Al-Sultan: Diesen Satz nimmt er Merkel immer noch übel
München - Der 42 Jahre alte Hawaii-Sieger von 2005 Faris Al-Sultan war seit Ende 2018 Triathlon-Bundestrainer und gibt sein Amt nun Ende September ab.
Al-Sultan nimmt DTU in Schutz: Nicht wegen Kritik gefeuert
AZ: Herr Al-Sultan, ab 30. September werden Sie nicht mehr Triathlon-Bundestrainer sein. Warum kam es zur Trennung?
FARIS AL-SULTAN: Ich habe den Sportdirektor am 26. März informiert, dass ich nicht weitermachen möchte. Dass das jetzt mit der ganzen Corona-Situation zusammenfällt, ist ein unglücklicher Zufall. Ich wurde aber nicht wegen meiner Aussagen zu Corona gekündigt. Jeder, der sich ein bisschen mit Arbeitsrecht auskennt, weiß, dass so etwas in Deutschland gar nicht geht – wenn man nicht gerade den Holocaust leugnet oder Betriebsgeheimnisse ausplaudert. Die Trennung hat andere Gründe und ist auch keine böse Scheidung. Ich hatte eine sehr lehrreiche Zeit bei der DTU (Deutsche Triathlon Union; d. Red.), in der ich mich so gut wie möglich eingebracht habe. Ich wollte nicht weitermachen, weil es einfach nicht so das Meine ist.
Ihr Vertrag läuft also aus?
Eigentlich hätte er bis Dezember gegolten. Aber normalerweise ist die Saison auf der Kurzdistanz im September mit dem Grand Final zu Ende. Da wäre es lächerlich gewesen, den Eröffnungslehrgang für die neue Saison zu machen, aber gleichzeitig zu sagen: Morgen bin ich weg. Deshalb haben wir uns auf den 30. September verständigt.

Die Trennung wirkt dennoch fast als Konsequenz Ihrer polarisierenden Aussagen, die Sie kürzlich über Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Corona-Krisenmanagement getroffen haben.
Für mich – und ich kann nur hoffen, für jeden anderen Deutschen auch – ist die Meinungsfreiheit ein extrem hohes Gut, das wir alle stets und ständig verteidigen sollten. Ich wehre mich mit Händen und Füßen dagegen, dass ich rausgeschmissen wurde, weil ich meine freie Meinung geäußert habe. Da möchte ich die DTU bewusst in Schutz nehmen, dass das nicht der Fall war.
Die DTU hat sich aber von Ihren Aussagen distanziert.
Weil sie eine Neutralitätspflicht hat als Verband. Das ist nachvollziehbar. Ich habe aber keine Abmahnung oder so bekommen. In einem demokratischen Land muss man nicht immer einer Meinung sein und darf es auch nicht.
Al-Sultan zum Re-Start der Fußball-Bundesliga
Sie sagten: "Ich schäme mich für unsere Bundeskanzlerin."
Richtig! Das ist meine Privatmeinung und nicht die des Bundestrainers. Ich finde es nach wie vor entsetzlich, was für eine Panik in Deutschland verbreitet wurde. Die Bundeskanzlerin hat wider besseren Wissens gesagt: "Wir werden unsere Liebsten verlieren." Diesen Satz nehme ich ihr persönlich immer noch übel, und davon rücke ich auch nicht ab.
Sie sind mit dem Krisenmanagement nicht zufrieden?
Ich sage nicht, dass alle Maßnahmen eine Katastrophe sind. Aber die Politik hat eine Verantwortung Fakten gegenüber. Es heißt: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Und das erwarten wir umso mehr von den Leuten, die uns führen. Die sollen uns nicht in Panik versetzen, sondern uns beruhigen und sagen, wie wir es machen. Und keine Todesangst erzeugen, vor allem keine unbegründete.
Die Fußball-Bundesliga ist mit Geisterspielen nun wieder gestartet. Der richtige Schritt?
Ich halte viele von den Maßnahmen, die wir ergriffen haben, für völlig unverhältnismäßig und überzogen. Und wünsche mir natürlich eine möglichst zügige Rückkehr zur Normalität. Klar muss man alles beobachten und das kann nicht von heute auf morgen passieren. Ich bin aber ein Freund von Fakten und Daten. Anhand dieser muss man vorwärtsgehen. Ich Freude mich über jeden Schritt Richtung Normalität.

Sie haben also interessiert beim Re-Start zugeschaut?
Ich habe im Moment andere Sachen auf dem Schreibtisch, die mich mehr beschäftigen als das Revierderby. Die Tatsache, dass Wettkämpfe abgesagt sind und in Konkurs gehen zum Beispiel. Unser Sport ist gerade in schwerster Gefahr, so wie viele andere Branchen auch.
"Jeder Schritt Richtung Normalität ist ein richtiger und wichtiger"
Wie sehen die Pläne im Triathlon aus?
Die DTU hat, genau wie die ITU (Internationale Triathlon Union; d. Red.) bereits umfassende Konzepte erarbeitet, wie man Wettkämpfe durchführen kann. Es gibt Überlegungen, die Leute einzeln auf die Strecke zu bringen, vielleicht im Zeitfahrmodus. Oder in kleineren Gruppen mit verschiedenen Zugängen zur Wechselzone. Wir sind da Pragmatiker: Uns ist fast egal, wie der Modus aussehen soll. Hauptsache, wir machen überhaupt irgendwas. Das liegt alles schon vor. Wir haben nur noch keine Genehmigungen.
Der Fußball könnte auch dem Triathlon den Weg ebnen.
Jeder Schritt Richtung Normalität ist ein richtiger und wichtiger. Natürlich ist die Bundesliga der absolute Vorreiter, der wichtigste Sport in Deutschland mit dem meisten Interesse und den meisten Zuschauern. Ich begrüße den Re-Start außerordentlich. Alle anderen Sportarten wollen das natürlich auch. Da müssen wir auch wieder hin. Dem Allerdümmsten ist mittlerweile klar, dass wir dieses Land nicht länger im Stillstand lassen können. Irgendwann müssen wir wieder anfangen. Wie genau, darüber müssen wir diskutieren.
Haben Sie nun schon Pläne für Ihre berufliche Zukunft?
Nein. Jeder Athlet, der in Rente geht, weiß, es gibt nichts Geileres als die eigene Karriere. Für alles, was danach kommt, gilt: So aufregend wird es nicht mehr. Da muss man demütig und entspannt sein. Ich werde sicher andere Aufgaben finden. Ich war 2005 als Athlet Weltmeister und habe da schon gedacht, mehr geht nicht. Nach meinem Karriereende 2015 hat sich die Zusammenarbeit als Trainer mit Patrick Lange ergeben – mit zwei Weltmeister-Titeln. Dann kam der Bundestrainer-Job. Selbst wenn jetzt nichts mehr käme, außer der wirkliche Ruhestand und mit den Kindern spielen, dann wäre es auch nicht weiter schlimm.
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