Axel Schulz: "Huck siegt mit dem Willen, nicht boxerischer Klasse"

München - Der 48-Jährige Axel Schulz war zusammen mit Henry Maske für den deutschen Box-Boom in den 90er Jahren verantwortlich. Er boxte drei Mal um die WM im Schwergewicht, verlor jeweils. Jetzt arbeitet er als Experte für die Sendergruppe Sat.1/ProSieben. Die AZ sprach mit ihm:
AZ: Herr Schulz, am Samstag wird Marco Huck mal wieder die boxerische Brechstange auspacken und versuchen, gegen Mairis Briedis einen der Cruisergewichts-WM-Titel der großen Verbände zu holen. Wie sehen Sie als Experte seine Chancen?
AXEL SCHULZ: Für mich ist Marco in diesem Kampf der Außenseiter. Ich wünsche ihm zwar, dass er gewinnt, aber dafür muss er wirklich an seinem absoluten Leistungslimit kämpfen. Und das von der allerersten Sekunde an. Huck kann nicht – er darf nicht – nur darauf vertrauen, dass er einen Lucky-Punch, einen Glückstreffer, landet und damit den Kampf entscheidet. Mit den boxerischen Fähigkeiten ist es bei Marco ja nicht so weit her. Aber das ist auch okay so. Denn er lebt von seinem unglaublichen Kampfgeist und Kampfeswillen. Das ist auch nicht als Vorwurf gedacht, das ist ja bei Arthur Abraham etwa nie wirklich anders gewesen. Es gibt viele, die froh wären, diesen unbändigen Willen zu haben.
Sie sprachen Hucks boxerische Fähigkeiten an, man hat das Gefühl, dass er sich seit seiner Trennung von Kult-Trainer Ulli Wegner im Jahre 2014 sogar technisch-taktisch zurückentwickelt hat.
Das stimmt. Mit macht diese Tendenz im deutschen Boxsport im Moment sowieso Sorgen. Huck, Tyron Zeuge und andere, sie alle wechseln auch noch kurz vor entscheidenden Kämpfen ihre Trainer und bringen damit eine extreme Unruhe rein. Sie alle gehen damit nur den leichten Weg, machen den Trainer dafür verantwortlich, wenn sie selber in Wirklichkeit scheiße boxen. Wir sind hier nicht im Fußball, wo so ein neuer Coach auch mal ein Allheilmittel sein kann. Es geht um Boxen, da ist immer noch der Mann entscheidend, der im Ring steht. Er trifft die Entscheidungen, er kämpft. Also ist auch er in erster Linie für seine Erfolge, aber eben auch sein Versagen verantwortlich. Man holt einen neuen Trainer, der will natürlich auch ein bisschen was ändern, um zu beweisen, dass er da ist. Ich denke, dass Ulli bei Huck aber wirklich schon das Bestmögliche herausgeholt hatte, was die boxerischen Mittel angeht.
Huck ist einer, der immer eine harte Hand gebraucht hat, jemanden, der ihm in den Hintern tritt. Das war Wegner.
Absolut. Ich denke, dass es ein großer Fehler von Marco war, ihn zu verlassen. Dieser Schritt war sicher sehr einschneidend in der Entwicklung von Marco als Boxer. In meinem Augen war er da einfach schlecht und falsch beraten. Des lieben Geldes wegen zu gehen, ist nicht immer die feine englische Art. Aber es war letztlich Marcos eigene Entscheidung, das gilt es zu akzeptieren.
Huck ist für seinen Killerinstinkt berühmt. Kann man so etwa eigentlich lernen?
Ich denke nicht. In meinen Augen ist das angeboren. Das war etwas, was mir in meiner Karriere immer abgegangen ist. Huck ist da eher wie Mike Tyson, der ja auch wie ein Tier war und auf alles eingeschlagen hat, was sich bewegt hat. Wobei Tyson, das verkennen ganz viele, eine absolut geile Technik hatte, die perfekt auf seinen Körperbau zugeschnitten war. Huck erdrückt dich mit seiner Schlagkraft und Härte. Er schlägt zu wie ein Pferd und überrollt dich eben mit seinem Willen. Da können die anderen, die teilweise eine viel bessere Technik haben, dann nicht gegenhalten.
Sie hatten ja sogar das Angebot, gegen Tyson zu boxen.
Stimmt, aber das hätte ich mich einfach nicht getraut. Er hatte damals diese extrem animalische Ausstrahlung, so als wollte er dir wirklich was Übles antun.
Wie sehen Sie im Moment überhaupt den Stellenwert des Boxens? Die Einschalt-Quoten gehen zurück, die alten Helden sind in erster Linie das: alt.
Wir leben da viel in der Vergangenheit und verklären das. Und in diesen nostalgischen Gedanken war natürlich alles besser. Uns geht es im Boxen eben so, wie es etwa dem Tennis in der Zeit nach Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich gegangen ist. Höhen und Tiefen sind da ganz normal, auch jetzt hat noch nicht jeder realisiert, dass wir mit Angelique Kerber wieder eine Nummer 1 im Frauentennis haben. Helden werden nicht von einem Tag auf den anderen geboren. Und man muss sich ja nur an die Anfänge des Boxens in den 90ern erinnern, auch da war es so, dass sich alles entwickeln musste. Matthias Kerber
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