Basketballer Wallace: Von Bayern umgehauen
Jonathan Wallace war kurz vor dem Sprung in die beste Basketball-Liga der Welt. Jetzt ist er stolz auf seinen neuen Klub in Deutschlands zweiter Liga – und lässt lieber Taten als Worte sprechen.
MÜNCHEN Jonathan Wallace hat Spiele der NBA und NHL gesehen, am College hat er selbst vor 23000 Zuschauern gespielt. Er kennt große Kulissen und leidenschaftliche Fans. „Aber das, was ich erlebt habe, als ich mein erstes Fußballspiel der Bayern gesehen habe, war einmalig“, sagt Wallace. „Als die Spieler auf den Rasen liefen, konnte ich gar nicht anders als aufspringen und jubeln.“
Vor ein paar Monaten hat Wallace (24) noch in den USA in der Sommerliga der NBA gespielt, jetzt läuft er in Deutschlands zweiter Liga für den FC Bayern auf – und ist begeistert: „Der FC Bayern hat mich umgehauen!“
In Georgetown, der ältesten katholischen Universität der USA, hat Wallace Jura studiert und Basketball gespielt. Dort sind sie sehr stolz auf ihre Identität und ihre Sportler. „Beim FC Bayern spüre ich auch diesen Stolz, bei den Spielern und den Fans“, sagt Wallace. In der Vorbereitung und im ersten Saisonspiel war er Dirk Bauermanns bester Mann. Und trotzdem scheint der 1,83 große Guard zwischen seinen Mitspielern manchmal unsichtbar zu sein. „Mein Vater war Trainer“, sagt Wallace, „er hat mich gelehrt, statt Worten Taten sprechen zu lassen.“ Deshalb fühlt Wallace sich auch wohl damit, wenn etwa sein extrovertierter Kollege Darius Hall im Mittelpunkt steht. „Ich brauche das Rampenlicht nicht.“
Während andere US-Basketballer nach dem Duschen gerne den XXL-Pullover und die Goldkettchen überziehen, bevorzugt Wallace den seriösen Look, „in Georgetown haben wir vor und nach den Spielen sogar Anzüge getragen.“ Auch abseits des Platzes bleibt er lieber unauffällig. Partys und Abende in Clubs? „Ich ruhe mich lieber aus“, sagt Wallace, „lese ein Buch über Jura oder rede über Skype mit meinen Freunden.“ Davon hat er als erfolgreicher College-Basketballer eine Menge gewonnen. Mike Green, Starverteidiger von NHL-Klub Washington Capitals zählt dazu und Jeff Green, NBA-Größe von Oklahoma City Thunder. „Er ist mein allerbester Freund“, sagt Wallace, „wir sprechen fast jeden Tag miteinander.“ Am 26. Oktober startet die NBA-Saison, Wallace blickt ihr mit Freude und Wehmut zugleich entgegen. Freude, weil er seinem Kumpel die Daumen drückt, Wehmut, weil er selbst gerne dabei gewesen wäre.
In der vergangenen Saison überzeugte er als Aufbauspieler der Rio Grande Valley Vipers, dem aktuellen Champion der NBA- Entwicklungsliga. „Ich denke schon, dass ich das Zeug für die NBA habe“, sagt Wallace, „aber offenbar hat kein Team einen Spieler wie mich gebraucht.“
Dirk Bauermann als neuer Bayern-Trainer setzte einiges daran, den drahtigen gelernten Aufbauspieler, der genauso kompetent Körbe erzielen kann, zu verpflichten. „Er hat mich überzeugt, dass München die richtige Entscheidung ist“, sagt Wallace. Hier genießt er nun das Neue, wie das Oktoberfest und das bayerische Bier („Ich kann nicht sagen, dass es mir gut geschmeckt hat, aber es war eine Erfahrung“) und das Vertraute, wie Pizza- und Steakhouse-Ketten aus den USA.
Von Mitspieler Hall hat er sich den Deutschlehrer vermitteln lassen und will nun Unterricht nehmen, „um mich besser mit den Fans unterhalten zu können“ – auch mit den weiblichen. Gegen eine deutsche Freundin hätte Wallace, der zur Zeit alleine lebt, nichts einzuwenden. Sein Mitspieler Beckham Wyrick hat eine „und das hat seinem Deutsch sehr geholfen.“
Julian Galinski