Interview

Axel Schulz: "Fury ist Drama, Können und Entertainment pur"

Tyson Fury verteidigt seinen WM-Titel in London gegen Dillian Whyte. Box-Experte Axel Schulz spricht in der AZ über den Fight, das mögliche Karriereende des Champions und das Boxen in Deutschland.
von  Matthias Kerber
Axel Schulz
Axel Schulz © dpa

München - AZ-Interview mit Axel Schulz: Der jetzt 53-Jährige boxte drei Mal um die WM im Schwergewicht (1995 und 1996), verlor aber jeweils.

AZ: Herr Schulz, endlich wieder großes Boxen vor großer Kulisse. Am Samstag verteidigt Schwergewichtskönig Tyson Fury seine WM-Titel vor 94.000 Fans im ausverkauften Londoner Wembley-Stadion gegen seinen britischen Landsmann Dillian Whyte. . .
AXEL SCHULZ: Geil, oder? Ich bin selber richtig heiß auf den Kampf. Im Schwergewicht geht es ja auch richtig rund. Und Fury ist ein Super-Kerl, ich oute mich da als Fan, ich habe ihn ja auch selber ein paar Mal persönlich getroffen: Was für eine Type! Leider verstehe ich mit meinem Stöpsel-Englisch nur einen Bruchteil von dem, was er sagt (lacht). Für mich ist Fury der beste Selbstpromoter seit Muhammad Ali. Er hat immer einen guten, flotten Spruch drauf, er ist unglaublich zugänglich für die Fans. Er hat Humor, Charme und Charisma. Und er ist ein fantastischer Boxer. Fury ist Drama, Entertainment und Können pur. Er ist der kompletteste Boxer, den wir seit sehr, sehr langem gesehen haben. Ich bin mir sicher, dass Fury auch gewinnen wird.

Sie haben ja selber drei Mal - unter anderem gegen Box-Ikone George Foreman um die WM geboxt, haben Sie eine Idee, eine Taktik, wie man Fury schlagen kann?
Die kurze oder die lange Antwort?

Beides.
Nein - lautet die kurze. Und: Ich weiß es nicht, ist meine lange. Er ist so riesig. . .

2,06 Meter.
Mit diesen extrem langen Armen.

Spannweite 2,16 Meter.
Er ist dabei unglaublich schnell auf den Beinen, er kann mit dir mitprügeln, er kann dich auf Distanz boxen. Er kann im Kampf plötzlich die Auslage von Rechts- auf Linkshänder wechseln und verliert nichts an seiner Effektivität. Dazu ist er mental superstark. Wie er damals Wladimir Klitschko, der mich ja böse verprügelt hat, entnervt und besiegt hat, war unglaublich. Er ist auch jemand, der wirklich überzeugt ist, dass ihn keiner besiegen kann. Wer den ersten Kampf dieser Wahnsinns-Trilogie gegen Deontay Wilder, den wahrscheinlich härtesten Puncher im Boxsport, gesehen hat, wird nie vergessen, wie er nach diesem fürchterlichen Niederschlag wie von Fäden gezogen doch noch vom Boden aufsteht und nicht ausgezählt wird. Das war unmenschlich. Da fangen selbst Ungläubige an, an eine höhere Macht zu glauben (lacht). Also, ich bin froh, dass ich nie gegen Fury boxen musste. Das wäre nicht gut ausgegangen.

"Er ist der kompletteste Boxer, den wir seit sehr, sehr langem gesehen haben", sagt Axel Schulz über Tyson Fury (l.), hier gegen Deontay Wilder.
"Er ist der kompletteste Boxer, den wir seit sehr, sehr langem gesehen haben", sagt Axel Schulz über Tyson Fury (l.), hier gegen Deontay Wilder. © imago/MB Media Solutions

Für Sie.
Ja (lacht).

Whyte ist ein starker Kämpfer, seine Körperschläge sind gefürchtet.
Ja, Whyte ist nicht zu unterschätzen. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass er die Mittel hat, um Fury zu schlagen. Wer hat die schon! Aber Whyte ist zäh. Wer seine Lebensgeschichte kennt, der weiß, dass Boxen für Whyte gar kein echter Kampf ist, das ist für ihn, fast Erholung. Er ist es gewohnt, um sein Leben zu kämpfen, ums Überleben. Er wurde in seiner Jugend mehrfach niedergestochen und angeschossen. Dem macht sicher nichts so schnell Angst, nicht mal Tyson Fury.

Fury hat angekündigt, dass dies sein letzter Kampf ist, dass er sich aus dem Boxsport zurückziehen wird.
Das kann ich mir nicht vorstellen und ich hoffe auch, dass es nicht so kommt. Ich kann einfach nicht glauben, dass dieser Mann, der so für die Bühne geschaffen, ja regelrecht geboren wurde, abtritt und nur noch Privatmann ist. Er hat als Boxer auch noch viele gute Kämpfe vor sich. Ich denke, dass auch das wieder ein Mittel war, um den Kampf, um sich zu vermarkten. Ich will Fury auch noch unbedingt gegen Anthony Joshua und Oleksandr Usyk im Ring sehen. Aber: Bei Fury weiß man nie. Ich hoffe, er macht noch lange weiter, denn er ist das perfekte Gesamtpaket, er vermarktet den Sport und das ist das, was wir brauchen, um Boxen wieder auf der ganzen Welt ins Rampenlicht zu bringen.

Speziell in Deutschland, der Sport hat ein klares Image- und Qualitätsproblem.
Ja, da ist viel zusammengekommen, keine Frage. Durch das Wirrwarr der vielen Verbände blickt keiner mehr durch. Es gibt viel zu viele Titel, die nichts wert sind und die den Fans über Jahre als Nonplusultra verkauft wurden. Wir haben gute Boxer in Deutschland. Aber die darf man nicht immer gleich zu Weltmeistern hochjazzen. Wir müssen wieder dort hinkommen, dass der Titel des Deutschen Meisters einen echten Wert hat, dass es gute Kämpfe zwischen gleichwertigen Gegnern und nicht Fights gegen Fallobst gibt.

Die letzten Events in Deutschland sorgten nur noch für Eklats. Haxhi Krasniqi klagt, nachdem er seinen WM-Titel mehr als umstritten an Dominic Bösel verloren hat, vor Gericht. Beim Felix-Sturm-Fight wurde Oliver Pocher am Ring von einem geltungssüchtigen Comedian geohrfeigt, den Showacts wie Schwesta Ewa fehlte jede Klasse.
Ja, traurig. Selbst meine Töchter fragen mich, nach dem halbseidenen Image und was da im Boxen eigentlich abgeht. Wir müssen wieder Klasse und Niveau bieten. Unser Sport ist viel zu schön, um nur durch sowas Schlagzeilen zu machen.

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