„Beleidige mich nicht!“

Jan „Frodo“ Frodeno ist der neue Triathlon-Held. In Peking holt er das erste deutsche Gold in dieser Disziplin. Der AZ-Reporter hat einst mit ihm am Olympiastützpunkt in Saarbrücken trainiert.
Von Thorsten Klein
AZ: „Frodo“, hier ist die Abendzeitung mit dem Exil-Saarbrücker in München.
JAN FRODENO: Hey Thorsten, warte einen Moment, ich muss noch ein Foto machen... So, wieder da!
„Frodo“, als wir uns zum letzten Mal im Kraftraum des Olympiastützpunktes in Saarbrücken gesehen haben, machte ich nach einem Kniebruch meine Reha – und Du Deine „Stabi“ für Deine Problemzonen. Das war im Dezember.
Ja, ja, Bauch und Po. Danach kamen bei mir aber bis Peking noch 1100 Kilometer Schwimmen, 12 500 Kilometer Rad und 4400 Kilometer Laufen hinzu. Und bei Dir?
Nichts! Und jetzt sitze ich hier in der Redaktion, und Du bist Olympiasieger – als erste deutscher Triathlet.
Ich kann das alles noch gar nicht glauben, das ist alles surreal. Ich habe mich immer gefragt, wie Sieger es schaffen, sich nach solchen Anstrengungen noch so freuen zu können. Unglaublich, wie viele Kräfte eine solche Medaille frei setzt.
Deine Eltern Christa und Michael waren bei Dir, zum Wettkampf sind auch extra Deine engsten Freunde, Felix Rüdiger aus München und Isabelle Schlimmer, angereist.
Meine Eltern und Freunde haben mir Kraft gegeben. Jetzt werden wir erstmal feiern, zumal ich mich ja arg einschränken musste. Aber eines kann ich Dir sagen: Ich bereue nichts, ich habe nichts verpasst im Leben. Ich liebe den Sport und diese Lebensart.
Woher kam die Kraft für diesen Schlussspurt bei mehr als 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent?
Es war schon abartig heiß. Aber die Strecke war super ausgelegt, überall gab es Eiswasser. Das hat mir geholfen. Auch beim Schlussspurt.
Die letzten 500 Meter, eine taktische Meisterleistung.
Daran hat vor allem mein Trainer großen Anteil, der meine Spurtschwäche erkannt hat. Wir haben daran gearbeitet, andauernd. Irgendwann dachte ich mir dann: Sekt oder Selters, Sieg oder Sibirien. Das war das Rennen meines Lebens.
Du warst 1:48:53,28 Stunden unterwegs. Was ging Dir da alles durch den Kopf?
In der Zeit denkt man viel: Das tut so weh! Warum mache ich das? Ich will es! Ich kann es! Die gesamte Zeit ein einziges Psychospiel.
Und Du hast es gewonnen. Danach haben mehr als hundert Fans am Olympiastützpunkt mitten in der Nacht die Sektkorken knallen lassen.
Ich habe es später im Fernsehen gesehen. Das ist schon Wahnsinn. Alle waren sie da.
In Saarbrücken, wo Du zuletzt ja nicht mehr als ein Zimmer hattest.
Stimmt, ich hatte meine WG eingetauscht gegen ein Zimmer mit einer Matratze und einer Olympia-Flagge an der Wand. Die Asiaten schlafen ja auch auf dem Boden. Ich wollte schnell das Gefühl für die Kultur bekommen. Ich wollte mich auf den Punkt genau konzentrieren.
Warum bist Du überhaupt Triathlet geworden? Warst Du in den Einzeldisziplinen zu schlecht?
Nö. Es ist die Vielfalt. Ich komme ja vom Schwimmen. Nur noch Kacheln zu zählen, war irgendwann nicht mehr faszinierend.
Zum Ironman hat’s ja nun auch noch nicht gereicht. Die schwimmen 3,8 Kilometer, Du 1500 Meter. Die fahren 180 Kilometer Rad, Du 40. Und die laufen einen Marathon über 42,195 Kilometer und Du 9,5. Fühlst Du Dich als „halber Triathlet“?
Jetzt beleidige mich aber bloß nicht! (lacht) Es sind zwei verschiedene Sportarten. Ein 100-Meter-Läufer ist ja auch kein halber Leichtathlet, nur weil er keinen Marathon läuft.
Was traust Du den deutschen Leichtathleten noch zu?
Ich habe gezeigt, was ein Außenseiter alles reißen kann. Ich habe tausende Male im Kopf durchgespielt, wie es ist, oben auf dem Treppchen zu stehen. Ich hoffe, dass noch einige dem Beispiel folgen.
Das ist also Dein Geheimnis, das Kino im Kopf?
Mein Motto lautet einfach: Es gibt keinen Plan B, in meiner Philosophie muss immer Plan A funktionieren. Plan A war die Erfüllung eines Traums – und er hat funktioniert.