Baldrian und Nikotin im Jogi-Käfig

Er dürfte sich wie in einem Tigerkäfig gefühlt haben. Jogi Löw musste das Spiel seiner Jungs gegen Portugal von der Sky Box aus beobachten. Am Tag danach erzählte er von den vielleicht aufregendsten 90 Minuten seiner Trainerkarriere.
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Der Griff zur Zigarette im Moment der Entscheidung - "Genussraucher" Jogi Löw.
ARD/Steinecke Der Griff zur Zigarette im Moment der Entscheidung - "Genussraucher" Jogi Löw.

Er dürfte sich wie in einem Tigerkäfig gefühlt haben. Jogi Löw musste das Spiel seiner Jungs gegen Portugal von der Sky Box aus beobachten. Am Tag danach erzählte er von den vielleicht aufregendsten 90 Minuten seiner Trainerkarriere.

Als Joachim Löw vom UEFA-Sheriff in seine Glaszelle im Baseler St.-Jakob-Park abgeführt worden war, traute der Bundestrainer seinen Augen nicht. „Da standen so schöne Dinge da. Getränke, Aspirin und Baldriantropfen“, beschrieb der 48-Jährige. „Das hat mich auch ein wenig gewundert, aber das war in der Tat so.“ Hinter einer dicken Glasscheibe in einer Loge zitterte und jubelte Löw in „völlig ungewohnter Distanz“ hilflos mit seiner Mannschaft, denn jeglicher Kontakt zwischen ihm und dem Team war verboten.

Wie in einem Tigerkäfig dürfte sich Löw während der 90 Minuten beim 3:2-Viertelfinalerfolg über Portugal hoch oben im Basler Stadion gefühlt haben. Die Details zu Aufstellung und Taktik hatte er Stunden vor dem Anpfiff mit seinem Assistenten Hansi Flick und Torwarttrainer Andreas Köpke abgesprochen.

Das Handy durfte er behalten

Direkt nach der Einfahrt des Mannschaftsbusses ins Stadion wurde er aber gut anderthalb Stunden vor Spielbeginn abgeführt. „Ich wurde in Empfang genommen und man hat mich nach oben begleitet“, schilderte Löw, der kein Handy abgeben musste. Kontakt, wie ihn der ebenfalls schon einmal gesperrte Ex- Chelsea-Coach José Mourinho durch seine rund 30 SMS vor drei Jahren zur Bank hatte, gab es aber nicht, beteuerte Löw.

Zwar hatte der UEFA-Mann Löw gesagt, er könne das „Spiel in aller Ruhe von hier verfolgen“, doch das brisante K.o.-Duell von Basel war alles andere als ruhig für den Espresso-Trinker mit dem niedrigen Ruhepuls. In der Schlussphase musste „Genussraucher“ Löw vor lauter Nervenflattern nach dem 2:3-Anschlusstreffer gar zu den Zigaretten greifen. „Dort oben war kein Rauchverbot, und als es besonders spannend war, habe ich eine angezündet“, gestand er. Auch der neben ihm sitzende DFB-Chefspion Urs Siegenthaler konnte Löw, dessen Hemd durchgeschwitzt war, nicht helfen. Nur beim Torjubel war Löw froh, den Schweizer zum Knuddeln neben sich zu haben.

Entschlossener Blick hinauf zum Chef

Den Spielern und Assistenzcoach Flick blieben Löws Leiden nicht verborgen. „Ich hab ihn ein paar Mal oben auf der Leinwand gesehen, wie der am Mitfiebern war“, beschrieb Lukas Podolski. Und Michael Ballack schaute nach seinem Tor zum 3:1 entschlossen zu seinem Chef hinauf, als wolle er ihm beruhigend signalisieren: Wir packen das!

Erst zehn Minuten nach dem Schlusspfiff war Kontakt wieder erlaubt. Doch als der Freiburger zur Gratulation in die Kabine kam, stand er fast alleine da zwischen all den Kisten und Klamotten. „Da waren erst ein oder zwei Spieler in der Kabine“, sagte Löw und musste auf seine Helden warten. „Die Spieler waren müde von diesem Kampf, aber sehr erleichtert.“ Der Dank galt aber natürlich nicht nur den Kickern, sondern auch seinen wichtigsten Mitarbeitern. „Hansi und Andi haben die Arbeit wirklich auch hervorragend gemacht und klasse gecoacht“, lobte Löw.

Die verlorene Wette gegen den Assistenten

Doch eine Niederlage musste der 48-Jährige auch einstecken. Gegen Flick verlor er eine Wette. Der Co-Trainer hatte gesagt, dass durch eine Standardsituation gegen Portugal ein Tor fallen werde; letztlich waren es sogar zwei. „Er hat die Wette gewonnen, ich bezahle gerne“, erklärte Löw die Gabe von zwei Flaschen Wein an Flick. Die Kosten waren ihm reichlich egal.

Als Flick im Stadion auf der Pressekonferenz Rede und Antwort stand, entschwebte ein glückseliger Löw als Erster aus den Stadionkatakomben. „I cannot speak“, sagte er lächelnd zu einem englischen Reporter, der um ein Statement bat. (dpa)

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