Andreas Toba: "Als Held fühle ich mich nicht"

Im AZ-Interview spricht Turner Andreas Toba über seine Olympia-Erlebnisse in Rio, Emotionen, Enttäuschungen, und wie sich sein Leben seither verändert hat: "Das ist für mich alles noch so unreal".
von  Simon Stuhlferner
Der Moment, in dem er Deutschland gerührt hat: Andreas Toba turnt trotz seines Kreuzbandrisses die beste Übung der deutschen Mannschaft am Pferd und verhilft seinem Team so ins Finale.
Der Moment, in dem er Deutschland gerührt hat: Andreas Toba turnt trotz seines Kreuzbandrisses die beste Übung der deutschen Mannschaft am Pferd und verhilft seinem Team so ins Finale. © GES/Augenklick

München - AZ-Interview mit dem Turner Andreas Toba. Der 26-Jährige turnte bei Olympia in Rio de Janeiro trotz eines Kreuzbandrisses weiter und verhalf dem deutschen Team damit ins Finale. Für seinen Einsatz wurde er unter anderem mit dem Bambi ausgezeichnet.

AZ: Herr Toba, bei Olympia in Rio de Janeiro wurden Sie zum Hero de Janeiro, als Sie trotz eines Kreuzbandrisses Ihre Übung am Pferd absolvierten und mit der höchsten Wertung Ihrer Mannschaft doch noch ins Teamfinale verhalfen. Danach wurden Sie mit Lob und Ehrungen überhäuft. Mit einigen Monaten Abstand: Wie fühlt man sich als Deutschlands neuer Sportheld?
Andreas Toba: Es hat leider nicht dazu beigetragen, dass die Wundheilung schneller vorangeht (lacht). Aber, das habe ich schon öfter gesagt: Als Held bezeichne ich mich noch lange nicht, nur weil ich verletzt weitergeturnt habe. Das sehe ich als ziemlich normal an. Die Bezeichnung „Held“ fühlt sich komisch an, damit kann ich noch gar nicht so richtig umgehen.

"Teilweise gab es Standing Ovations von den Abgeordneten"

Wie sehr hat sich Ihr Leben seit Olympia verändert, werden Sie zum Beispiel auf der Straße häufiger erkannt?
Das hält sich – vielleicht zum Glück für mich – in Grenzen. Weglaufen, verstecken oder abschirmen muss ich mich noch nicht. Die Termine haben natürlich zugenommen, Vieles davon ist auch neu für mich.

Sie haben viele Ehrungen erhalten. Was waren für Sie die Highlights?
Das ist für mich alles noch so unreal, ich kann das gar nicht richtig fassen. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, die ich nur aus dem Fernsehen gekannt habe. Den Bambi zu gewinnen, war natürlich so ein ganz besonderer Moment. Aber auch alle anderen Auszeichnungen, ich kann da gar nichts speziell herausgreifen.

Bei einem Besuch im Bundestag wurden Sie von Bundestagspräsident Norbert Lammert begrüßt, alle Abgeordneten haben Ihnen applaudiert.
Das war zum Beispiel auch so ein Gänsehautmoment. Ich wollte immer schon mal in den Bundestag, konnte aber früher bei den Klassenfahrten nie mit, ich musste ja trainieren. Nun auf diese Weise in den Bundestag zu kommen, persönlich begrüßt und empfangen zu werden, hätte ich mir nie träumen lassen. Teilweise gab es Standing Ovations von den Abgeordneten.

Welche Gefühle überwiegen nun insgesamt, wenn Sie an Rio zurückdenken – die positiven, weil Sie so viel Anteilnahme und Aufmunterung erfahren haben, oder die negativen wegen der Schmerzen und der Enttäuschung?
Ganz ehrlich: Eher die negativen, weil ich mit anderen Erwartungen und Zielen nach Rio gefahren bin. Ich hatte so viel trainiert und wollte zeigen, was ich kann. Und dann ist gleich zu Beginn alles vorbei. Welche Reaktionen ich ausgelöst habe, ist mir erst richtig klar geworden, als ich wieder in Deutschland war.

Wie und wann ist nach der Verletzung Ihre Entscheidung gefallen, trotz des Kreuzbandrisses noch einmal zu turnen? Sie wurden ja schon aus den Wettkampflisten gestrichen. . .
Als ich verletzt in der Kabine lag, habe ich unseren Physiotherapeuten gefragt: ‘Ist mein Kreuzband ab?’ Er hat einfach nur genickt. Er ist dann rausgegangen und hat den Arzt geholt, in der Zwischenzeit war ich eine halbe Minute, vielleicht eine Minute alleine. Da habe ich mir so meine Gedanken gemacht: ‘Okay, das nächste Gerät ist das Pferd, dort kannst du auch noch mit einem kaputten Knie turnen.’ Ich hab angefangen, mein Knie zu beugen, zu strecken, ein bisschen zu gehen, auf einem Bein zu stehen, zu hüpfen. Als der Arzt kam, habe ich gesagt: „Okay, Doc, ich glaube zwar, mein Kreuzband ist kaputt, aber ich möchte noch weiterturnen.“ Wir wollten uns und der Welt zeigen, dass wir es draufhaben, ins Teamfinale zu kommen, was wir ein Jahr vorher bei der WM ganz knapp verpasst hatten. Es war für uns einfach nicht okay, nicht im Finale zu sein. Deshalb habe ich mich auch entschlossen zu turnen.

Wollte Sie niemand von Ihrem Plan abhalten?
Der Arzt hat mich zuerst nur angeschaut und gesagt: „Ich glaube nicht, dass das geht.“ Ich habe dann gesagt: „Okay, wenn ihr es nicht verantworten könnt, weil es zu gefährlich ist, dann unterschreibe ich, dass ich auf meine eigene Verantwortung hin weiterturne.“ Aber als der Arzt gesehen hat, was ich alles mit meinem Bein machen kann, hat er die Verantwortung mitgetragen.

Wie war es dann während der Übung? Sie müssen ja wahnsinnige Schmerzen gehabt haben.
Es ging. Natürlich ist man etwas vorsichtiger und horcht genau in sich hinein. Bei den Scheren habe ich so ein Knacken im Bein gehört. Aber mit Schmerzen kann ich umgehen, und im Wettkampf konzentriert man sich sowieso voll auf seine Übung.

Danach wurden Sie von den Emotionen übermannt und sind in Tränen ausgebrochen.
Ich war einfach unglaublich enttäuscht. Nicht wegen des Schmerzes, sondern weil mir in dem Moment, direkt nach der Übung, klar geworden ist: Das war’s für dich mit diesen Spielen. Ich konnte die nächsten Wettkämpfe nicht mehr turnen. Das war für mich das Schlimmste, weil ich so lange darauf hin trainiert hatte.

"Das Schlimmste war die Enttäuschung, nicht der Schmerz", sagt Toba über seine Verletzung. Foto:dpa

Wer ist Ihnen in dieser Zeit beigestanden?
Mich haben so viele Leute angerufen und mir Mut zugesprochen. Aber wen hat man denn direkt bei den Olympischen Spielen vor Ort? Das ist die Mannschaft, mit der man in den letzten Monaten zu einer Familie geworden ist, der Bundestrainer, die Physios, die Ärzte. Sie haben mir eins versprochen: Dass sie mir die verbleibende Zeit in Rio so schön wie möglich machen.

Und, haben Sie das Versprechen gehalten?
Auf jeden Fall. Sie haben mir das Essen geholt, das Trinken, weil ich weitgehend ans Bett gefesselt war. Aber das Geilste war: Ich wollte unbedingt noch einmal den Strand sehen. Dann sind wir mit dem Taxi an den Strand gefahren, und meine Teamkollegen haben mich auf ihren Schultern bis zum Wasser getragen. Das war echt eine super Aktion!

Tobas Wünsche: "Keine Verletzung, mehr Zeit, mehr Schokolade"

Wann haben Sie mitbekommen, welche Reaktionen Sie in Deutschland ausgelöst haben?
Vor Ort ist mir nur aufgefallen, dass es ziemlich stark durch die sozialen Medien ging. Vorher hatte ich keine 3000 Follower auf Facebook, danach über 15 000, heute bin ich bei fast 20  000. Das sind so Sachen, die sind mir immer noch nicht ganz klar. Im Grunde habe ich ja nur gemacht, was ich jeden Tag sonst auch mache: Auf die Zähne beißen und kämpfen.

Wie geht es rein körperlich?
Ab und zu tut’s noch weh, aber es ist alles im grünen Bereich. Ich hoffe, dass alles wieder wird wie früher.

Wenn Sie drei Wünsche für das kommende Jahr frei hätten. Wie würden die lauten?
Keine Verletzung, mehr Zeit, mehr Schokolade.

Toba mit seiner Freundin, Sportgymnastin Daniela Potapova. Foto:dpa

 

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