AZ in Garmisch-Partenkirchen: Dahoam bei Olympia-Star Laura Dahlmeier

Laura Dahlmeier ist jetzt schon der Biathlon-Star dieser Olympischen Spiele. Begonnen hat alles in ihrer Heimat in Garmisch-Partenkirchen, wo sie noch immer lebt. Eine Spurensuche im Schnee.
von  Moritz Scheidel
Ein Blick von oben: Hier wuchs Biathlon-Queen Laura Dahlmeier auf.
Ein Blick von oben: Hier wuchs Biathlon-Queen Laura Dahlmeier auf. © dpa/AZ

Garmisch-Partenkirchen - Fachwerkhäuser und Glühweinbuden umgeben die Gassen und Straßen der Altstadt. Den Stadtkern umrahmt ein Bergpanorama. Die Berge wachen wie mahnende Zeigefinger über den Stadtkern, geben ihm Schutz. Eine mit Fußstapfen malträtierte Schneedecke bedeckt die Straßen bis zu der Bordsteinkante. Ein Gefühl des Stillstandes, der Wärme - trotz der Eiseskälte. Ja, das ganze Ambiente kann dazu verleiten, urplötzlich Weihnachtslieder zu summen. "O du fröhliche".

Was ja auch irgendwie passt: zu ihr, zu der Biathletin Laura Dahlmeier. Gerade jetzt nach den drei Olympiamedaillen von Pyeongchang: Gold, Gold, Bronze. Am Samstag vor einer Woche gewann die 24 Jahre alte Frohnatur im Sprint; zwei Tage darauf in der Verfolgung. Am Donnerstag sicherte sie sich Platz drei im Einzel. Eine griesgrämige Laura Dahlmeier sieht man im Fernsehen eigentlich nie. Und genauso ist das hier in Garmisch-Partenkirchen. Das sagen zumindest diejenigen, die die Zollwachtmeisterin persönlich kennen.

"Die Laura ist im Fernsehen so wie daheim"

Wolfgang Plumpe, graumeliertes Haar an den Seiten, oben Glatze, steht hinter der gläsernen Eingangstür des Ski-, Berg- und Wandersportausrüsters "Sport Stiller". Als der Name Laura Dahlmeier fällt, muss er grinsen. "Die Laura ist im Fernsehen so wie daheim", sagt er in leicht bayerischem Akzent und bemühtem Hochdeutsch.

"Die Laura ist spitze", sagt Sporthändler Wolfgang Plumpe. (Foto: Moritz Scheidel)

Dann nimmt er einen Kugelschreiber in die rechte Hand , überlegt kurz, guckt nach oben, dann nach unten - und schreibt. "Eibsee-Lauf", kritzelt er auf ein Blatt Papier. Da habe Dahlmeier im Herbst teilgenommen, sagt er. "Das ist das, was sie mag. Sie geht in die Extreme rein", fügt er an. In 53:27 Minuten triumphierte sie dort damals im Dress des SC Partenkirchen.

"Die Laura ist spitze", sagt er: sportlich und menschlich. Denn obwohl sie im Biathlon eine absolute Höhenfliegerin sei, bleibe sie auf dem Boden. "Sie sticht nicht heraus", sagt Plumpe. Maximal mit ihrem einnehmenden Lächeln, ihrem geselligen Charakter. Das alles, so Plumpe, habe sie von ihrer Mutter: Susi Dahlmeier, die wie ihr Mann zu Beginn der Neunziger im Mountainbiken erfolgreich war. Demut, Natürlichkeit, Identifikation mit ihrer Heimat - Charakteristika, die die Dahlmeiers auszeichnen. Er lächelt, seine Mundwinkel hüpfen.

"Laura ist keine Partyqueen"

So, wie es Laura Dahlmeier auf dem Siegerpodest tat, nachdem sie zweimal Gold innerhalb von zwei Tagen gewonnen hatte. Auch sie, 1,62 Meter klein, 52 Kilogramm leicht, lächelte, auch sie hüpfte. Und so sehe man sie auch immer "im Dorf". Die Biathlon-Königin lebe indes ihr königliches Dasein nicht in Clubs aus. "Laura ist überhaupt keine Partyqueen", sagt Plumpe. Und er weiß noch mehr über das Naturmädel: "Einen festen Freund hat sie nicht", sagt er.

Spricht man hier über Laura Dahlmeier, spricht man über eine Gleichgesinnte, die eigentlich anders ist. Doch "Laura ist es sehr unangenehm, über ihre Erfolge zu reden". Das sagt Florian Nagel, der hinter der Theke der Cafeteria "Centro" steht. Er trägt eine pechschwarze Schürze, sein helles, blondiertes Haar ist leicht zerzaust. "Sie kommt immer nach dem Bouldern mit ihren Kletterfreunden her." Bouldern, Klettern, Gipfel erklimmen: Hobbys, die sie auf andere Gedanken bringen. Und das, seit sie zehn ist. Da fing sie auch mit dem Biathlon an, das ihr "auf Anhieb gut gefallen hat", sagt sie.

Garmisch-Partenkirchen ist eine Stadt mit 30 000 Einwohnern. Ein Ort, aus dem neben Dahlmeier unter anderem die Ski-Alpin-Stars Felix Neureuther und Maria Höfl-Riesch stammen. Biahtlon-Koryphäe Magdalena Neuner kommt aus dem Nachbardorf Wallgau.

Dahlmeier wohnt nicht weit weg von der stark frequentierten und doch so ruhigen Altstadt. Vier, fünf Minuten zu Fuß. Höchstens. Auf dem Weg dorthin - massenweise Schnee. Für eine Biathlon-Karriere nicht die schlechtesten Bedingungen. An manchen Stellen gehen die weißen Hügel sogar so hoch, dass man darin eintauchen könnte. Beim Gang durch die Straßen versteht man durchaus, warum sie hier nicht weg will. Sie lebt da, wo andere Urlaub machen. Ein Idyll.

Dahlmeier - die perfekte Athletin

"L. Dahlmeier" prangt auf einem Klingelschild, links daneben nur "Dahlmeier". Die 24-Jährige mit dem Dauergrinsen wohnt alleine in einem Apartment, die Eltern und ihr Bruder hausen direkt gegenüber. Etwas weiter links hat Dahlmeiers Mutter ihr Geschäft: "Susis Schmuckwerkstatt". Auf dem Schild steht mit Kreide geschrieben: "Die Werkstatt ist von 12.2. - 23.2. geschlossen - bin bei Olympiade."

Dahlmeier ist die erste Biathletin, die in den ersten drei Einzelrennen eine Medaille holte. Drei weitere Rennen stehen noch aus: Massenstart, Mixedstaffel, Frauenstaffel. Thomas Greis, Triple-Olympiasieger von 2006, spielt die höchsten Töne auf der Klaviatur: "Für mich ist sie schlicht die perfekte Athletin”, sagt er. Martin Fourcade, der dominierende Biathlet der Männer in den vergangenen Jahren, sieht in Dahlmeier eine "absolute Grande Dame des Biathlons.”

Es geht wieder runter in Richtung Altstadt. Also genau in die entgegengesetzte Richtung, wie sie aktuell Dahlmeier nimmt: Im Biathlon, bei ihren Hobbys. Beim Gang durch die Gassen dröhnt plötzlich Hüttengaudi aus den Boxen. Die vorweihnachtliche Stimmung verschwindet fluchtartig. Und trotzdem schwirrt weiterhin ein Lied beim Gedanken an die Sportlerin und den Menschen Dahlmeier durch den Kopf: "O du fröhliche".

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