Alle drei Tage ein Test

Tour-Seriensieger Lance Armstrong gibt sich bei seinem Comeback in Australien geläutert. Und sein Rennstall Astana tut so, als sei es ein Anti-Doping-Team.
ADELAIDE Lance Armstrong hat ein Kirmesrennen in den Adelsstand eines Radklassikers erhoben. 138000 Zuschauer, ein Drittel der Einwohner Adelaides, veranstalteten zum Comeback des siebenfachen Siegers der Tour de France eine gigantische Party. Bei untergehender Sonne, aber immer noch 33 Grad, strampelte der 37-jährige Amerikaner nach dreieinhalb Jahren die ersten 51 Rennkilometer seiner Rückkehr herunter. Und landete – nur – im Hauptfeld.
Doch das war schon vorher klar gewesen. Und deshalb hatte ihn vor dem Rennen auch Mike Rann, Premierminister des Bundesstaates Südaustralien, schon vor dem Rennen nach vorne auf die Startlinie gebeten und voller Enthusiasmus seinen Landsleuten zugerufen: „Wenn ihr Pele und Ali nicht gesehen habt, dann seht ihr jetzt Lance Armstrong, den größten Radrennfahrer aller Zeiten.“
Sein Comeback wird nicht überall auf der Welt mit einem solchen Hurra begrüßt. „Es gibt bestimmte Länder und Kulturen, die sind gegen mich. Ich bin darauf vorbereitet, durch heiß und kalt zu fahren“, sagte Armstrong selbst dazu. Führe er in Deutschland, er müsste sich eiskalt fühlen. Linus Gerdemann etwa meint, die Rückkehr sei nicht gut für den Radsport. Jens Voigt ist in Adelaide dagegen ganz anderer Meinung: „Armstrongs Comeback erzeugt wieder Interesse am Radsport. Alle profitieren davon. Sponsoren und Fernsehen sind glücklich. Deutschland aber ist ein spezieller Fall.“
Weil ARD und ZDF die Tour de France im Juli nicht mehr übertragen werden, hat sich Armstrong die Telefonnummer des Präsidenten der European Broadcasting Union (EBU) besorgt und im Dezember Fritz Pleitgen angerufen. „Ich habe ihm erklärt: 'Ich fahre für eine große Sache und ich will erfolgreich sein. Egal, was Sie oder ihr Land denken. Ich komme zurück, und zwar in guter Absicht.' Ich glaube, er hat mich verstanden.“
Denn Passion und Mission haben Armstrong wieder in den Rennsattel gehoben, die Leidenschaft für Radrennen und der Kreuzzug gegen den Krebs. Er hat den Krebs trotz einer Überlebenschance von drei Prozent besiegt und anschließend siebenmal die Tour de France gewonnen. Aber sein Image ist beschädigt. Das Tour-Organ "L'Equipe" entschlüsselte 2005 sechs codierte Urinproben von der Tour 1999, in denen ein französischen Anti-Doping-Labor durch neue Testverfahren Spuren von EPO gefunden hatte, und ordnete sie dem zurückgetretenen Armstrong zu.
Lance Armstrong liebt Symbolik. Er brachte zur über Pressekonferenz sein schwarzes Rennrand mit und verwies auf die gelben Zahlen beiderseits des Rahmens und der Reifen. Die 1274 steht für die Tage seit am 24.Juli 2005, als er auf den Champs-Elysees vom Rad stieg und seinen Rücktritt erklärte. „Und in diesen 1275 Tagen“, sagt Armstrong und deutet auf die andere Zahl, „sind 27,5 Millionen Menschen an Krebs gestorben".
Der Rückkehrer fährt in der Mannschaft Astana seines Freundes Johan Bruyneel ohne Bezahlung. Um neuen Doping-Verdächtigungen vorzubeugen, unterwirft er sich dem nach eigener Aussage bei Astana (ausgerechnet Astana, das mehrfach des Dopings überführte Team) „umfassendsten Anti-Doping-Programm in der Geschichte des Sports“. Der Anti-Doping-Experte Don Catlin kontrolliert ihn und ist autorisiert, seine Blutwerte öffentlich zu machen. Alle drei Tage will Armstrong sich einem Test unterziehen. Das wäre ein Rekord.
Hartmut Scherzer