees für einen erneuten Schock gesorgt und dem deutschen Handball einen schwarzen Samstag beschert. «Das nimmt Ausmaße an, die ich nicht für möglich gehalten habe», sagte Horst Bredemeier, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB), am Samstag der dpa.

Zugleich kündigte er wie Witte umgehendes Handeln an. «Wir müssen jetzt mit aller Gewalt aufklären», erklärte er. Witte sagte zudem, dass es diesen Sonntag eine Telefonkonferenz seines Gremiums geben soll. «Da werden wir abklären, ob wir Externe hinzuziehen», sagte er am Rande des Bundesliga-Spiels HSV Hamburg gegen THW Kiel. Diese Partie hatten Lemme/Ullrich leiten sollen, waren aber kurzfristig abgesetzt worden. Bredemeier halte die Magdeburger für «ein Gespann, das für mich über jeden Zweifel erhaben ist». Lemme/Ullrich hatten das Olympia-Finale 2008, das WM-Finale 2005 und zuletzt das «kleine Finale» bei ihrer letzten WM im Januar des Jahres in Kroatien geleitet.

Schiri-Duo: «Wir wurden reingelegt»

Das Nachrichtenmagazin «Spiegel» berichtet über einen Bargeldfund in Höhe von 50 000 Dollar bei den Referees nach dem Final-Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger zwischen Medwedi Tschechow (Russland) und BM Valladolid (Spanien) am 29. April 2006. Am Tag nach der Partie hätten Sicherheitsbeamte am Moskauer Flughafen «im Gepäck von Ullrich eine Plastiktüte» entdeckt, «in die 50 000 Dollar in bar eingepackt waren». Das Geld wurde nach «Spiegel»-Informationen konfisziert. Die beiden Unparteiischen sehen sich als Opfer eines Komplotts, bestätigte aber einen Bestechungsversuch. «Die Vorwürfe kommen aus Moskau. Wir haben kein Spiel verschoben. Wir sind reingelegt worden», sagte er der «Hamburger Morgenpost» (Samstag-Ausgabe) und ergänzte: «Wir sind vor dem Spiel gefragt worden, ob wir gegen Geld für Medwedi pfeifen würden. Wir haben abgelehnt.»

Späte Einsicht

Seine Erklärung: «Man hat uns Geld zugesteckt. In die Sporttasche. Da guckt man ja morgens nicht noch mal rein. Dann sind wir mit dem Geld in den Zoll reingelaufen und man hat uns verhört, aber es gab keine rechtlichen Konsequenzen.» Ullrich gibt zu: «Unser Fehler war, dass wir es nicht dem europäischen Verband gemeldet haben.» Ullrich und Lemme hätten dem DHB «ihre Version des Falls aus dem April 2006 erst nach Ullrichs Gespräch mit dem 'Spiegel' Mitte dieser Woche» gemeldet, schreibt das Nachrichtenmagazin. Medwedi Tschechow hatte das Hinspiel in Spanien mit sieben Toren Differenz verloren, das Rückspiel dann mit acht Toren Unterschied gewonnen. Der deutsche Rekordmeister THW Kiel sieht sich seit einigen Tagen Gerüchten ausgesetzt, mindestens zehn Spiele in der Champions League manipuliert zu haben. Der Verein hat alle Verdächtigungen zurückgewiesen. (Martin Kloth und Britta Körber, dpa)

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