Interview

Anna Berreiter im Interview: "Im Quarantänehotel gab es Krabbelviecher"

Der Saisonstart in China war für Anna Berreiter gewöhnungsbedürftig - die 22-Jährige will dennoch zu Olympia. In der AZ spricht sie zudem über Georg Hackl und die zerstörte Bahn am Königssee.
Martin Wimösterer |
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Erfahrung und Unbefangenheit als Vorzüge: Anna Berreiter startet am Wochenende in Innsbruck-Igls.
Erfahrung und Unbefangenheit als Vorzüge: Anna Berreiter startet am Wochenende in Innsbruck-Igls. © imago images/SNA

AZ-Interview mit Anna Berreiter: Die 22-jährige Rodlerin aus Berchtesgaden ist in der Weltspitze angekommen.

AZ: Frau Berreiter, hunderttausende Deutsche haben Sie kürzlich Freudentränen vergießen sehen.
ANNA BERREITER: Ja, das war nach meinem Weltcupsieg in Sotschi. Diese Woche nach dem Weltcup in China war spannend. Die Bahn in Sotschi hat einen ganz anderen Charakter. Im Training ist es auch gar nicht so gut gelaufen für mich, aber mit jeder Fahrt wurde es besser. Der Sieg kam trotzdem überraschend. Die Tränen kamen, weil davor viel los und nicht die leichteste Zeit war.

Was meinen Sie damit?
Davor in China haben wir gefühlt jede Stunde eine neue Hiobsbotschaft bekommen. Wir hatten einen positiven Coronafall in der Mannschaft und das hat uns alle beschäftigt. Er wurde dann in ein Quarantänehotel gebracht und die Zustände dort waren schlimm. Da gab es Krabbelviecher in den Zimmern. Wir waren isoliert und durften nicht zum Essen gehen. Trainieren durften wir schon, aber die ganze Situation war schon sehr belastend, man hat natürlich über alles nachgedacht. Wir haben nie gewusst, was passiert, wenn man beispielsweise am Tag vor dem Heimflug positiv ist. Wir hatten einen Charterflug und recht viele Flieger gehen in Richtung Europa nicht raus. Da war ständig die Frage da: Komme ich raus aus diesem Land?

Anna Berreiter: "Die Situation war eine Belastung"

Und im Februar geht es für Sie noch mal dorthin zurück.
(lacht) Die genauen Nominierungen stehen noch nicht fest, aber ich hoffe natürlich, dabei zu sein. Auf Olympia freut man sich als Sportler, egal, wo es stattfindet.

Und Sie wissen jetzt, was Sie dort erwartet. Von der mentalen Belastung her, aber auch von der neuen Bahn.
Die neue Bahn dort ist super und die Anlagen sind atemberaubend. Da haben sich die Chinesen nicht lumpen lassen.

Berreiter: "In Peking muss ich gefühlvoll fahren"

Was macht die Bahn speziell?
Sie ist sehr lang, man ist eine Minute unterwegs. Die Kurvenprofile sind anders und ich muss nicht so viel arbeiten. In Sotschi habe ich viel mehr lenken müssen. In Peking muss ich gefühlvoll fahren.

Wie schnell sind Sie da?
Die Messungen sind nicht immer genau, aber 115 bis 120 km/h werden es sein.

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Gehören Stürze dazu?
Die gehören dazu. Es gibt Sachen, die passieren müssen. In der Juniorenzeit habe ich sogar welche provoziert, um zu sehen, was geht. (lacht) Im Vorjahr habe ich mich am Kiefer und den Zähnen verletzt.

Au weh, da ruft der Zahnarzt.
Leider nicht nur einmal. Ich habe acht neue Zähne im Gebiss. Es ist jetzt ein Jahr her und ich spüre noch Nachwirkungen. In der Regel passiert bei den Stürzen aber meistens nicht viel.

Berreiter: "Ich habe viel trainiert und mich im Team etabliert"

Sie sind nun 22 Jahre alt und haben schon Weltcups gewonnen. Sind Sie bereits etabliert?
Es ist jetzt meine dritte Saison. In der ersten Saison hatte ich das Glück, dass Natalie und Dajana (Geisenberger und Eitberger; die Redaktion) Mütter wurden und ich aufrücken durfte. Es war eine schöne Saison ohne Druck. Im Vorjahr hatte ich die Verletzung. Jetzt, sage ich mal, bin ich "back in the game" und wieder in guter Form. Ich habe im Sommer viel trainiert und am Schlittenbau gearbeitet. Ich würde sagen, dass ich in der Mannschaft etabliert bin, aber etabliert in den ersten drei Rängen bin ich noch nicht.

Worauf kommt es an: Erfahrung oder Unbefangenheit?
Auf eine gute Kombination aus beiden. Mit jeder Bahn, die du kennst, wächst die Erfahrung. Du musst aber auch locker sein.

Sie haben einige Rodelgrößen bei sich im Verein, dem RC Berchtesgaden: Georg Hackl, Felix Loch und Tobias Wendl, allesamt mehrfache Olympiasieger. Tauschen Sie sich aus?
Wir sind in stetigem Austausch, gerade mit Schorsch, was die Schlittenabstimmung angeht. Ich habe großes Glück, dass ich mit Schorsch, Felix und Tobi zusammenarbeite. Sie geben mir wertvolle Ratschläge, was ich verbessern kann.

Dem Nachwuchs fehlt die Bahn am Königssee

Die Rodelbahn am Königssee ist bekanntermaßen durch ein Unwetter zerstört worden. Inwiefern beeinflusst Sie das?
Es schränkt uns nicht ganz so krass ein, weil wir das hauptberuflich machen und viel unterwegs sind. Wir können auch mal eine Trainingswoche auswärts einlegen. Für den Nachwuchs aber ist es brutal. Normalerweise hatten die Kinder zwei-, dreimal die Woche Bahntraining. Das ist essenziell. Sie fahren jetzt viel nach Innsbruck oder Oberhof, aber können nicht immer weg, sie sind ja schulpflichtig.

Setzen Sie sich für die Belange des Nachwuchses ein?
Wir versuchen, unsere Stimme für den Nachwuchs starkzumachen. Ich noch eher weniger, ich gehöre altersmäßig selbst fast noch dazu (lacht), aber Felix und Tobi sind da sehr darum bemüht, zu tun, was möglich ist. Ich selbst trainiere im Sommer ab und zu mit dem Nachwuchs und versuche Kontakt zu halten. Ich weiß noch, wie schön ich das früher selbst fand, wenn die Großen mit einem geredet haben. Deswegen will ich da auch mit gutem Beispiel vorangehen.

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