Auf der Suche nach dem letzten Biss

Die Nr. 1 im Tennis und die WM – das passte bisher nicht. Jetzt will Rafael Nadal es allerdings wissen.
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So kennen wir ihn: Rafael Nadal, immer voll dabei.
dpa So kennen wir ihn: Rafael Nadal, immer voll dabei.

Die Nr. 1 im Tennis und die WM – das passte bisher nicht. Jetzt will Rafael Nadal es allerdings wissen.

LONDON Auch ein Jahr später kann man sich noch die Augen reiben, wenn man auf die Ergebnisse der Weltmeisterschaft 2009 schaut. Der London-Champion war seinerzeit ein gewisser Nikolai Dawidenko, der ebenso sarkastische wie unbeugsame Russe. Und der größte Verlierer überhaupt war der Mann, der 2010 dann eine der strahlendsten Bilanzen fabrizierte, die je in der Moderne dieses Sports niedergeschrieben wurden: Nach drei grimmigen Vorrunden-Niederlagen verließ Rafael Nadal letzte Saison den Hallenpalast als buchstäblich geschlagener Mann. „Die Welt war irgendwie aus den Fugen geraten. Ich habe da wirklich gezweifelt an mir", sagt Nadal, „und ich wusste, dass ich eine Menge Arbeit vor mir hatte.“

London wird in der nächsten Woche einen anderen Nadal erleben. Einen ziemlich ausgeruhten, höchst konzentrierten Spitzenmann, der alle Sinne und Kräfte beisammen hat für die Titelmission. Der sich auf den letzten Metern noch den allerletzten Titel sichern will, der ihm mit seinen 24 Jahren gerade noch fehlt. „Bei diesem Turnier musst du in jeder Sekunde das Beste aus dir rausholen, sonst erlebst du nur Frust“, sagt der bullige Mallorquiner, „aber ich bin bereit und fähig, alles zu investieren.“

Gleich am Montagabend muss Nadal ans Limit gehen, wenn er im Auftaktduell seiner Vorrundengruppe auf den amerikanischen Gewaltaufschläger Andy Roddick trifft. „Das bedeutet: Von Null auf Hundert zu gehen“, sagt Nadal, „da ist kein Platz für eine Aufwärmrunde.“

Wo er sich in den letzten Jahren noch stets im Herbst verzettelte und meist versuchte, ein schwaches US Open-Resultat zu kompensieren, hat es der Spanier nun entspannter angehen lassen. Nach dem Ausscheiden beim Shanghaier Masters gegen Österreichs Saisonaufsteiger Jürgen Melzer gönnte sich der Matador aus Manacor sogar eine Pause von fünf Wochen, nicht einmal beim letzten großen Vorbereitungsevent im Pariser Palais Omnisports kreuzte der Weltranglistenerste auf - vorgeblich wegen Schulterbeschwerden.

Bisher hat Nadal 76 Spiele in der Serie 2010 bestritten - ein für ihn eher konservativer Wert nach so manch zurückliegender Hetzjagd, die mit über 90 Saisonmatches endete. Maximal fünf Partien könnten noch hinzukommen bei der finalen ATP-Gala, bei der Nadal soweit nur eine blasse Randfigur geblieben ist. Der viermalige Weltmeister Federer kommt auf eine 29:7-Bilanz bei der WM, Nadal steht bei 4:7. „Bei der WM“, sagt Nadal, „fehlte mir immer der letzte Biss, die Power, um richtig zulegen zu können.“

Dass Nadal gelernt hat, die Saison wie ein Langstreckenläufer strategisch einzuteilen, hat er schon mit seinem Sieg bei den US Open gezeigt. „Es war der erste große Sieg, den Nadal in der zweiten Jahreshälfte holte“, sagt Mats Wilander, der schwedische Ex-Star, „und es war ein Beweis, dass er aus früheren Fehlern gelernt hat." Nicht zuletzt dem Fehler, seinen Körper hartnäckig zu überfordern und ihm Strapazen zuzumuten, die selbst Muskelmann Nadal nicht vertragen kann. Statt eines herbstlichen Parforceritts durch die Hallenpaläste hat er daheim trainiert mit seinem Onkel Miguel Angel, dem ehemaligen spanischen Fußball-Nationalspieler.

Alles, fast alles hat Nadal in dieser Saison abgeräumt. Drei Grand Slam-Titel auf drei verschiedenen Belägen, alle Sandplatz-Titel von Bedeutung holte er. Die Rangliste führt er mit 3800 Punkten Vorsprung vor Federer an. Kürzlich vergaben die eigenen Profikollegen den Stefan-Edberg-Sportsmanship-Award an ihn, für seine Botschafterrolle im Sport. Bleibt noch der WM-Titel. Nadal will besser sein, viel besser als im letzten Jahr. Aber er hat keine Zeitnot, ist kein Getriebener mehr. „Ich habe noch genügend Chancen für diesen Sieg.“

Jörg Allmeroth

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