Axel Schulz über Tom Schwarz: Auch Tom kann die Boxwelt schocken
Der Deutsche Tom Schwarz trifft in Las Vegas auf Ex-Weltmeister Tyson Fury. Die AZ sprach mit Axel Schulz, der 1995 bei seinem WM-Fight gegen George Foreman in einer ähnlichen Situation stand – und verlor.
AZ: Herr Schulz, ein deutscher Boxer bekommt einen Mega-Kampf in Las Vegas gegen einen Box-Superstar – hauptsächlich, weil alle glauben, dass er keine Gefahr für den Star darstellt. Erinnert Sie die Konstellation an etwas?
Axel Schulz: (lacht) Klar sind da große Parallelen zwischen dem Kampf von Tom Schwarz jetzt gegen Ex-Weltmeister Tyson Fury und meinem Fight gegen George Foreman im Jahre 1995. Ich bekam nur die Chance, weil ich zuvor gegen Henry Akinwande verloren hatte und alle sicher waren, dass Foreman mit mir leichtes Spiel haben würde. Natürlich ist auch Schwarz hier, weil er verlieren soll, nicht weil irgendjemand hofft, dass er die Boxsensation schafft und Fury schlägt. Der hat einen Vertrag über 100 Millionen unterschrieben und die Fernsehsender wollen, dass ihr Zugpferd Fury ungeschlagen bleibt und weiter lukrative Kämpfe bestreitet.
"Im Normalfall hat er keine Chance"
Was trauen Sie Schwarz zu?
Im Normalfall hat er keine Chance. Er hat zwar noch nie verloren, aber da waren Kämpfe dabei, da hat er alles andere als gut oder souverän ausgesehen. Tom hat auf keinen Fall etwas zu verlieren. Dieser Kampf ist für ihn wegweisend. Er ist am Scheideweg. Wenn er sich gut verkauft, bringt er sich in Stellung für lukrative Kämpfe. Wenn er schnell und klar verliert, muss er sich überlegen, ob es mit der Karriere noch Sinn macht. Ich weiß aus eigener Erfahrung: Das Leben nach dem Boxen ist zu lang, als dass man sich mit Kämpfen um die Deutsche Meisterschaft oder die EM finanziell für den Rest des Lebens absichern kann. Wäre ich gegen Foreman in der 3. Runde ausgeknockt worden, wäre es das auch gewesen für mich.

Wobei der Boxsport gerade eine der größten Sensationen seiner Geschichte erlebt hat. Der übergewichtige Ersatzmann Andy Ruiz hat Box-Adonis Anthony Joshua entthront.
Genau das muss Tom Mut machen. Auch er kann die Boxwelt schocken. Es ist möglich! Tom muss es wie Ruiz machen, mutig sein, nach vorne gehen, Fury seinen Kampf aufzwingen. Eine größere Motivation als Ruiz kann es gar nicht geben.
Fury hat Wladimir Klitschko entthront, hat nach langer Ringpause gegen Weltmeister Deontay Wilder eine denkwürdige Ringschlacht geliefert, die remis endete.
Ich mag den Typen. Er ist unberechenbar, zieht eine gewaltige Show ab. Er wird sich für Tom sicher einiges einfallen lassen. Er ist der König der Psychospiele. Für mich hat er Wladimir bereits im Kopf vor dem Kampf besiegt. Ich bin mir nicht sicher, ob Tom auf all das vorbereitet ist, was auf ihn einprasselt in Las Vegas. Das ist ein brutaler Druck. Und dann noch Fury mit seinen Mätzchen, da musst du mental bereit sein. Man darf nicht unterschätzen, wie es ist, wenn man in der Glitzermetropole Las Vegas ist und du dein Gesicht auf diesen riesigen Plakaten siehst. Wenn du da psychisch nicht auf der Höhe bist, brichst du ein. Tom hat mich dazu befragt, aber ich bin nicht sicher, dass er sich der Dimensionen bewusst – und bereit dafür ist. Ich wünsche es ihm.
Schulz wollte Kampf Foreman-Kampf ablehnen
Ihr Trainer Manfred Wolke musste Sie damals vor dem Foreman-Kampf auch vor dem Kampf gewaltig aufbauen.
Das stimmt. Das ging schon los, als ich das Angebot bekam. Ich wollte ablehnen. Ich gegen diese Legende? Keine Chance. Manfred hat mir dann gesagt: Axel, das ist ein alter Mann...
Foreman war damals 46.
Genau. Er sagte: Das ist ein alter Sack, den wirst du ja wohl schlagen! Das habe ich dann auch irgendwann geglaubt und verinnerlicht. Wolke hat auf jedes Detail geachtet. Wir haben bei der Pressekonferenz extra lange vor der Tür gewartet. Ich wollte immer schon rein, aber Wolke meinte: "Noch nicht!" Er wollte, dass Foreman bereits auf dem Podium sitzt, damit ich zu ihm runterschauen konnte und nicht hoch zu ihm, wenn er steht, denn der ist schon eine gewaltige Kante.
Im Ring haben Sie ihm gehörig zugesetzt.
Ja, aber mir war klar, dass ich diese Legende in den USA ausknocken müsste, um den Titel zu holen. Ich hatte aber nie echte Knockout-Power, daher war ich zwar traurig, aber nicht überrascht, dass die Punktrichter Foreman den Sieg gaben.
Entschuldigung nach Skandal-Urteil 24 Jahre später
Vor Kurzem hat sich der Box-Verband IBF für das Skandal-Urteil entschuldigt und Ihnen den WM-Gürtel überreicht.
Geil, oder? Das hat mich schon sehr gefreut, am geilsten wäre gewesen, wenn George ihn mir überreicht hätte, aber auch so war es grandios. 24 Jahre zu spät, aber immerhin.

Jetzt können Sie sich eigentlich nicht mehr mit dem Titel "beliebtester Verlierer Deutschlands" schmücken.
Nene, den gebe ich nicht wieder her. Der Titel bedeutet mir sehr viel. (lacht)
Sie erhielten auch den WM-Gürtel von Ihrem Kampf im Dezember 1995 gegen Frans Botha, den Sie zwar verloren haben, bei dem aber zwei Wochen später der Befund kam, dass Botha gedopt war.
Der Fight war viel schmerzhafter als der gegen Foreman. Es war alles angerichtet in Stuttgart. Gefühlt hätte ich nur die zwölf Runden überstehen müssen, dann wäre ich der zweite Schwergewichtsweltmeister nach Max Schmeling gewesen. Dann wurde mir nach vier Runden gesagt, die Punktrichter hätten alle Durchgänge an Botha gegeben. Da bin ich verkrampft, habe verloren. Das war so deprimierend. Ich war von einer Minute zur anderen völlig allein. Vorher gab es eine Armee an Schulterklopfern, dann waren sie alle weg, auch mein Promoter Wilfried Sauerland. Ich saß am nächsten Morgen allein da, der bestellte Hubschrauber kam nicht. Viele Tränen sind bei mir geflossen. Alle hatten sich abgewendet. Zwei Wochen später, als feststand, dass Botha gedopt hatte, waren alle wieder da. Aber ich war anders. Dieser Kampf war die schmerzhafteste Erfahrung überhaupt, aber sie war für mein Leben die lehrreichste – und damit auch die beste.
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