Ärger im Paradies: Braucht's mehr Lifte?

Balderschwang/Grasgehren - Der bisherige Winter mit wenig Schnee in tiefen Lagen könnte den Oberallgäuer Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein zugute kommen. Während in vielen anderen bayerischen Skigebieten in den Ferien die Lifte standen oder nur für Wanderer liefen, ist an den Grasgehren-Liften seit Ende November durchgehend Skibetrieb möglich.
„Dieser Winter zeigt deutlich, wie schneesicher unsere Skigebiete sind. Wir hier oben haben eine weiße Winterlandschaft, während es in anderen Gebieten grün ist“, sagt Balderschwangs Bürgermeister Konrad Kienle. Um für Urlaubsgäste langfristig attraktiv zu bleiben und im Wettbewerb mit den benachbarten Skiregionen in Österreich bestehen zu können, wollen die betroffenen Gemeinden die beiden kleinen Skigebiete Balderschwang und Grasgehren unterhalb des Riedberger Horns zusammenschließen und modernisieren.
Eine Verbindungsbahn und neue Skipisten sollen gebaut werden
Neben einer Verbindungsbahn unterhalb des Gipfels sind auch neue Skipisten geplant. „Es macht doch Sinn, dort Gebiete auszubauen, wo ich den Tourismus schon habe - und wo ich den Schnee habe. Viel wichtiger ist, von den Gebieten, die bisher noch nicht genutzt werden, die Finger zu lassen“, verteidigt Kienle das Vorhaben.
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Denn der geplante Liftverbund ist höchst umstritten. Er ist vor allem Umweltverbänden ein Dorn im Auge. Die geplante Trasse zwischen den Skigebieten verläuft nämlich durch die strengste Schutzzone C des bayerischen Alpenplans. Weil dort neue Erschließungen unzulässig sind, streben die Gemeinden eine Ausnahmegenehmigung an.
Vor einem Jahr stellten sie einen Antrag auf ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren. Ob am Riedberger Horn eine Abweichung vom Alpenplan möglich ist, wird noch geprüft. Dafür zuständig ist das bayerische Heimatministerium.
Der Bund Naturschutz fürchtet im Allgäu einen Präzedenzfall
Es ist ein sehr schwieriger Abwägungsprozess. Deshalb sind umfangreiche Prüfungen nötig“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Einerseits gebe es das Interesse des ländlichen Raums, sich weiterzuentwickeln. Andererseits handle es sich dabei um eine sehr sensible ökologische Frage.
Umweltverbände wie der Bund Naturschutz (BN) fürchten einen Präzedenzfall, der den Alpenplan nach 40 Jahren unveränderter Gültigkeit aushebelt und zu einer zügellosen Bebauung bislang geschützter Gebiete führen könnte. Auch der Schutz von Birkhühnern sowie der Schutz vor Lawinen- und Murenabgängen sprächen gegen den Bau von neuen Pisten und Liftanlagen.
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Mit Protestaktionen unter anderem vor der Staatskanzlei in München und auf dem Gipfel des Riedberger Horns machten die Naturschützer im vergangenen Jahr ihrem Ärger Luft. „Wir sehen diese Aktionen eher als Schutzaktionen. Wir wollen die letzten noch unerschlossenen Bereiche in den Alpen schützen, die den Menschen und der Natur als Rückzugsraum und Ruhezone dienen“, sagt BN-Naturschutzreferentin Christine Margraf.
Der DAV fordert: Der Tourismus muss unweltverträglich sein
Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) hat den Plänen für das Projekt im Allgäu bereits eine Absage erteilt. „Die geplante Maßnahme liegt außerhalb der vorhandenen Skigebiete in einem höchst sensiblen Naturraum“, hatte die Ministerin im Sommer gesagt. Die Alpen seien ein einzigartiges Ökosystem. „Dieser Naturraum braucht besonderen Schutz und muss für dieses Großprojekt tabu sein.“ Das Heimatministerium sah jedoch „Lücken in der Argumentation“ der Ministerin und weiteren Abklärungsbedarf.
Beim Deutschen Alpenverein (DAV) herrscht Unverständnis und Enttäuschung darüber, dass trotz Scharfs klarer Positionierung das Projekt noch nicht vom Tisch ist. Der Alpenverein lehnt die Pläne für einen Skilift-Verbund am Riedberger Horn ebenfalls ab. Durch Wanderer und Skitourengeher sei dort bislang umweltverträglicher Tourismus möglich. Dies solle so bleiben.
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Der Tourismusverband Allgäu/Bayerisch-Schwaben und die Allgäu GmbH dagegen unterstützen und befürworten den geplanten Liftverbund. Ihrer Ansicht nach könne und dürfe der wohlgemeinte Schutz der Natur nicht bedeuten, dass sich eine Region nicht weiterentwickeln darf. Balderschwangs Bürgermeister Kienle findet dafür deutliche Worte: „Eine Entscheidung gegen die Liftverbindung ist eine Entscheidung gegen den Wintersport im Allgäu.“