Anthony Joshua will WM-Kampf gegen Tyson Fury

München - Was hatte sich Wladimir Klitschko im Laufe der Jahre alles anhören müssen. Er sei ein Langweiler, ein Box-Buchhalter, ein Roboter im Ring. Und was hatten diese Kritiker jubiliert, dass der Brite Anthony Joshua Klitschko im April vor 80 000 Fans in London in einer epischen Ringschlacht in den Box-Ruhestand geprügelt und so ein neuer Herrscher den Schwergewichts-Thron bestiegen hatte. Eine neue Ära wurde damals ausgerufen.
Doch bei seinem ersten Auftritt nach der Machtübernahme wirkte Joshua wie ein Fighter, der einen langen, langen Weg vor sich hat, bevor er zu einem der Großen des Boxsports wird. In Cardiff vor 78 000 Fans offenbarte Joshua gegen den zähen französischen Herausforderer Carlos Takam viele Schwächen. Ja, er dominierte den Kampf klar, gewann fast jede Runde, doch ein Box-Feuerwerk feuerte er in den zehn Runden bis Ringrichter Phil Edwards den Fight lächerlich früh abbrach, nicht ab.
Zumindest in Deutschland elektrisiert er
Der 115-Kilo-Muskelmann lebte – wie Klitschko früher – von seiner physischen Überlegenheit. Das Schlagrepertoire ist etwas variabler, doch der 28-jährige Olympiasieger wirkte zu mechanisch. Und er hatte Konditionsmängel. "Sein Cut war tief. Meine Hose war weiß, jetzt ist sie pink von all dem Blut", sagte Joshua, der einen Nasenbruch erlitt, über den Abbruch, "die Fans wollten ihn bewusstlos am Boden sehen, das ist mir nicht gelungen." Trotzdem: 20. Kampf, 20. K.o.-Sieg.
Zumindest in Deutschland elektrisiert Joshua noch nicht die Massen. Nur 2,73 Millionen Zuschauer sahen im Schnitt den Kampf. Zum Vergleich: Beim Fight Klitschko/Joshua waren 9,59 Millionen vor dem Fernseher dabei. "Joshua hat noch einiges an Arbeit vor sich", sagte auch Box-Experte Axel Schulz.
Klar ist: Joshua, Champ der Verbände IBF und WBA, will die Titel der unterschiedlichen Verbände vereinigen. WBO-Champion Joseph Parker (Neuseeland) könnte im Frühjahr dran sein, WBC-Titelträger Deontay Wilder (USA) im Sommer. Doch Joshua träumt vor allem von einen Match. Dem Fight gegen den Briten Tyson Fury, der 2015 sensationell Klitschko enttrohnt hatte. "Ich mache die Kämpfe, die die Menschen sehen wollen", sagte der Weltmeister, "ich bin bereit dafür. Ist er es?" Fury, der an Depressionen leidet und über 150 Kilo wiegt, hat seit dem Triumph über Klitschko nicht mehr geboxt.
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