Armstrong, der Durchschnittsradler
Der siebenmalige Tour-Sieger erlebt ein Debakel, freut sich aber über die neuen Fans
MONACO Ein paar Freunde hat Lance Armstrong ja noch in der Radszene. Jan Ullrich etwa, seinen langjährigen Konkurrenten: „Ich finde es super und mutig, dass einer der Größten, vielleicht sogar der Größte, nach so langer Pause das Comeback wagt“, sagte der Tour-Sieger von 1997. „Das ist Weltklasse.“ Ullrich verbindet ja auch viel mit Armstrong. Die packende Duelle in den Bergen, die vielen Kämpfe um den Gesamtsieg, vor allem aber natürlich die Dopingvorwürfe.
Der große Unterschied ist nur, dass Ullrich nur zum Zuschauen zum Tour-Start nach Monaco kam. Und Armstrong zu seinem Comeback. Auch wenn er da gedemütigt wurde.
Denn der Traum des 37-Jährigen, gleich bei seinem ersten Auftritt wieder ins Gelbe Trikot zu schlüpfen, war in den engen Gassen des Fürstentums bald geplatzt. „Ich habe mir keine Illusionen gemacht“, sagte der siebenmalige Gesamtsieger. „Schließlich war ich vier Jahre weg.“ Und doch klang es auch nach sehr viel Wehmut, wie der Texaner seine Gemütslage beschrieb. „2005 hätte ich die Konkurrenten zerstört.“
Wo Armstrong früher in seiner Spezialdisziplin Zeitfahren wie ein Roboter die Konkurrenz nach Belieben demütigte, kassierte er diesmal einen Rückstand von 40 Sekunden über 15,5 km auf den Schweizer Olympiasieger Fabian Cancellara – für den Erfolgsbesessenen eine halbe Ewigkeit. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Aus dem Astana-Team waren gleich drei Kollegen schneller – Andreas Klöden (siehe oben), Levi Leipheimer und Tour-Topfavorit Alberto Contador, der mit einer starken Leistung auf den zweiten Platz fuhr. Dass damit die Hierarchie im Astana-Team geklärt sei, wollte Armstrong nicht akzeptieren, er zeigte sich noch unbelehrbar. Man werde sehen, was die Zukunft bringt: „Ich konzentriere mich auf die nächsten Aufgaben und bin bereit für die kommenden drei Wochen.“
Ein Platz unter den ersten Drei oder Fünf ist Armstrongs Ziel. Nach den Eindrücken vom Auftakt dürfte das ein schweres Unterfangen werden. Die Verbissenheit war noch die alte, doch der einst so gefürchtete Stakkato-Tritt lief längst nicht mehr so rund wie in den sieben Jahren zwischen 1999 und 2005, als Armstrong die Tour-Geschichtsbücher umschrieb.
So konnte Armstrong die Radsport-Welt bei seiner Rückkehr nicht wieder erobern, wohl aber ein wenig die Herzen der Franzosen. „Armstrong, der Verführer“, schrieb die französische Sporttageszeitung „L'Equipe“.
Wo früher Buhrufe und „Epo-Lance“-Schriftzüge auf der Straße an der Tagesordnung waren, gab es diesmal große Beifallsbekundungen. „Es hat Spaß gemacht. Das war wie ein Heimspiel“, sagte Armstrong.
Einer wie er muss erst verlieren, damit sie ihn mögen.
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