Bernd Rosemeyer († 29): Die letzte Fahrt einer Legende

Er war der Michael Schumacher der Nazi-Zeit. Heute wäre der Rennfahrer 100 Jahre alt geworden.
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„Hitlers Rennschlachten“ heißt der Phoenix-Beitrag, in dem Bernd Rosemeyer (l.) und NSKK-Führer Adolf Hühnlein gemeinsam jubeln.
dpa „Hitlers Rennschlachten“ heißt der Phoenix-Beitrag, in dem Bernd Rosemeyer (l.) und NSKK-Führer Adolf Hühnlein gemeinsam jubeln.

Er war der Michael Schumacher der Nazi-Zeit. Heute wäre der Rennfahrer 100 Jahre alt geworden.

FRANKFURT Dieser Rastplatz an der A 5 Richtung Süden hat keinen Namen und kein WC. Nur Nischen für gerade einmal 20 Autos. „Parkplatz sauber halten“, mahnen blaue Schilder mit weißer Schrift an Ein- und Ausfahrt. Fünf steinerne Tische und Holzbänke stehen hier. Doch nicht Picknick und Pause waren der Anlass, diese Anlage zu errichten. Der Autofahrer, der sich hier ausruht, verweilt an der Stelle, wo einst ein prominenter Raser zu Tode kam: Bernd Rosemeyer.

Eine Tafel weist den Weg zur Gedenkstätte: „70 Meter Bernd-Rosemeyer-Denkmal“. Am Mittwoch müsste die kleine Abzweigung von der Autobahn Frankfurt-Darmstadt drei Kilometer südlich der Anschlussstelle Langen/Mörfelden eigentlich zugeparkt sein von Autorennsport-Nostalgikern. Denn der Michael Schumacher der Nazi-Zeit würde am 14. Oktober 100 Jahre alt werden.

Unterhalb der Leitplanken führt ein Trampelpfad in eine kleine Waldlichtung zur Erinnerungsstätte, gepflegt wie ein kleiner Friedhof. Auf einer hölzernen Tafel steht: „Mahnmal Bernd Rosemeyer 1938“. An den Pfeiler sind in DIN-A-4-Folien ein Zeitungsartikel vom 28.1.1988 aus Anlass des 50. Todestages mit der Überschrift „Der Beste starb viel zu früh“ und ein von Kinderhand gemaltes Rennauto („Für Bernd Rosemeyer“) befestigt. Nebendran steht der Gedenkstein, ein Koloss aus Beton mit der Inschrift: „Dem Andenken an Bernd Rosemeyer, der an dieser Stelle am 28. Januar 38 bei Rekordversuchen mit dem Rennwagen tödlich Verunglückte.“

Der Versuch, im Auto-Union den gerade an Rudolf Caracciola im Silberpfeil von Mercedes Benz verlorenen Weltrekord von 432,692 km/h zurückzuholen, ist für den blonden Nationalheld damals zur Todesfahrt geworden.

Bei dieser Weltrekordjagd mit mehreren Versuchen der beiden schnellsten deutschen Grand-Prix-Rennfahrer an jenem Januar-Vormittag 1938 hatte Caracciola den drei Monate alten Geschwindigkeitsrekord Rosemeyers von 406,32 um 26 km/ hochgejagt. Den 28-jährigen Draufgänger warnte er anschließend vor gefährlichen Seitenwinden: „Ich fahre nicht mehr, weil auf der Strecke Seitenwinde zu verspüren sind an einer Waldschneise bei Mörfelden.“

Rosemeyer missachtet die Warnung. Um 11:46 Uhr rast er im stromlinienförmigen, von einem Zwölf-Zylinder-Motor mit 560 PS angetriebenen Monster-Auto zum dritten Versuch los. Zehn Kilometer ist die Messstrecke lang auf dem knapp drei Jahre zuvor fertig gestellten ersten Stück Reichsautobahn. Etwa 430 km/h zeigt der Tacho an, als Rosemeyer am Streckenposten Kilometer 8,6 vorbeirast und die Waldschneise passiert.

Eine starke Windboe erfasst das Rennauto und drückt es auf den mittleren Grünstreifen. In seinem Buch „Meister über Nerven und PS“ schildert Autor Werner Nostheide den Unfall bei Kilometer 9,2: „Der Rekordwagen überschlägt sich, wirbelt durch die Luft wie ein Bumerang. Aus dem fliegenden, tosenden Gefährt saust ein Körper, schlägt zwanzig Meter neben der Bahn zwischen Baumstämmen auf der Böschung auf.“ Der charismatische Rennfahrer ist sofort tot, seine Frau, die berühmte Fliegerin Elly Beinhorn (2007 mit 100 Jahren gestorben) ist Witwe, der nur zwei Monate alte Bernd junior vaterlos.

Jetzt zum Hundertjährigen werden nicht nur die Titel (u.a. Europameister 1936, Weltmeisterschaften gab es damals noch nicht) und Grand-Prix-Siege von Deutschland, der Schweiz, Italien (alle 1936) sowie Triumphe in den USA 1937 (Vanderbilt Cup, Donington Grand Prix) gewürdigt, sondern auch sein Verhältnis zum Nationalsozialismus hinterfragt. Rosemeyer war seit 1933 Hauptsturmführer der SS. Er und Elly Beinhorn waren das zweite Traumpaar der 30er Jahre nach Max Schmeling und Anny Ondra. Das Nazi-Regime nutzte die Popularität der beiden Paare natürlich für die Propaganda.

Am Nürburgring, wo schon lebensgroße Statuen der Legende Juan Manual Fangio und des 1961 beim Großen Preis von Italien tödlich verunglückten Wolfgang Graf Berghe von Trips stehen, enthüllte Professor Dr. med Bernd Rosemeyer junior (71) Anfang des Monats eine Büste seines Vaters. Es ist wie bei James Dean: Wer als junger Held auf dramatische Weise stirbt, dessen Vermächtnis lebt ewig.

Hartmut Scherzer

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