Interview

Ausnahme-Eishockeyspielerin Julia Zorn: "Von Equal Pay sind wir im Eishockey weit weg"

14 Jahre war Julia Zorn für das Nationalteam auf Torjagd. In der AZ spricht die Gräfelfingerin über einen erfüllten Lebenstraum, Kämpfe für die nächste Generation und die große Hoffnung SAP Garden.
von  Martin Wimösterer
Wortführerin: Julia Zorn (l.) hier neben Italiens Laura Lobis.
Wortführerin: Julia Zorn (l.) hier neben Italiens Laura Lobis. © imago images/Nordphoto

München - AZ-Interview mit Julia Zorn Die 32-Jährige aus Gräfelfing war Führungsspielerin des DEB-Auswahl.

AZ: Frau Zorn, nach 228 Länderspielen ist ihre Karriere im Nationalteam vorbei. Was ist hängengeblieben?
JULIA ZORN: Jede Menge. Die Zeit in der Nationalmannschaft hat auch die vergangenen 14 Jahre meines Lebens bestimmt. Alles, was man macht, ist dem Leistungssport untergeordnet. Sportlich gesehen war der Höhepunkt sicher Olympia. Besonders war aber auch die WM 2017. Wir waren als Aufsteiger und - weil wir kurz zuvor die Olympia-Qualifikation verpasst hatten - nicht gerade mit erhobenen Köpfen angereist. Und dann sind wir Vierter geworden! Wenn man bedenkt, wie viel man auf der Welt herumgekommen ist, wie viel man erleben durfte und gesehen hat, auch wenn es größtenteils nur die Hotels und das Eisstadion waren... (lacht)

Das war Ihre Bezahlung für den vollen Einsatz?
Mit der Olympia-Teilnahme habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. Also kann man schon sagen: Das war unsere Bezahlung.

Letzte Saison haben nur 16 Spielerinnen eine Bezahlung bekommen

Im Fußball gibt es die Debatte um Equal Pay: Frau und Mann sollen gleich verdienen. Wie steht es darum im Eishockey?
Da sind wir ganz weit weg von Equal Pay! Bei uns funktioniert das nur über die Bundeswehr, die Sportfördergruppe. In der vorigen Saison gab es 16 Plätze, ich hatte einen davon. Es waren also nur 16 Spielerinnen, die eine Bezahlung erhalten. Vom Männer-Eishockey sind wir auch da immer noch ein gutes Stück entfernt.

Alle anderen Spielerinnen der Bundesliga, der DFEL, bekommen kein Gehalt?
Du musst eher Geld mitbringen, um zu spielen! Bei manchen Vereinen musst du einen hohen Beitrag, bei anderen die Auswärtsfahrten selbst zahlen. Bei uns in Planegg haben wir Glück, dass wir einen niedrigen Beitrag zahlen müssen und für Auswärtsfahrten nichts. Die Bedingungen gibt es aber nicht überall. Lass es nur 200 Euro sein - das sind auch Kosten.

Und das, wo die DFEL nun offiziell als Profiliga gilt. Wie finden Sie diesen Beschluss?
Ich bin unfassbar froh, dass so entschieden wurde. Wir hätten sonst vor der Olympia-Qualifikation wegen Corona nicht spielen dürfen. Jetzt hat die DFEL den Profi-Status - zumindest auf dem Papier. Ich habe die Hoffnung, dass sich da was in eine gute Richtung ändert.

"Ich will meine Position im Eishockey nutzen, um etwas voranzubringen"

Was muss sich ändern aus Ihrer Sicht?
Ich kenne mich im Bereich Marketing und Sponsoring nicht so gut aus. Es gibt andere in der Liga, die das studiert haben. Ich will aber meine Position im Eishockey nutzen, um etwas voranzubringen. Wir haben Kontakte zur Spielergewerkschaft SVE aus dem Männerbereich geknüpft. Es gab Gespräche mit der Liga, dass wir das Interesse haben, damit sich alles weiter professionalisiert. Aktuell sind die Frauen auf die Unterstützung der männlichen Vereine angewiesen, ob DEL oder Oberliga.

Was bei Ihnen in Planegg nicht möglich ist: Der ESC ist rein für Ihre Frauen-Auswahl da.
Es gab mal den Gedanken, uns an einen Männerverein anzugliedern. Das ist aber schwierig, vor allem wegen der begrenzten Trainingszeiten. Darum trainieren und spielen wir in drei verschiedenen Stadien. Die Hoffnung ist da, dass sich da was ändert, wenn in München das neue Stadion da ist.

"In Schweden ist auch nicht alles Gold, was glänzt"

Der SAP Garden wird Ende 2023 fertig. Das wäre dann was für Sie, oder?
Es geht gar nicht um mich. Viele Kämpfe, die ich über die Jahre ausgefochten habe, sind gar nicht für mich gewesen - sondern für die kommenden Generationen. Damit da was vorangeht, wie schon in den vorigen 14 Jahren. Man darf sich nicht mit kleinen Veränderungen zufriedengeben. Man muss an einem Strang ziehen, sich engagieren.

Was hat sich in den 14 Jahren denn konkret getan?
Als Beispiel kann ich die Unterbringung nennen. Hotels waren es keine, das waren Jugendherbergen. Das ist nun anders.

Was muss sich weiter tun?
Aus Spielersicht: Du musst die Liga besser machen, um die Nationalmannschaft besser zu machen. Man muss schauen, dass einen nicht jedes Mal der D-Zug trifft, weil die Geschwindigkeit international höher ist. Man braucht noch eine breitere Basis. Als ich im Nachwuchs war, war ich lange das einzige Mädl in der Mannschaft - heute sind es immerhin schon vier, fünf. Doch man muss ihnen eine Perspektive bieten und sagen: Unser Ziel ist, dich mal in die DFEL zu bringen. Viele Ausbildungsvereine sehen die Perspektive nicht, weil die Mädls mal nicht für ihr Team spielen werden. Sie werden nicht geduldet. Das muss sich ändern. Und die Frage ist, ob du vorankommst, mit Spielerinnen, die 40 Stunden pro Woche arbeiten müssen oder ob man nicht Sponsoren finden könnte, damit sie nur noch 15, 20 Stunden arbeiten. Derzeit kommen wir teils spät in der Sonntagnacht heim - einige müssen dann um 6 Uhr schon wieder auf der Matte stehen. Derzeit gehen viele Spielerinnen ins Ausland. Ich hatte auch überlegt.

Einige Stars zieht es nach Schweden. Was läuft dort besser als in Deutschland?
Du bekommst dort etwas Geld, auch Ausrüstung und Wohnung sind geregelt. Aber in Schweden ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Das Niveau der Liga ist besser, aber die Liga hat die Nationalmannschaft kaputtgemacht. Da war keine Ausländerbegrenzung mehr in der Liga. Du darfst dir nicht ins eigene Knie schießen.

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