"Ballack wird die EM prägen"

Paul Breitner über die EM-Chancen des DFB - und seine ungewohnte Rolle als Talkmaster. Wie lange er gebraucht hat das Konzept von Jürgen Klinsmann zu begreifen und welchen Anteil Joachim Löw am Aufschwung der Nationalelf hat.
von  Abendzeitung

Paul Breitner über die EM-Chancen des DFB - und seine ungewohnte Rolle als Talkmaster. Wie lange er gebraucht hat das Konzept von Jürgen Klinsmann zu begreifen und welchen Anteil Joachim Löw am Aufschwung der Nationalelf hat.

AZ: Herr Breitner, blicken wir zwei Jahre zurück, kurz vor WM-Beginn. Damals trauten Sie der deutschen Mannschaft von Bundestrainer Jürgen Klinsmann kaum etwas bis gar nichts zu – und dann folgte ein Sommermärchen.

PAUL BREITNER: Stimmt. Ich hatte große Zweifel, dass diese Truppe etwas reißen würde im Turnier. Doch ich habe mich dann sofort korrigiert, als es lief. Ich selbst war ja auch zunächst einer der größten Klinsmann-Kritiker.

Und was ist dann passiert?

Heute habe ich kein Problem, folgendes zuzugeben: Ich habe ein Jahr gebraucht, um zu kapieren, was Klinsmann macht, was er vorhat, wie er es umsetzen will. Und dass es aus seiner Sicht doch richtig war, nicht nach Deutschland zu ziehen, sondern ab und an von Kalifornien einzufliegen.

Aufgrund des Streits vorher und der relativ unerfahrenen Mannschaft hatte es die DFBElf aber leichter: Sie konnte überraschen. Diesmal zählen Ballack & Co. zu den Favoriten. Sie können enttäuschen.

Das glaube ich nicht. Natürlich hatten sie 2006 die Rolle des Underdogs und den Heimvorteil. Nun werden wir sehen, was sie aus ihrer Favoritenrolle machen werden. Und ich zähle sie zu den Favoriten.

So skeptisch Sie vor zwei Jahren waren, so zuversichtlich sind Sie diesmal.

Ja, Deutschland ist einer der drei, vier Topfavoriten auf den Titel. Die Gruppe ist machbar. Da gibt es ganz andere – fragen Sie mal die Italiener (lacht). Mit einem Sieg im Auftaktspiel gegen Polen wäre derWeg ins Viertelfinale geebnet, da wäre schon eine Vorentscheidung gefallen.

Wie viele Spiele der deutschen Elf werden Sie bei dieser EM sehen?

Mindestens fünf, davon gehe ich aus. Sie kommen mindestens ins Halbfinale, damit wäre die Pflicht erfüllt. Danach hängt viel von der Tagesform ab. Ich freue mich darauf, die Mannschaft mindestens fünf Mal vor Ort live sehen zu können, das lässt sich wunderbar mit meinem EM Job kombinieren.

Ähnlich wie 2006 während der WM moderieren Sie nun bei Karstadt mit BarryWerkmeister fünfmal das „Paul Breitner EM-Studio“.

Das hat mir riesigen Spaß gemacht, das Ganze ist sehr gut angekommen. Also sehe ich es als logische Fortsetzung, wir diskutieren immer zwischen 16 und 17 Uhr, danach können sich die Leute das erste Spiel um 18 Uhr anschauen.

Beim FC Bayern sind Sie Vorstandsberater, agieren im Hintergrund. In der Talkshow sind Sie der Spielmacher.

Ja, mit Vergnügen. Ich will nicht nur moderieren, ich will mitdiskutieren. Und ich hoffe, dass die Leute gut unterhalten werden und hinterher sagen: Da schau her, daswar ein interessanter Gedanke, eine witzige Diskussion.

Etwa über Joachim Löw. Wie groß ist sein Anteil?

Er hat den Schwung der Klinsmann- Ära mitgenommen. Und nicht nur das: Sein Plus ist, dass er sie weiterentwickelt hat. Dazu hat er vor allem den jungen Spielern vermittelt, wie gut sie sind. Das wussten sie 2006 nicht.

Auch Michael Ballack ist ein anderer als vor zwei Jahren.

Absolut. Er hat sich allein in der Rückrunde der vergangenen Saison beim FC Chelsea so eklatant gesteigert und im positiven Sinne entwickelt wie ich das kaum für möglich gehalten hätte. Das ist grandios. Und wenn die deutsche Mannschaft mindestens ins Halbfinale kommt, wird Ballack die EM prägen.

Interview: Patrick Strasser

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