Auspacken, schrauben, mitgrölen!

"Unsere Fußballbegeisterung hat sich wohl rumgesprochen." Johannes Strate von „Revolverheld“ singt den deutschen EM-Song. Hier erklärt er, wie „Helden 2008“ zustande kam – und wie gut er selbst kickt.
von  Abendzeitung
„Wir sind alle total fußballgeil“: Die Band Revolverheld um Sänger Johannes Strate (M.) hat mit „Helden 2008“ den offiziellen deutschen EM–Song veröffentlicht.
„Wir sind alle total fußballgeil“: Die Band Revolverheld um Sänger Johannes Strate (M.) hat mit „Helden 2008“ den offiziellen deutschen EM–Song veröffentlicht. © dpa

"Unsere Fußballbegeisterung hat sich wohl rumgesprochen." Johannes Strate von „Revolverheld“ singt den deutschen EM-Song. Hier erklärt er, wie „Helden 2008“ zustande kam – und wie gut er selbst kickt.

AZ: Herr Strate, können Sie noch mitsingen? 54, 74, 94...

JOHANNES STRATE: Logisch kann ich weitersingen! 54, 74, 90, 2006, ja so stimmen wir alle ein. Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir Weltmeister sein! Das hat zwar 2006 beim Sommermärchen nicht ganz geklappt, aber Sie können sicher sein, wir haben das Lied während der WM oft genug mitgesungen, mitgegrölt.

Die Sportfreunde Stiller haben mit ihrem „54, 74...“-Song die Messlatte für Sie und Ihre Band Revolverheld ausgesprochen hoch gelegt, was offizielle Songs für Fußball-Großereignisse betrifft.

Genau. Das ist definitiv auch für uns eine sportliche Herausforderung. Als wir dann vom DFB gefragt wurden, ob wir den offiziellen Song für die Europameisterschaft 2008 aufnehmen wollten, haben wir erst verwundert die Augen gerieben, aber dann natürlich nicht lange gezögert. So eine Chance, kriegt man ja nicht so oft. Und die Tatsache, dass der Song „Helden 2008“ dermaßen gut aufgenommen wird, freut uns natürlich tierisch. Das Lied ist in den Charts unter die Top-Ten eingestiegen, die Downloads sind enorm. Dass die Fans bereits vor EM-Beginn angefangen haben, das Lied mitzugrölen, war selbst für uns überraschend. Da herrscht schon eine Euphorie.

Wie kam denn der Kontakt mit dem DFB zustande?

Die sind auf uns aufmerksam geworden, weil wir ja zur WM 2006 auch schon einen Song gemacht haben, der „Heimspiel“ hieß. Unsere Fußballbegeisterung hat sich wohl rumgesprochen. Bis hin zum DFB. Ich habe zum Beispiel auch schon für Werder Bremen die Vereinshymne eingesungen, Fußball ist einfach seit Ewigkeiten ein wichtiger Teil meines Lebens.

Und wie darf man sich die Auswahl des passenden Liedes vorstellen? DFB-Präsident Theo Zwanziger hört sich das Demo an, und wenn sein Fuß im Takt mitwippt, hat man gewonnen?

Nette Vorstellung, aber das wäre uns zu blöd gewesen. Nein, sowas hätten wir auch nicht mitgemacht, Man hat uns auch keine Vorgaben gemacht, das hätten wir als Künstler auch nicht akzeptiert. Sie wollten, dass wir einen Song schreiben, das haben wir gemacht, wir haben ihnen den Song vorgestellt, sie fanden ihn super, das war’s.

Geht man an so einen Song beim Komponieren anders ran als an einen klassischen Revolverheld-Song?

Wir haben Ewigkeiten über Fußball sinniert, Fußballfragen ausgepackt, dann haben wir alles genommen, dran rumgeschraubt und versucht, daraus einen griffigen Text zum Mitsingen zu machen.

Die Anforderung muss ja sein, dass Fans den Song auch noch bei zwei Promille fröhlich mitträllern können.

Genau, wir haben es bei Freunden vorher getestet. Okay, zwei Promille hatten die nicht, aber vielleicht zwei Bier. Es muss natürlich eingängig sein – und das scheint „Helden 2008“ zu sein.

Wie habt Ihr Revolverhelden – noch als Fans – das Sommermärchen erlebt?

Wir haben jedes Spiel gesehen, waren wild unterwegs. Und waren leider im Stadion, als Deutschland gegen Italien verloren hat. Das war unser großes Fußball-Drama im Westfalenstadion. Dieses laute Stadion war plötzlich grabesstill, als das Tor für Italien fiel. Das war für mich ein traumatisches Ereignis, danach mussten wir leider Frusttrinken betreiben.

Ein wichtiges WM-Lied für die Mannschaft des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann war Xavier Naidoos „Dieser Weg“. Der Song lief vor Spielen in der Kabine.

Man hat das Gefühl, dass man sich bei einer WM, einer EM in einen Rausch spielt. Da spielen Musik, die motiviert, und Rituale eben eine große Rolle. Das ist bei uns ja auch nicht anders. Vor jedem Konzert kommen wir zusammen, schwören uns in einem Kreis ein, ähnlich wie die Fußballer. Fußball und Musik, da gibt es schon viele Gemeinsamkeiten. Beide sind auf der Bühne, beide leben ihren Traum, leben von Emotionen.

Wer kann der große „Held 2008“ werden, wer kann, in leichter Abwandlung eines Ihrer Songs, „die Welt verändern“?

In meinen Augen Michael Ballack. Er hat das Potenzial, er ist in der Form seines Lebens und ist sicher extrem titelgeil, weil er es mit Chelsea in der Saison gleich zwei Mal verrissen hat. Jetzt hat er die Chance, in der Saison noch einen Titel abzustauben. Der Michi spielt echt sensationell. Der Erfolg der Deutschen hängt sicher in erster Linie von ihm ab.

Wie steht es um die eigenen Künste am Ball?

Wir waren seit Kindesbeinen immer im Stadion, wir sind einfach fußballgeil. Und wir spielen sehr viel gegen andere Bands, wann immer es sich ergibt. Natürlich auf vergleichsweise erbärmlichem Niveau, aber immerhin. Wir haben gegen Silbermond viel gespielt, gegen „Die Happy“ und „Liquido“, kürzlich auch gegen eine spanische Band, die haben uns leider tierisch platt gemacht, daher verschweigen wir hier lieber deren Namen.

Um Sie erneut zu zitieren, wenn man sich einen fingernagellackierten Bastian Schweinsteiger anschaut, dann hat die „Generation Rock“ im Fußball Einzug gehalten

Total, die Fußballer stellen sich auch viel mehr selber da als noch vor 30 Jahren. Ein Cristiano Ronaldo ist ja ein echter Popstar. Ich finde das ganz witzig, aber solange sie sich auf den Sport konzentrieren und das an erster Stelle steht, können sie privat gerne Popstar sein. Es darf halt nicht ablenken, und die Gefahr bei den Jungen ist sicher groß, dass das Drumherum wichtiger wird als der Sport.

Manche Fußballer versuchten es ganz real, ein singender Popstar zu werden: Franz Beckenbauer etwa.

„Gute Freunde kann niemand trennen!“ Das war so sensationell, auch das Video: Die sitzen völlig emotionslos da und bewegen nur den Mund, da schmeißt du dich weg! Es ist immer sehr witzig, wenn Fußballer selber singen. Ansonsten: „Football’s coming home“ ist für mich der Übervater der Fußball-Songs. Es gab natürlich auch Ausrutscher, etwa „Far away in America“, das war 1994 gedanklich ein übler Ausrutscher, und was wir dann da als Nationalmannschaft abgeliefert haben, war dementsprechend.

Also, ein ganz klarer Zusammenhang zwischen guten Songs und gutem Abschneiden der Mannschaft.

So muss man es sehen.

Wird demnach Deutschland in zweieinhalb Wochen Europameister 2008?

Ich hoffe es, wir haben sicher unser Bestes getan. Unser Traum ist, dass Deutschland Europameister wird und wir dann hoffentlich alle zusammen heldenhaft feiern. Denn dann wären wir alle Helden 2008.

Matthias Kerber

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