Aus der schiefen Bahn

Stephan Hocke, das einstige Wunderkind, feiert sieben Jahre nach seinem ersten Sieg und nach einem heftigen Karriere-Knick ein erstaunliches Comeback im Weltcup.
von  Abendzeitung
Brachte Stephan Hocke wieder in Form: Der neue Bundestrainer Werner Schuster.
Brachte Stephan Hocke wieder in Form: Der neue Bundestrainer Werner Schuster. © dpa

ENGELBERG - Stephan Hocke, das einstige Wunderkind, feiert sieben Jahre nach seinem ersten Sieg und nach einem heftigen Karriere-Knick ein erstaunliches Comeback im Weltcup.

Auch Gerd Siegmund, der Manager von Stephan Hocke, musste am Freitag warten. Wie viele Journalisten, Trainer, Betreuer. Im Akkreditierungszentrum von Engelberg ging an den Schaltern nichts mehr.

Denn den Computern ging es dort so wie Hocke in den letzten Jahren. Sie waren abgestürzt. Freilich dauerte es bei den Rechnern nur wenige Minuten, bis sie wieder auf Touren kamen. Bei Hocke dauerte es sieben Jahre. Am Wochenende darf der 25-Jährige wieder im Weltcup springen. In Engelberg, dort wo alles begann, im Dezember 2001.

18 war er damals, jung, frech und unerschrocken. Siebter, Fünfter, Dritter, Fünfter, das war er in den ersten vier Weltcup-Springen seines Lebens, beim fünften in Engelberg gewann er. Zwei Monate später holte er Olympia-Gold mit der Mannschaft in Salt Lake City, nach Schmitt und Hannawald schien er der dritte Wunderknabe zu sein, nur ihm selbst war das schon viel zu unheimlich. „So richtig begreife ich das nicht“, sagte er damals, „aber so ist es halt im Skispringen. Manchmal platzt der Knoten und manchmal kann es genauso schnell andersrum gehen.“ Dumm, dass es danach bei Hocke nur noch anders rum ging.

Hocke sollte beim Springen Haltung bewahren, doch das schaffte er nicht. „In den Jahren war er immer mehr einseitig abgesprungen“, sagte Siegmund der AZ, „das war richtig asymmetrisch, die eine Schulter war viel weiter vorne als die andere. Das kostete viele Meter, aber er konnte es sich nicht abgewöhnen.“ Hocke geriet immer mehr auf die schiefe Bahn.

Reinhard Heß, sein erster großer Förderer aus Hockes Geburtsstadt Suhl, glückten die Korrekturen genauso wenig wie den Nachfolgern Wolfgang Steiert und Peter Rohwein. „Stephan hat es in diesen Jahren zwar nie offen ausgesprochen“, meinte Siegmund, „aber ich bin mir sicher, dass er drüber nachgedacht hat, hinzuschmeißen.“

Er tat es nicht, machte weiter, wurde aber nicht glücklich. Wenn er einmal das Finale der besten 30 erreichte, war das ein großer Erfolg. Dazu kam Kompetenzgerangel zwischen Rohwein und Hockes Heimtrainer Heinz Kuttin, der Haussegen beim DSV hing, so wie Hocke beim Springen in der Luft, nämlich ziemlich schief.

Aber dann kam im Sommer Werner Schuster, der neue Bundestrainer aus Österreich, und mit ihm die neue Harmonie. Zwischen ihm und Hockes neuem Heimtrainer Ronny Hornschuh läuft es bisher reibungslos, und das zeigte sich auch an Hockes Leistung. Zuletzt im Continental Cup, der zweiten Liga der Skispringer, wo er inzwischen gelandet war, wo er nun aber zwischen 9. und 14. Dezember in Rovaniemi und Vikersund alle vier Springen gewann.

So nahm ihn Schuster mit nach Engelberg, gestern in der Qualifikation kam Hocke gleich einmal auf 127,5 Meter, erreichte damit mühelos das Springen am Samstag (13.45 Uhr, ZDF und Eurosport live).

Dann kommt schon die Vierschanzentournee, und vielleicht hat Hocke ja manchmal wieder so Tage, wo der Knoten platzt. „Zumindest geht es wieder nach vorne“, sagt Siegmund. Endlich wieder geradeaus.

Florian Kinast

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