Als Hemingway daneben lag

91 Jahre nach Carpentier kämpft mit Mormeck wieder ein Franzose um die Schwergewichts-WM
Hartmut Scherzer |
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Schriftsteller Ernest Hemingway
picture alliance Schriftsteller Ernest Hemingway

Düsseldorf - Ernest Hemingway sollte sich gewaltig blamieren. Vor dem Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht Jack Dempsey gegen den halbschweren Champion Georges Carpentier teilte der junge Reporter den Lesern des „Toronto Star Weekly” aus Paris mit: „Carpentier hat eine ganz ausgezeichnete Chance, Dempsey zu schlagen. Wenn wir den Fachleuten und Leitartiklern in den amerikanischen Zeitungen Glauben schenken, begeht Georges praktisch einen Selbstmordversuch. Das ist Quatsch und Unfug übelster Sorte. Jack Dempsey hat eine stattliche Serie von Knockouts vorzuweisen über Nichtstuer und Rumtreiber, körperlich und geistig lahme Schwergewichte, die man ihm als leichte Beute hingeworfen hatte. Er ist nie gegen einen richtigen Boxer angetreten. Aber Carpentier hat Männer geschlagen, die Dempsey aus dem Ring gejagt hätten.”

Dempsey (85,3 kg) schlug Carpentier (78,0 kg) in der vierten Runde k.o. Das war am 2. Juli 1921 in Jersey City. 80183 Menschen sahen zu und brachten mit 1,789 die erste Einnahme von über einer Million Dollar in der Boxgeschichte in die Kassen. Carpentier, wegen seines eleganten Kampfstils „The Orchidman” („Der Orchideenmann”) genannt, war der erste Franzose, der um den höchsten Titel boxte. Georges Carpentier wird in Frankreich als Legende verehrt wie Max Schmeling in Deutschland. Sein Fan Hemingway, später der sprachgewaltige Champion unter den Schriftstellern, war erst 21 Jahre alt, als er mit seinem augurenhaften Journalismus völlig daneben lag.

Die Auszüge der Hemingway-Reportage sind eine ungewöhnliche Vorgeschichte zu einem Klitschko-Kampf. Der Anlass aber liegt nahe: Jean-Marc Mormeck ist nach knapp 91 Jahren erst der zweite Franzose, der um den höchsten Titel des Boxsports kämpft. Eine ähnliche Fehlprognose für den aktuellen WM-Kampf Wladimir Klitschkos gegen Mormeck am Samstag in Düsseldorf würde der Literatur-Nobelpreisträger mit Sicherheit nicht stellen. Denn Carpentier hat mit Mormeck nichts, aber auch gar nichts gemein. Die theoretische Gelegenheit, als erster Franzose „Champion du monde poids lourds” zu werden, verdankt Mormeck allein der Schwergewichtsmisere. Die Klitschkos haben die Königsklasse leergefegt und suchen sich – notgedrungen – ihre Herausforderer unter aufgepäppelten Ex- Weltmeistern des Cruisergewichts aus: Juan Carlos Gomez, David Haye, Tomasz Adamek – alle scheiterten kläglich.

Und auch Mormeck, der sich gestern mit 98 Kilogramm im Vergleich zu Klitschko (111 kg) als Leichtgewicht erwies, wird es ähnlich ergehen. 

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