Axel Schulz: "Joshua ist der Herrscher, aber noch kein König"

Der Brite, der Wladimir Klitschko in Box-Rente geschickt hat, verteidigt seinen WM-Titel gegen Carlos Takam. Die AZ sprach mit Experte Axel Schulz über den Fight und was den Boxsport kaputt macht.
von  Matthias Kerber
Der Sieg über Klitschko ist bislang das Highlight in Joshuas Boxkarriere.
Der Sieg über Klitschko ist bislang das Highlight in Joshuas Boxkarriere. © dpa

Der mittlerweile 48-jährige Schulz boxte insgesamt drei Mal um die WM im Schwergewicht, verlor aber jeweils. Zusammen mit Henry Maske war er für den deutschen Box-Boom verantwortlich, er arbeitet jetzt als Experte bei Sat.1.

AZ: Herr Schulz, die Schwergewichtsszene steht am Anfang einer neuen Ära, nachdem Wladimir Klitschko, über zehn Jahre lang das Nonplusultra bei den schweren Jungs, nach seiner Niederlage in der Ringschlacht gegen Anthony Joshua zurückgetreten ist. Spannende Zeiten, oder?
AXEL SCHULZ: Aber so was von spannend. Es ist lange her, dass im Schwergewicht wieder alles möglich und offen ist. Joshua ist jetzt sicher der Mann, den es zu schlagen gilt. Er hat mit Klitschko den Besten der Welt besiegt, den König gestürzt. Aber das macht ihn noch nicht selber zum König. Im Moment ist Joshua der Herrscher des Schwergewichts, aber eben noch kein König. Dafür muss er sich erst beweisen, muss der Boxwelt das Fürchten lehren.

Hat sein Gegner am Samstag, der Franzose Carlos Takam, überhaupt eine echte Chance gegen den britischen Muskelberg Joshua?
Er hat die Chance, die man immer im Schwergewicht hat, nämlich, dass man seinen Gegner mit einem Schlag voll erwischt und ausknockt. Rein boxerisch sehe ich keine Möglichkeit, wie er über Joshua triumphieren kann. Aber auch das muss man ganz klar sagen, im Kampf gegen Klitschko wurden auch Schwächen offenbar - unbesiegbar ist Joshua auf keinen Fall.

Wo sehen Sie seine Schwächen?
Seine Defensive ist lückenhaft, man kann ihn schon treffen. Und Klitschko hat ja bewiesen, dass man Joshua auch zu Boden schicken kann. Er hat ja erst relativ spät mit dem Boxen angefangen, das sieht man auch. Wenn es einem Boxer gelingt, ihn unter Druck zu setzen, dann weiß er nicht immer so genau, was er tun soll. Aber er ist ein wirklich guter Boxer, war Olympiasieger, ist Weltmeister, ihn zu schlagen wird definitiv für keinen Boxer der Welt einfach.

In England ist eine richtige Joshua-Euphorie entbrannt.
Ja, das ist extrem, da wird er ja schon als der beste britische Boxer aller Zeiten im Schwergewicht gefeiert. Da bin ich anderer Meinung, diese Ehre wird für mich nur Lennox Lewis zuteil. Diese Vollkommenheit, die Lewis hatte, die hat Joshua für mich nicht.

Wird er das Boxen prägen können, wie es ein Klitschko, ein Lewis tat?
Das wird sehr schwer für ihn. Aber das ist nicht seine Schuld. Denn um in den Legendenstatus aufzusteigen, braucht man große Kämpfe, große Gegner. Beides hatte er mit seinem großartigen Sieg gegen Klitschko, aber was ist denn sonst da draußen los? Es fehlen die großen Kontrahenten, es gibt da draußen keinen Evander Holyfield, Mike Tyson, Riddick Bowe, die sich Schlachten für die Ewigkeiten geliefert haben. Wenn Joshua solche Gegner nicht hat, dann wird er - auch, wenn er sie alle weghaut - nur ein Boxer sein, der nach Klitschko kam. Auch Wladimir hatte ja ein bisschen das Problem, dass er zwar alles dominierte, aber die ganz großen Gegner fehlten. Heutzutage kennt sich ja niemand mehr aus. Es gibt so viele Verbände, so viele Titel, das ist ein Wirrwarr, das dem Boxen extrem schadet. Viele Freunde sagen mir, dass damit der Boxsport kaputtgemacht wird. Und wissen Sie was? Ich kann ihnen nicht widersprechen.

Was sagen Sie zu Klitschkos Entscheidung, die Boxhandschuhe an den Nagel zu hängen und auf das lukrative Rematch mit Joshua zu verzichten?
Es war die vollkommen richtige Entscheidung. Man hat ja im ersten Kampf noch gesehen, welchen Respekt Joshua vor Klitschko hatte. Im Rückkampf wäre das weg gewesen, da hätte er von der ersten Sekunde extrem Druck auf Wladimir gemacht, dem er - denke ich - nicht hätte standhalten können. Wladimir hat alles richtig gemacht, er ist mit einem grandiosen Kampf abgetreten. Er hat verloren, ist aber kein Verlierer. Jetzt kann er das Leben ohne die Schmerzen des Boxsports genießen.

Was halten Sie sonst von Joshua, ist er einer, der dem Boxen wieder alten Glanz verleihen kann?
Ja, ich habe ihn erst kürzlich bei einer Veranstaltung von Laureus getroffen, da hatte ich die Ehre, neben ihm und Box-Legende Marvelous Marvin Hagler sitzen zu dürfen. Joshua ist ein sehr kluger, wohlerzogener Mann, der überhaupt kein abgehobenes Ego hat. Er ist einer, der richtig zuhört, auf sein Gegenüber eingeht. Zudem kann er sich super artikulieren, hat Humor und dazu noch den Körper einer römischen Statue. Er macht schon was her. Er hat auf jeden Fall das Zeug dazu, der König des Schwergewichts zu werden.

Aber noch ist er es nicht.
Nein, zum jetzigen Zeitpunkt ist er es noch nicht.

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