Adrenalin marsch!

TENERO - Vor dem EM-Start gegen Polen: Jürgen Klinsmann wünscht per SMS „Viel Glück“ und Kapitän Michael Ballack fordert den „unbedingten Willen“.
Sie hatten Post, eine Mail aus Kalifornien. Alle Trainer und Betreuer der deutschen Nationalelf konnten am Freitagmorgen auf ihren Laptops unter Posteingang eine Nachricht von Jürgen Klinsmann finden. Der Titel der Mail: „Jungs, das wird ein geiler Sommer!“ Der WM-Bundestrainer wünschte allen „viel Spaß und viel Erfolg“ bei der EM, an die Spieler ging jeweils noch eine SMS raus. Huntington Beach grüßt Ascona. Mit Bundestrainer Joachim Löw telefonierte Klinsmann noch einmal persönlich – ein Schwabe und ein Badener, da wird vom högschd möglichen Erfolg die Rede gewesen sein, vom EM-Titel.
Am Sonntag soll in Klagenfurt (20.45 Uhr, ZDF live) gegen Polen der erste von sechs Schritten gemacht werden. „Die Mannschaft brennt darauf, den ersten Sieg zu landen“, sagte Kapitän Michael Ballack am Freitag und redete den Mitspielern ins Gewissen: „Auf diesem hohen Level, auf Augenhöhe mit den meisten Gegnern, kommt es auf Kleinigkeiten an. Daher muss jeder die nötige Aggressivität und den unbedingten Willen mitbringen, dieses Spiel zu gewinnen.“ Ein Startsieg soll her. Für das Überstehen des Minimalziels Vorrunde. Für die gute Stimmung.
Emotional geladen
Letztlich für eine Renaissance. Das WM-Gefühl soll wiederauferstehen – wieder durch einen Sieg gegen Polen, und diesmal schon beim EM-Auftakt. „Wir werden emotional geladen sein und wollen diese Anspannung für uns nutzen“, sagte Löw. Emotional geladen? Dank der Erinnerung an den 14. Juni 2006. Dortmund, das zweite Gruppenspiel der WM: Erst in der Nachspielzeit trifft Oliver Neuville auf Pass von David Odonkor zum 1:0. Die 65000 Zuschauer flippten total aus. „Der Jubel nach dem Tor war der emotionalste Moment in meiner Karriere“, meinte Torschütze Neuville kürzlich, „mit diesem Tor und diesem Sieg gegen Polen nahm die WM so richtig Fahrt auf.“ Passgeber Odonkor bekommt diesen verklärten Blick, wenn er auf diesen Abend angesprochen wird. „Für mich war es der schönste Augenblick meiner Laufbahn. Wir wussten alle nicht, wo wir hinlaufen sollten nach dem Tor.“
Der Weg führte sie bis ins Halbfinale. Eine Mannschaft verwandelte sich plötzlich in den FC Deutschland, das Sommermärchen war geboren.
250.000 Euro pro Mann für den Titel
Und soll nun eine leibhaftige Fortsetzung erfahren. Daher heißt es am Sonntag: Adrenalin, Marsch! Auf sie mit Gebrüll!
Für Motivation ist gesorgt, die Prämie für den EM-Triumph in Höhe von 250000 Euro pro Mann ist da beinahe Nebensache. Gereizt wurden die DFB-Profis durch die Provokationen einiger polnischer Boulevardzeitungen. „Wir haben die Bilder gesehen und waren natürlich nicht erfreut. So etwas sollte nicht zum Fußball gehören. Einige stempeln das als Normalität ab. Es ist nicht schön, wenn man so etwas über sich oder den Trainer sieht“, bemerkte Ballack. Der DFB-Kapitän glaubt, dass die Presse ihrer Mannschaft damit einen Bärendienst erwiesen hat, er ist sich sicher: „Das motiviert uns noch mehr.“
Und macht Beine. Oliver Neuville hatte kürzlich noch einen recht hilfreichen Vorschlag in Sachen Entzündung des deutschen EM-Feuers: „Wir sollten das Tor gegen die Polen diesmal früher machen als bei der WM 2006.“ Auch keine schlechte Taktik.
Patrick Strasser, Thorsten Klein