Alessandro Zanardi: Der Unverwüstliche

Der ehemalige Formel-1-Pilot Alessandro Zanardi, der vor elf Jahren bei einem Unfall auf dem Lausitzring beide Beine verlor, geht bei den Paralympics auf Medaillenjagd – als Handbiker
tbc |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

London - Alessandro „Alex“ Zanardi hat abgespeckt: nur noch drei statt vier Räder, nur 35 statt 350 Stundenkilometer. Egal, Hauptsache Wettkampf. Zanardi, der Unverwüstliche, hat ein neues Ziel vor Augen: eine Medaille bei den am Mittwoch beginnenden Paralympischen Spielen. Wenn Zanardi am 5. und 7. September auf Gold-Jagd geht, ist der schwärzeste Tag seines Lebens fast genau elf Jahre her. Vier Tage nach 9/11 verlor der Rennfahrer aus Bologna bei einem Unfall auf dem Lausitzring beide Beine. Von 1991 bis 1999 war er 41 Formel-1-Rennen gefahren, gewann 1997 und 1998 die Champ-Car-Meisterschaft, doch dieser 15. September veränderte alles.

Zanardi führte das Rennen auf dem Lausitzring an, als es nach dem letzten Boxenstopp zur Kollision kam: Bei der Boxenausfahrt geriet Zanardi auf den Grünstreifen, schleuderte unkontrolliert auf die Strecke, wo er von einem Wagen mit Tempo 320 getroffen wurde. Sein Bolide zerstob in tausend Teile, Zanardi musste sieben Mal wiederbelebt werden, verlor beide Beine oberhalb der Knie, überlebte knapp – nach 50 Minuten mit nur einem Liter Blut im Körper.

Der Italiener lernte mit Prothesen zu laufen – und stieg zwei Jahre später wieder in einen Rennwagen, nahm von 2005 bis 2009 – mit Handgas – an Rennen teil, für BMW sogar an der Tourenwagen-Weltmeisterschaft. Im November 2006 absolvierte er in Valencia sogar eine Testfahrt in einem Formel-1-Boliden. Doch irgendwann war es vorbei mit den schnellen Flitzern, und Zanardi, der einst so fröhliche Erfinder des reifenqualmigen Kringeldrehens, verfiel in Depressionen – bis er das Handbike entdeckte.

Schon als Fahrer in der Tourenwagen-WM hatte er erste Versuche in dieser Disziplin gewagt, nun gilt Zanardi als Profi, gewann 2010 auf den drei schmalen Rädern den Milan City Marathon und im Jahr darauf den New York Marathon. Mittlerweile kann er seinem „zweiten Leben“ sogar Positives abgewinnen. „Mir ist etwas passiert, was nicht vielen Menschen passiert und was viele Außenstehende als schlimm empfinden“, sagte Zanardi, „aber ich habe in meinem zweiten Leben auch viele tolle, neue Dinge erlebt. Wenn ich noch zwei Beine hätte, wäre ich niemals nach London gekommen. Und als Motorsportler hätte ich niemals die Chance gehabt, eine Medaille zu gewinnen.“

Das haben aber noch ein paar andere, jüngere Paralympiker vor. Zanardi ist 45, könnte der Vater des ein oder anderen Konkurrenten sein und nennt sich selbst den „Schumi der Paralympics“. Er sagt: „Natürlich bin ich ein alter Sack. Im Augenblick bin ich meiner Form der vergangenen Saison weit voraus. Es dürfte schwierig werden, noch Verbesserungen zu erzielen, ein noch höheres Level zu erreichen. Aber ich möchte es unbedingt versuchen.“

Die Wettbewerbe der Handbiker finden in Brands Hatch statt, wo Zinardi 1991 in der Formel 3000 Zweiter wurde. „Mit jedem Tag, den es näher rückt, werde ich ein bisschen trauriger. Ich gehe in diese Spiele so, als wären es meine ersten und letzten Paralympics“, sagte Zanardi. Dabei hat er längst ein neues Ziel: den Paralympics-Triathlon 2016 in Rio. Und: die 500 Meilen von Indianapolis: „Ein einfaches Rennen: keine Bremse, nur Vollgas!“ Gattin Daniela sagte nur: „Du bist verrückt.“

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.