Armstrongs Angriff: Ein zwiespältiger Deal

Galveston - Die bildliche Sprache beherrscht Lance Armstrong meisterhaft. Also hatte sich der 40-Jährige noch im Zielkanal im texanischen Galveston eine hübsche Erklärung einfallen lassen, warum er bei seinem zweiten Rennen in diesem Jahr unter dem offiziellen Ironman-Label nicht so abgeschnitten hat wie gewünscht. „Ich sage es immer: Manchmal bist du der Hammer, manchmal der Nagel. Diesmal war ich der Nagel, aber das ist okay.“ Ein gewisser Pragmatismus hat den umstrittenen Ausdauerathleten seit jeher umgeben, und warum sollte sich der siebenfache Tour-Sieger groß grämen, dass er beim 70.3 Memorial Hermann Ironman über 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21 Kilometer Laufen nur Platz sieben belegt hatte. Hinter den Deutschen Sebastian Kienle (Zweiter) und Michael Raelert (Vierter).
„Ich hatte Magen-Darm-Beschwerden, erst recht auf dem Rad“, berichtete Armstrong, obwohl er nach seiner Paradedisziplin und dem zweiten Wechsel das Profifeld noch angeführt hatte. Doch brach er beim Halbmarathon ein, „die letzten vier Meilen waren absolut miserabel“. Gleichwohl scheint der Texaner auf bestem Wege, die Qualifikation für den Ironman auf Hawaii am 13. Oktober zu schaffen, der weltweit wichtigsten Triathlon-Veranstaltung.
Die kleinen Speckröllchen sind längst verschwunden – er wirkt rank und schlank, und sein professionell-perfektionistisches Gehabe passt ohnehin gut zu den vielen Tüftlern dieser besonderen Sportler-Gattung. „Allerhöchste Anerkennung. Er kann einer meiner größten Konkurrenten werden“, sagt Andreas Raelert, der letztjährige WM-Dritte. Der 35-jährige Rostocker hat eigentlich mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Michael den Doppelsieg von Kona avisiert. Doch der mediale Fokus richtete sich bereits im Armstrong-Land allein auf den neuen Werbeträger. Nur: Taugt der auch zum Hoffnungsträger? Und: Darf eine Randsportart dessen Ruhm gebrauchen und dafür den Ruf verdrängen?
Diesen Eindruck erweckt die in die Hände eines amerikanischen Finanzinvestors gelangte World Triathlon Corporation (WTC). Dem Weltverband geht es um Profit und Publicity, und da kommt der Ehrgeiz des noch immer nach öffentlicher Aufmerksamkeit lechzenden Charakterdarstellers gerade recht, der seit Kindesbeinen im Triathlon sozialisiert ist. Mit 13 Jahren machte Armstrong hier seinen ersten Wettkampf, mit 16 wurde er Profi, gewann die amerikanischen Sprintmeisterschaften, ehe der Radsport ihn vereinnahmte.
Die deutsche Szene wirkt wegen ihres neuen Grenzgängers gespalten. „Muss man in so einer sensiblen Phase dem Personal aus dem Radsport noch Tür und Tor öffnen?“, fragt Kienle. Der intelligente Karlsruher, 27, gilt als Zukunftshoffnung auf der Langstrecke – und als Armstrong-Kritiker. Skeptisch gibt sich auch Timo Bracht, ein glaubwürdiger Antidoping-Kämpfer. „Wenn sich Lance Armstrong qualifiziert, muss ich ihn akzeptieren.“ Der 36-Jährige erklärt: „Armstrong beim Ironman – das dient zuerst der PR in den USA.“
Die WTC hat gleich mal einen Millionen-Deal mit Armstrongs Stiftung Livestrong abgeschlossen. „Sein Name ist wahrscheinlich bekannter als die Marke Ironman. Davon werden am Ende alle profitieren“, tönt Europachef Stefan Petschnig.
Kritischer wird die Causa in der Hanauer Deutschland-Zentrale betrachtet. „Sein Comeback bewegt die Emotionen. Ich werde das, auch vor dem Hintergrund meiner Vergangenheit, nicht bewerten“, erklärt Rolf Aldag, der neue Deutschland-Direktor für den Ironman. Der ehemalige Radprofi weiß, dass die WTC in Sachen moderner Dopingbekämpfung noch Nachholbedarf hat.
Als Armstrong im Februar beim Ironman in Panama als Zweiter überraschte, fand nicht einmal eine Wettkampfkontrolle statt, obwohl üblicherweise die drei Podiumsplatzierten zur Kontrolle gebeten werden. Ein fatales Signal. „Keine Frage, Lance hätte in Panama getestet werden müssen. Wenn er sich in unserem Sport bewegt, dann geht es um Glaubwürdigkeit“, moniert Aldag. „Seien wir aber ehrlich: Es wäre verwunderlich, wenn einer, der bei seinen ganzen Tour-Teilnahmen nie positiv getestet wurde, das nun bei der Dopingprobe beim Ironman erfährt.“ Ergo gibt sogar Aldag zu: „Die Zukunft des Ironman darf nicht an Lance Armstrong hängen.“