Armstrong: Kampf dem Kollegen!
MONTPELLIER - Armstrong verpasst bei der Tour das Gelbe Trikot knapp – düpiert aber den eigenen Kapitän und lässt Alberto Contador wie einen Anfänger aussehen.
Lance Armstrong hat sein 84. Gelbes Trikot in einem atemraubenden Finish um zwei Zehntelsekunden verpasst. Auch der Sieg seiner Astana-Mannschaft beim 39 Kilometer langen Team-Zeitfahren in Montpellier in 46:29 Minuten reichte dem Rückkehrer nicht, den Platz an der Spitze der Tour deFrance einzunehmen. Sein Team hatte am Dienstag genau die 40 Sekunden Vorsprung vor Fabian Cancellaras Saxo-Bank-Team, das auf den dritten Platz fuhr, mit dem der Schweizer ins Rennen gegangen war. Die Zahlen hinter dem Komma entschieden aber zugunsten des Schweizer Olympiasiegers, der Armstrongs Prestige-Erfolg nach vier Jahren Tour- Pause verhinderte. Armstrong liegt auf der Lauer, sagte: „Ich glaube nicht, dass das Trikot morgen wechseln wird, man weiß es aber nie.“
Am Dienstag mussten Armstrong und sein Kapitän Alberto Contador gemeinsam kämpfen. Doch ihr Astana-Team steht vor einer Zerreißprobe. Am Montag hatte Armstrong den Psycho-Krieg gegen seinen teaminternen Rivalen Contador eröffnet und die Hierarchie öffentlich infrage gestellt. „Ich verstehe nicht, warum es nur einen Kapitän geben sollte. Mir ist das ganze Gerede darüber egal. Ich habe siebenmal die Tour gewonnen. Ich verdiene ein wenig Respekt“, sagte Armstrong und meldete offen Führungsansprüche an (AZ berichtete). Armstrong dreht wie zu besten Zeiten bei der Tour wieder am großen Rad, eine Nebenrolle war ihm ohnehin von Anfang an zuwider.
Und nach dem Coup in La Grande-Motte, wo der Texaner seinen elf Jahre jüngeren Kollegen „in die Falle lockte und mit den Columbia-Rivalen gemeinsame Sache machte“ ("L'Equipe"), ist Armstrong in einer komfortablen Situation. 19 Sekunden in der Gesamtwertung vor Contador liegend hat er wieder alle Freiheiten. Armstrong, ein Meister der psychologischen Kriegsführung, versuchte erst gar nicht, die Wogen zu glätten und stichelte gegen Contador. „Man braucht keinen Nobelpreis, um zu wissen, dass man bei derartigen Windverhältnissen aufpassen und vorne mitfahren muss“, meinte er mit Blick auf den kleinen Spanier. Contador hatte die Attacke der 27-köpfigen Spitzengruppe um das komplette Columbia-Team am Montag verpasst.
Die Chefs spielen den Streit der Rivalen natürlich herunter
Der stille Contador, ohnehin kein Freund des Medienprofis Armstrong, verzichtete auf eine verbale Antwort und setzt auf die Berge. „Ich werde die Teamtaktik nicht kommentieren. Da kann sich jeder eine eigene Meinung darüber bilden. Die Tour wird jedenfalls nicht durch so etwas entschieden“, sagte der Gesamtsieger von 2007.
Die Sportliche Leitung wollte den Vorfall herunterspielen. Armstrong hätte „freie Fahrt“ erhalten, da in der Spitzengruppe keiner der Favoriten vertreten gewesen sei, meinte Teamchef Johan Bruyneel, der Sportliche Leiter. Alain Gallopin ergänzte: „Alberto bleibt unser Kapitän. Es hat sich nichts geändert. Armstrong hat ein wenig Zeit gewonnen, aber das ist für die Tour nicht entscheidend.“
Ein derartiges Duell zweier Stallgefährten ist bei der Tour nicht neu. War die Machtübernahme von Jan Ullrich im Telekom-Team 1997 gegen Bjarne Riis noch friedlich verlaufen, hatte 1986 das Duell Bernard Hinault-Greg LeMond seitenweise die Blätter gefüllt. Der fünfmalige Toursieger Hinault hatte dabei sein Versprechen gebrochen und seinen Teamkollegen attackiert. Am Ende setzte sich aber trotzdem der jüngere Amerikaner durch.
Man darf gespannt sein, wie es dieses Mal ausgeht.
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