Bayerns Fußball-Gesetze – und wie sie gebrochen wurden

»Der Gefoulte darf nie selbst schießen« – und ähnliche Richtlinien von Ulikallefranz. Was die zehn Gebote des FC Bayern vorschreiben - und wie sie nicht eingehalten werden. Ein AZ-Überblick.
Widersprechen wollte Ottmar Hitzfeld nicht, schließlich hatte der Kaiser höchstselbst geurteilt. Nach dem kläglich vergebenen Elfmeter von Weltmeister Luca Toni beim 1:1 gegen Werder Bremen: „Das ist ein Gesetz! Der Gefoulte darf nie selbst schießen! Das darf sich Ottmar Hitzfeld nicht bieten lassen! Ansonsten muss der Kapitän her.“ Um Luca Toni, dem Weltmeister, den Ball am Punkt wegzunehmen. Doch der italienische Beau beging – gemäß Beckenbauer – eine Straftat, trat an – und schoss den Ball locker und lässig in die Arme von Tim Wiese.
Beckenbauers Wut in Ehren, doch eigentlich steht Toni in bester Tradition. Denn es gibt sie, Bayerns Fußball-Gesetze, Sätze der Bosse von allgemeiner Gültigkeit. Die AZ hat zehn davon gesammelt – und beweist, dass sie (fast) alle gebrochen wurden:
§ 1: Franz Beckenbauer hat immer Recht
Dieser Leitsatz, einer Präambel ähnlich, hat einen Haken. Beckenbauers Gesetze, wie bei absolutistischen Kaisern üblich, direkt von Gott empfangen, haben nur befristete Gültigkeit. Schließlich sagt er gerne mal: „Was schert mich mein Geschwätz von gestern.“
§2: Ottmar Hitzfeld: „Luca Toni ist Weltmeister. Da sollte er in der Lage sein, den Ball aus elf Metern reinzuhauen.“
Sollte er? Frag’ nach bei Uli Hoeneß. Belgrad 1976, EM-Finale gegen die CSSR, Elfmeterschießen – und 74er-Weltmeister Hoeneß tritt den Ball gen Himmel.
§3: Jürgen Klinsmann: „Zum FC Bayern? Niemals!“
Dies sagte der Schwabe, als er noch für den Südrivalen VfB Stuttgart auf Torejagd ging. Im Juli kommt Klinsmann, von 1995 bis 1997 bereits als Spieler an der Säbener Straße, schon wieder. Als Cheftrainer. Bei seiner Vorstellung Anfang Januar meinte der Rückkehrer: „Der FC Bayern ist das Nonplusultra in Deutschland.“
§ 4: Uli Hoeneß: „Mit diesem Mann setze ich mich nie wieder an einen Tisch.“
Gemeint war 1997 Andre Gross, der Klinsmann-Berater. Was Hoeneß nun – ein gutes Jahrzehnt später – dennoch tat, um den neuen Vertrag mit dem Ex-Bundestrainer auszuarbeiten. Augenzeugen wollen beobachtet haben, dass der Schweizer Gross beim letzten Klinsmann-Besuch vor zehn Tagen sogar den Arm auf Hoeneß’ Schulter gelegt hat.
§ 5: Karl-Heinz Rummenigge: „Er ist eine persona gratissima und wird es immer bleiben.“
Sagte der Bayern-Boss über Trainer Ottmar Hitzfeld – kurz vor dessen Entlassung 2004. Siehe hierzu auch den folgenden Paragraphen.
§ 6: Karl-Heinz Rummenigge: „Fußball ist keine Mathematik.“
Womit der Vorstandsvorsitzende die Autorität eben jener „persona gratissima“, einem studierten Mathematiklehrer, zielsicher untergrub. Außerdem lässt sich das 1:1 gegen Verfolger Werder auch mit folgender Rechnung zusammenfassen: „FC Bayern – Ribéry = Mittelmaß“. Quod erat demonstrandum.
§ 7: Uli Hoeneß: „Wir müssen dafür sorgen, dass wieder das Wehklagen einsetzt, wenn die anderen uns in der Tabelle mit dem Fernglas anschauen.“
War eher ein Gesetzesvorschlag. Wurde von der Liga abgeschmettert. Bei drei Zählern Vorsprung auf Bremen und fünf auf Schalke genügt den scharfsichtigen Trainern Schaaf und Slomka – wenn überhaupt nötig – eine Lesebrille. Mit wenig Dioptrien.
§ 8: Uli Hoeneß: „Beim FC Bayern verdient keiner mehr als Oliver Kahn.“
Ein bislang öffentlich nicht widerlegter Grundsatz. Gerüchte besagen jedoch, dass zumindest Toni (siehe auch Elfmeter-Gesetz) und Ribéry (siehe auch Mathematik-Gesetz) höhere Bezüge vorweisen können.
§ 9: Uli Hoeneß: „Wir hätten nicht so viel Geld für ihn bezahlt, wenn wir ihn nun nicht vermissen würden.“
Sagte der Manager am Sonntag. Über Ribéry. Doch wer vermisst beispielsweise Valérien Ismael? Der hatte 8,5 Millionen Euro gekostet und kickt nun bei Hannover 96.
§ 10: Uli Hoeneß: „Solange ich beim FC Bayern etwas zu sagen habe, wird Matthäus nicht mal als Greenkeeper im Klub arbeiten.“
Der Arme! Vielleicht sollte er schon mal den Rasenmäher holen. Und darauf hoffen, dass auch dieses Gesetz gebrochen wird.
Jochen Schlosser