Armstrong - "Ekelhafte Praktiken!"

Rad-Ikone Thurau, selber des Dopings überführt, hält Armstrong weiter für den Größten. Aber seinen Sohn warnt er.
von  Matthias Kerber

Rad-Ikone Thurau, selber des Dopings überführt, hält Armstrong weiter für den Größten. Aber seinen Sohn warnt er

AZ: Herr Thurau, wenn Sie – Deutschlands Radsport-Ikone – den ehemaligen Tourminator Lance Armstrong, der des systematischen Dopings überführt wurde, mit zwei Worten beschreiben müssten, wie würden diese lauten?


DIDI THURAU: Sie werden mich jetzt vielleicht für verrückt erklären, aber ich wurde ihn immer noch als „den Größten” bezeichnen.


Wie bitte? Obwohl nun klar ist, dass er bei keinem seiner sieben Tour-Siege sauber gefahren ist, obwohl klar ist, dass er und sein Team US Postal flächendeckend Doping betrieben haben?

Ja. Denn die anderen haben es doch nicht anders gemacht, sie waren vielleicht nicht so gut organisiert, nicht so perfekt, aber erzählen Sie mir nicht, dass zu seiner Zeit irgendeiner sauber gefahren ist. Armstrong ist für mich deswegen der Größte, weil er auch gewonnen hätte, wenn wirklich alle nichts genommen hätten. Da waren doch alle voll bis zum Anschlag mit illegalen Mitteln. Würden alle immer unter gleichen Voraussetzungen fahren, wäre Armstrong immer der Sieger.


Verharmlosen Sie da nicht das Thema Doping?


Nein. Dass alle voll waren, rechtfertigt natürlich in keiner Weise, dass er gedopt hat, aber seine Leistung ist nicht minder beeindruckend. Deswegen bringt es auch gar nichts, ihm die Siege abzuerkennen und einen anderen zum Toursieger zu erklären. Der war doch genauso gedopt. Und der Dritte auch, und und und. Wem soll man denn dann zum Sieger erklären? Vielleicht den Letzten! Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin erschüttert über das Ganze, das Ausmaß hat kriminelle Züge, keine Frage.


Auch Sie wurden während Ihrer aktiven Zeit des Dopings überführt.


Das stimmt. Auch wir haben was genommen, da hat man sich vielleicht vor der letzten Etappe Amphetamine reingeworfen, eine Pille geschluckt, aber bei uns war das damals Kinderkram im Vergleich zu dem, was heute abläuft. Man darf ja die Risiken nicht vergessen, es sind ja nicht gerade wenige Radsportler gestorben – und wahrscheinlich haben Dopingmittel ihre Rolle dabei gespielt. Allein wenn ich mir vorstelle, dass mir Blut injiziert wird. Wenn man beim Dopingarzt Fuentes gesehen hat, wie da die Blutbeutel im Kühlschrank lagen, alles durcheinander, das war war ekelhaft. Die Risiken wie etwa Aids, die sind doch unglaublich. Ich verstehe nicht, dass man so was macht.


Sie kennen den Dopingarzt Ferrari selber.


Ja, als ich beim Team Francesco Moser war, war er der Arzt. Er hat uns den Puls gefühlt , auch mal Vitamine gegeben, da war noch nichts zu erkennen von dem, was er dann später betrieben hat.


Ihr Sohn betreibt auch professionell Radsport. Wie gehen Sie als Vater mit dem Thema Doping um?


Das ist sehr schwierig. Ich habe sehr intensiv darüber mit ihm gesprochen, aber ich kann natürlich auch nicht jeden Tag seine Sachen durchsuchen. Ich bin da ja auch nicht das perfekte Vorbild. Ich habe ihm aber gesagt: Lass es, lass die Finger davon, deine Gesundheit geht über alles. Außerdem: Wenn sie dich erwischen, dann kriegst du es doppelt ab, du hast den Namen Thurau. Da heißt es gleich: Wie der Vater, so der Sohn. Ein paar Siege sind es nicht wert, seine Gesundheit zu ruinieren. Ich kann von Glück sagen, dass ich noch topfit bin.

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