Achse mit Bruchgefahr
PALMA DE MALLORCA - Michael Ballack, Torsten Frings, Christoph Metzelder, Jens Lehmann: Das Führungs-Quartett von Bundestrainer Löw schwächelt – und im Sturm fehlt ein Leader.
Einen Namen nannte Michael Ballack nicht. Welchen auch? Welchen Stürmer sollte er nennen? Also blieb der Kapitän unkonkret in seiner Aussage. „Wir haben einen guten Sturm. Das ist heutzutage ganz wichtig, die Stürmer machen den Unterschied aus.“ Doch wer soll es sein? Keiner der fünf Angreifer ist gesetzt neun Tage vor dem EM-Auftaktspiel der DFB-Elf gegen Polen in Klagenfurt.
Nicht Kevin Kuranyi, auch nicht Lukas Podolski, schon gar nicht Joker Oliver Neuville. Nicht einmal Mario Gomez, mit 19 Toren der beste deutsche Stürmer der vergangenen Saison. Und auch Miroslav Klose nicht. Weil der 29-Jährige nach einer schwachen Rückrunde beim FC Bayern keinen Stammplatz hat, kann er auch beim DFB kein Leader sein. Es gibt keinen Stürmer Nummer eins – und daher fehlt Klose in der Viererkette. Freilich nicht in der Abwehr, sondern in der wichtigsten Viererkette auf dem Platz – von hinten nach vorne. Die Seele jeder Mannschaft, der Regulator des Motors: die Achse.
Die Achse von '72
Keine deutsche Nationalmannschaft spielte einen besseren Fußball als bei der EM 1972. Weil die Achse funktionierte. Sepp Maier im Tor, Franz Beckenbauer als Libero, Paul Breitner als Antreiber, Gerd Müller als Vollstrecker. So wurden sie 1974 auch Weltmeister. Und 2008? Abgesehen von Klose ist Löws Achse die von Jürgen Klinsmann bei der WM 2006. Mit Keeper Jens Lehmann (38), mit Abwehrchef Christoph Metzelder (27) sowie im Mittelfeld Torsten Frings (31) und Michael Ballack (31). Doch die Achse ist brüchig.
Metzelder brachte es zuletzt auf den Punkt. „Die Mannschaft hat ein Gerüst“, sagte der Verteidiger von Real Madrid, „Michael Ballack war lange verletzt, Torsten Frings auch, Jens Lehmann hat wenig gespielt, ich war verletzt - sicher ist das nicht optimal.“ Was beim 2:2 gegen Weißrussland deutlich zu sehen war.
Lehmann flattert, ihm fehlt Spielpraxis, er strahlt keine Souveränität aus. Metzelder wirkt ungelenk und nach seiner langen Pause seit Dezember nicht spritzig genug, im Mittelfeld sind Frings und Ballack nicht in Topform. „Wenn ein, zwei wichtige Spieler wegfallen, wird es für uns schwer, das zu kompensieren“, sagte Ballack gestern in Palma, „im Kader haben wir nicht die Breite wie zum Beispiel Italien oder Frankreich.“ Der Kapitän sorgt sich, vor allem um die Abwehr. „Die Defensive ist das A und O, um in einem Turnier bestehen zu können. Da müssen wir konzentrierter und aggressiver zur Sache gehen.“
Und weil die Mannschaft 2008 erst drei Freundschaftsspiele mit völlig verschiedenen Aufstellungen bestritten hat, soll der letzte EM-Test am Samstag in Gelsenkirchen (17.30 Uhr, ARD live) gegen Serbien sinnvoll genutzt werden. „Ich würde mich freuen - und es ist wichtig -, dass das letzte Spiel vor der EM dazu genutzt wird, uns einzuspielen“, forderte Ballack Bundestrainer Löw auf, die erste Elf spielen zu lassen. Damit die Achse Lehmann-Metzelder-Frings-Ballack steht. „Die anderen, jüngeren Spieler orientieren sich an den erfahrenen Leuten“, sagte Löw.
Routine und Verantwortung
241 Länderspiele hat das Quartett zusammen bestritten, Routine bedeutet Verantwortung. „Gegen die Polen wird es körperlich zur Sache gehen“, glaubt Ballack. Klar. Und da muss die Achse halten.
Patrick Strasser