Armin Hary fordert: "Annulliert alle Sprint-Weltrekorde!"

Dopingskandal um Gay und Powell: Hier erklärt der Olympiasieger von 1960, warum der Sport krank ist, welche Maßnahmen er fordert – und warum er auch an Superstar Bolt zweifelt.
von  Matthias Kerber
Asafa Powell, Tyson Gay und Usain Bolt. Die ersten Beiden wurden des Dopings überführt.
Asafa Powell, Tyson Gay und Usain Bolt. Die ersten Beiden wurden des Dopings überführt. © dpa

AZ: Herr Hary, mit Tyson Gay und Asafa Powell wurden zwei der größten Sprinter positiv getestet, da muss doch der erste Menschen der Welt, der die 100 Meter in 10,0 Sekunden lief, Trauer tragen...

ARMIN HARY: Das tut mir alles sehr, sehr weh. Sie treten den Sport, den ich derart liebe, mit Füßen. Früher hatten wir so einen Stellenwert, dass die Olympischen Spiele erst richtig losgingen, wenn die Leichtathletik begann. Das haben wir alles verspielt. Ich will nicht sagen, dass dies der Tod der Leichtathletik ist, aber wir sind sehr, sehr krank. Das einzig Gute daran ist, dass wir, wenn wir die richtigen Medikamente nehmen, wieder ganz gesund werden können. Dafür braucht es aber jetzt radikale Änderungen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Welche Maßnahmen fordern Sie konkret?

Man sollte einen Strich ziehen und sagen: Wir annullieren alle Weltrekorde im Sprint! Alles, was unter 10 Sekunden ist, streichen wir erst einmal.

Dann wären Sie mit Ihrer Zeit von 10,0 Sekunden aus dem Jahre 1960 wieder Weltrekordler.

(lacht) Toller Nebeneffekt, oder? Aber Spaß beiseite, man sollte diese Rekorde streichen, bis man sicher sein kann, dass die Leistungen wieder sauber errungen wurden. Dazu muss man drastische Strafen einführen für Doper. Wenn ich höre, dass der Yohan Blake drei Monate gesperrt wurde, werde ich wütend. Auch zwei Jahre Sperre schrecken keinen. Das kann der fünf Mal in seiner Karriere machen! Wir müssen die zehn Jahre, am besten lebenslang sperren. Solche Typen haben im Sport nichts verloren! Glauben Sie wirklich, einer riskiert es zu dopen, wenn er weiß, dass er dann nie wieder laufen darf? Wenn man das durchzieht, haben wir in fünf bis zehn Jahren wieder saubere Olympische Spiele.

Von den zehn schnellsten Sprintern aller Zeiten sind neun überführt, nur Superstar Usain Bolt noch nicht...

Daher muss er auch als unschuldig gelten. Nicht nur für Kenner der Materie ist aber klar: Das Fragezeichen, das läuft bei ihm immer mit. Warum muss er in der ganzen Welt rumreisen, um Topärzte zu besuchen, das ist sehr suspekt. Die Freude beim Sprint ist sicher dahin, weil man ja immer erst zwei Tage abwarten muss, bis die Dopingkontrollen ausgewertet sind.

Sie würden für Bolt keine Hand ins Feuer legen?

Ich würde für niemanden die Hand ins Feuer legen, ich brauche die Hände noch. Nehmen Sie Tyson Gay. Ich kenne ihn persönlich, ein angenehmer, zurückhaltender Mensch. Dass auch er gedopt hat, macht mich richtig traurig. Aber wie sagt man: Der Wille kann gar nicht so stark sein, wie ich mir das wünschen würde. Der Kommerz ist heute so groß, dass auch die Starken den Verlockungen des schnellen Geldes erliegen.

Würden Sie Kindern heute noch empfehlen, in die Leichtathletik zu gehen?

Als Sport natürlich, aber als Leistungssport? Das ist schwierig, sehr schwierig. Es fehlen ja auch alle Vorbilder. Ich nenne jetzt bewusst keinen Namen, aber wenn Athleten, die Nase so hoch tragen, als wären sie Gott persönlich, missfällt mir das. Aber wir leben ja insgesamt in einer Betrugsgesellschaft. Wenn man sieht, wie in der Politik, in der Wirtschaft geschwindelt wird, darf man sich nicht über die Versäumnisse unserer Jugend aufregen. Wenn es nur solche Vorbilder gibt, wie man sie jetzt hat, erklärt sich das von selber.

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