Annecy – dilettantisch! Pyeongchang – gespenstisch! München – menschlich!

In Vancouver präsentierten sich die drei Rivalen um die Winterspiele 2018 der Weltöffentlichkeit. Die AZ war dabei und analysiert die Chancen der Bewerber: Größter Rivale sind die Südkoreaner.
von  Abendzeitung
Mit Charme und Emotion bei der Sache: Ex-Eiskunstlauf-Königin Katarina Witt wirbt in Vancouver für München 2018.
Mit Charme und Emotion bei der Sache: Ex-Eiskunstlauf-Königin Katarina Witt wirbt in Vancouver für München 2018. © dpa

In Vancouver präsentierten sich die drei Rivalen um die Winterspiele 2018 der Weltöffentlichkeit. Die AZ war dabei und analysiert die Chancen der Bewerber: Größter Rivale sind die Südkoreaner.

VANCOUVER Am 6. Juli 2011 wollen sie sich dann ein letztes Mal zeigen. Bei der finalen Präsentation für die Winterspiele 2018. Bevor sie sich dann in Durban den Delegierten des IOC zeigen, stellten sie sich jetzt in Vancouvers Pressezentrum den Journalisten der Welt vor: Pyeongchang, Annecy, München, im Stundentakt baten die Bewerber zur Audienz.

Aber was bieten sie überhaupt an? Wie sind die Konzepte? Und wer war am überzeugendsten? Die AZ war bei allen drei Terminen dabei.

MOTTO

Mit „Endless Possibilities“, endlosen Möglichkeiten, wirbt Pyeongchang, München mit „friendly games“, heiteren Spielen, Annecy hat gar kein Motto. Das sagt schon viel. Die Koreaner übertreiben maßlos, München ist bescheiden, Annecy eher planlos.

WETTKAMPFSTÄTTEN

Alle drei alle haben drei Austragungsorte, die meisten Wettkampfstätten sind gebaut, alle versprechen den Ausbau der Zufahrtsstraßen und die Nutzung der Stadien auch nach 2018. In Korea liegen die drei Cluster im Radius einer halben Autostunde vom Olympiastadion. Was München der Eiskanal am Königssee, ist Annecy La Plagne, die Olympiabahn von Albertville 1992. Und Annecys Garmisch liegt in Morzine. Mont Blanc statt Zugspitze, in Metern 4810 zu 2963. Das hilft den Franzosen aber auch nicht.

TRADITION

Die Franzosen werben mit Chamonix 1924, den ersten Olympischen Winterspielen, München mit Garmisch 1936 und Sommer 1972. Pyeongchang hat da wenig zu bieten, außer einer missratenen Biathlon-WM vor einem Jahr. Man verweist auf die Sommerspiele von Seoul 1988 und die Fußball-WM 2002.

MENSCHEN

Die führenden Köpfe der Bewerbung waren in Vancouver alle da. Alle rückten mit Frauen an, Olympia-Heldinnen: Frankreichs Alpin-Star Florence Masnada (1998 Abfahrts-Silber), Koreas Shorttrackerin So Hee Kim (Gold 1994) und für München Katarina Witt, Olympiasiegerin 1984 und 1988 im Eiskunstlauf. Bei den Franzosen reichte es nicht zu Gold. Dafür bot Annecy einen weiteren Ex-Champion auf: Bürgermeister Jean-Luc Rigaut, einst Kanu-Weltmeister. Das war OB Christian Ude nicht. Und Geschäftsführer ist Edgar Grospiron, Freestyle-Olympiasieger 1992. Bei Koreas Termin hießen die Leute Cho, Park, Rah, Kim – und wirkten unsportlich.

PRÄSENTATION

Annecy – dilettantisch! Pyeongchang – gespenstisch! München – menschlich! Deutlicher hätten sich die drei nicht unterscheiden können. Die Franzosen nett und lieb, aber unkoordiniert. Rigaut brachte Zahlen durcheinander, sprach von 45 Prozent vorhandener Sportstätten, musste sich dann auf 65 Prozent korrigierten. Man redete wirres Zeug. Dass die Gegend am Mont Blanc „das weltweite Hauptzentrum des Wintersports“ sei. Dann sprachen sie von „authentic French Alps". Als ob die Berge sonst aus Plastik wären.

München brillierte zwar auch nicht, keine glanzvolle Kür, eher eine solide, aber souveräne Vorstellung, risikoarm, aber mit einer Charmeoffensive von Katarina Witt als Frontfrau (AZ berichtete).

Charmant war bei Pyeongchang dagegen gar nichts. Emotionslos spulten die regungslosen Koreaner ihr Programm ab, und als es kritisch wurde, wichen sie stur aus. Denn es ging um Lee Kun Hee, Ex-Chef von Samsung, der bei den bisherigen zwei gescheiterten Anläufen Pyeongchangs die Bewerbung vorantrieb, dann aber wegen Steuerhinterziehung von drei Milliarden Dollar und Korruption zu drei Jahren auf Bewährung verknackt wurde. Das IOC begnadigte ihn dennoch, auf der Session vergangene Woche hatte er wieder Stimmrecht.

Als die koreanischen Abgesandten gefragt wurden, ob Lee auch für 2018 werben solle, sagte Yang Ho Cho, der Vize-Geschäftsführer Pyeongchangs: „Wir gehen nach vorne." Auf Nachfrage sagte er den gleichen Satz. Nur Koreas NOK-Boss Yung Song Park meinte dann noch: „Er ist ein Teil der Bewerbung.“ Punkt.

Die Koreaner schauten eingefrorener als Ostblock-Hardliner in den Glanztagen des Kalten Krieges. Gegen die frostige Stimmung, die sich breit machte, erinnerte jeder graue KP-Aufmarsch am Roten Platz wie eine Love Parade.

DAS SAGEN DIE GEGNER

Die AZ fragte bei den Delegationen aus Frankreich und Korea nach, was sie über die Münchner Bewerbung denken. „Oh, Sie sind aus München“, erwiderte Grospiron, „dann viel Glück. Wir wollen doch alle das Gleiche!" Das klang zwar fair, aber wie wollen sie so Olympia holen? Pyeongchang dagegen blieb linientreu, auf die AZ-Anfrage gab es eine knappe Antwort von Herrn Park: „Annecy is Annecy, Munich is Munich, Pyeongchang is Pyeongchang."

FAZIT

Am Ende wurde klar, dass nur Pyeongchang ein echter Gegner ist. Annecy wird wohl kolossal durchfallen. Pyeongchang wirkt eiskalt und zu allem fähig. München kann gerne noch zulegen. Nicht zu forsch, aber doch offensiver.

Florian Kinast

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