Auf dass sie z’ammhalten
Weihnachten bei den Rieschs: So feiern Maria, die Weltmeisterin, und ihre Schwester Susi, gerade in Bestform, daheim in Garmisch mit Lindsey Vonn, der größten Rivalin im Skizirkus
GARMISCH-PARTENKIRCHEN Letzte Woche, so sagt es der Vater, da gingen die Kinder auf die Barrikaden. Vor allem die Töchter, die Maria und die Susi. Da hatten es die Eltern nämlich doch allen Ernstes vorgeschlagen, dass man heuer am 24. Dezember in ein Lokal geht. Zum Abendessen, irgendwo in oder um Garmisch und Partenkirchen. „Aber da“, sagt Siegfried Riesch, „haben die Kinder gemeutert. Die wollten unbedingt wieder daheim bleiben.“ Denn für Maria, die Weltmeisterin, und Susi, gerade in der Form ihres Lebens, soll es so sein wie jedes Jahr, Heiligabend im Hause Riesch.
Und dazu gehört inzwischen auch, dass die Schwestern nicht nur mit ihrer Familie feiern. Mit Papa, Mama Monika und Bruder Matthias, dem Zwilling von der Susi. Sondern dass die beiden besten Slalom-Läuferinnen Deutschlands auch noch mit der allerbesten Skifahrerin der Welt zusammen sind. Lindsey Vonn, US-Star, Weltcup-Gesamtsiegerin und seit gemeinsamen Jugendrennen beste Freundin von Maria. Sie kommt wieder mit dem Thomas, ihrem Mann.
Von vier Jahren war Lindsey noch ledig, da hieß sie Kildow, und da war es das erste Mal, dass sie mit den Rieschs feierte. Im engen Terminkalender der Skifahrer mit den vielen Europa-Rennen rund um die Feiertage lohnt sich der Heimflug in die Staaten nie, darum feiern die US-Skistars immer in ihrem langjährigen Tiroler Hauptquartier in Kirchberg. Nur ohne Lindsey, denn die nimmt dann immer Reißaus. Über den Zirler Berg, ins Garmischer Weihnachtsexil. „Bei den Amerikanern lassen’s die meisten dann doch krachen an Weihnachten“, sagt Sigi Riesch, „der Lindsey ist das aber zu laut, zu schrill und zu g’spinnert. Die Lindsey tickt da anders.“ Eher so wie die Rieschs eben.
Denn bei den Rieschs ist es gar nicht schrill. Der Vater sagt, dass er gerade bei der Maria merkt, wie wichtig ihr die Ruhe an Heiligabend ist. Bei all der Hetzerei zwischen Training und Rennen, zwischen PR-Veranstaltungen und Ehrungen wie zuletzt der Sportler-Wahl in Baden-Baden.
Es gibt freilich Stress, der mehr nerven kann.
„Aber a bissl a Ruh“, sagt Papa Riesch, „ist einfach nicht verkehrt. Weil Weihnachten auch dazu da ist, dass man wieder schaut, worauf’s ankommt im Leben.“ Weil in den vergangenen Jahren, da war Weihnachten auch oft eher traurig bei den Rieschs. 2005, als die Maria nach ihrem zweiten Kreuzbandriss Anfang Dezember auf Krücken am Christbaum stand. Und vor allem 2006, als innerhalb weniger Monate viele enge Menschen in der Familie starben.
Opa Willi, mit 90, der Papa von der Mama. Aber auch deren beiden Brüder. Einer mit 55, der andere mit 43.
„Das war eine sehr schwere Zeit“, sagt Maria Riesch, „genau da war es wichtig, dass wir beinander sind in der Familie und dass wir uns gegenseitig Kraft geben.“ Auf dass sie zammhalten.
Aber auch heuer musste der Steinmetz den Namen von einem von Maria Rieschs Verwandten in den Grabstein meißeln, der andere Opa starb in diesem Jahr, der Vater vom Papa. 94 war er, und Sigi Riesch sagt, dass man in so einem Alter auch damit rechnen müsse. „Irgendwann is’ halt amal soweit.“ Aber traurig ist es dann eben doch.
Wie jedes Jahr werden die Rieschs am Nachmittag vom 24. Dezember die 200 Meter hinüber gehen zum Friedhof, so gegen vier, halb 5, wenn’s langsam dunkel wird, die Lichter angehen, und eine Blaskapelle zur Weihnachtsmusik anstimmt. „Nur meine Frau“, sagt Siegfried Riesch, „die bleibt dann immer daheim. Die richtet dann alles her und kümmert sich dann schon ums Abendessen daheim.“ Das Raclette vorbereiten, das es der guten Tradition halber gibt und nach dem es dann an die Bescherung geht, wo die Mama dann immer noch die Stille Nacht anstimmt.
Am 1. Feiertag geht es schon wieder weiter, am Mittag packen die Maria, die Susi und die Lindsey zusammen und fahren los Richtung Osttirol. Nach Lienz, zu den nächsten Weltcup-Rennen. Ab dann werden Sigi und Monika ihre Kinder in den nächsten Monaten kaum noch sehen. Der Januar ist gesteckt voll mit Rennterminen, Kroatien, Steiermark, Salzburg, Italien, Engadin. Dann sind sie ganz weit weg, den ganzen Februar drüben bei den Winterspielen in Vancouver.
Für Maria Riesch kommen nun eh die beiden wichtigsten Winter ihrer Karriere. Erst Olympia in Kanada, im Jahr danach dann die Heim-WM in Garmisch-Partenkirchen. Aber dazwischen dann auch 2010 wieder ein Weihnachten, das so sein soll wie immer. Wo die Kinder alles dafür tun werden, dass die Mama auch dann nicht mitgeht auf den Friedhof, sondern stattdessen alles herrichtet. Am Ende müssten sie dann ja doch auswärts essen. Und das wäre schon fast zu g’spinnert.Florian Kinast