Armin Hary: Ich wusste gar nicht, dass Doping freigegeben ist
Die deutsche Sprint-Legende Armin Hary spricht in der AZ über den 100-m-Bewerb der WM, die Misere der deutschen Leichtathletik und den Austragungsort Katar: "Da hat sich jemand die Taschen vollgemacht".
AZ: Herr Hary, was sagen Sie, der erste Mensch der Welt, der die 100 Meter in 10,0 Sekunden gelaufen ist, der Doppelolympiasieger, über den Sprint bei dieser WM, den Christian Coleman gewonnen hat?
Armin Hary: Was soll ich dazu noch sagen? Ich sage einfach: kein Kommentar!

Das dürfte so einem meinungsstarken Mann wie Ihnen aber schwerfallen.
Stimmt. Mir fällt nur wirklich nicht mehr viel dazu ein. Was ich sagen kann, ist: Ich wusste gar nicht, dass Doping freigegeben worden ist. Diese Entwicklung muss irgendwie an mir vorbeigegangen sein. Ich gehe ja jetzt auf die 100 zu, da kann so was schon mal passieren.

Purer Sarkasmus.
Na ja, der neue Weltmeister hat drei Dopingtests verpasst und darf trotzdem starten. Und der Zweite...
Vize-Weltmeister Justin Gutlin schon oft des Doping überführt worden
Justin Gatlin.
Genau, der ist bereits – ich weiß nicht wie oft schon – des Dopings überführt worden. Und das sollen die schnellsten Leute der Welt sein, denen die Menschen zujubeln sollen? Ich habe mich immer für eine lebenslange Sperre für Doper ausgesprochen. Das wollte man nie durchziehen, also ist es eben, wie es ist. Aber was mir noch viel mehr wehtut, ist der Zustand der deutschen Leichtathletik. Die liegt wirklich am Boden – und wer weiß, ob sie noch mal aufstehen kann. Es gibt ja bei den Männern überhaupt keine Sprinter mehr, die man international ernst nehmen muss. Das kann doch nicht sein, dass es in Deutschland keine Talente gibt! Ich sage Ihnen eins: Es tut sehr weh, dass ich recht hatte, als ich bereits 1964 davor gewarnt habe, dass die deutsche Leichtathletik große Probleme bekommen wird, wenn sich nichts grundlegend ändert. Ich hätte gerne Unrecht gehabt.

Sie galten immer als unbequem, waren bei den Funktionären nie sonderlich beliebt.
Ich war wohl immer zu dumm, als dass man auf mich hören müsste. Ich bin ja nur Olympiasieger, was weiß ich schon? Ich habe ja in den Augen vieler Leute immer alles falsch gemacht. Es reden immer ganz viele Leute mit, wenn es um die Leichtathletik geht. Aber eines ist sicher: Wenn ich auf all die gehört, die da was gesagt haben, dann wäre ich genauso hinterhergelaufen wie die deutschen Athleten jetzt. Man muss sich der Konkurrenz in den großen Wettkämpfen stellen. Man muss seine Leistung dann bringen, wenn es zählt, nicht bei irgendeiner Veranstaltung in einem kleinen Ort in Deutschland, wo dann einer eine gute Zeit läuft und dafür gefeiert wird. Bei Großereignissen versagen doch die deutschen Sprinter seit Ewigkeiten. Ich habe meine größten Erfolge im Ausland gefeiert, nicht in der deutschen Provinz. Es tut mir im Herzen weh, wie es um die deutsche Leichtathletik steht. Dieser Sport liegt mir so am Herzen.
Die Leichtathletik...
...ist doch die Grundlage für alle anderen Sportarten. Wer nicht laufen kann, kann doch auch nicht Fußball spielen.
WM in Katar: "Für die Sprinter sind die Temperaturen ideal"
Was sagen Sie zu den deutschen Sprinterinnen Gina Lückenkemper, Tatjana Pinto?
Von denen hatte ich mir schon ein bisschen was erhofft, aber am Ende wurde ich dann doch wieder enttäuscht, als sie in der Vorschlussrunde ausgeschieden sind. Aber die einfache Wahrheit ist: Die anderen waren besser.

Es gibt viel Kritik an den klimatischen Bedingungen bei der WM in Katar.
Für die Sprinter sind die Temperaturen ideal. Das ist eine superschnelle Bahn, Tartan. Alle Athleten zu meiner Zeit wären gerne mal auf so was gelaufen und nicht auf Asche. Man kann das gar nicht mehr vergleichen.
Traurig ist auch die Kulisse und Stimmung im Stadion.
Was erwarten Sie? Ich weiß gar nicht, ob die in Katar vorher wirklich wussten, was Leichtathletik ist, bevor sie die WM erhalten haben. Solche Großereignisse müssen an Orten stattfinden, an denen die Leichtathletik einen echten Stellenwert hat. Bei dieser WM ist die Arean fast leer. Ob da 1000 Leute klatschen, hört doch eh keiner. Mit Stimmung hat das nichts zu tun. Da hat sich irgendjemand mal wieder die Taschen richtig vollgemacht, anders kann man nicht erklären, dass eine WM dort ausgetragen wird. Aber mit all diesen Problemen müssen sich jetzt andere herumärgern. Ich habe es vorher gesagt: Ich bin 82, gehe auf die 100 zu. Ich werde hier nichts mehr verändern. Ich hätte früher gerne geholfen, aber man hat mich nie gefragt. Jetzt schaue ich mir nur noch an, was daraus geworden ist.
Lesen Sie hier: Skurrile Eröffnungsfeier der Leichtathletik-WM in Doha
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