29. Olympische Spiele in Peking eröffnet
Peking (dpa) - Mit einer der spektakulärsten Eröffnungsfeiern in der Geschichte Olympischer Spiele hat China der Welt sein Potenzial als aufstrebende Macht vor Augen geführt.
Um 23.36 Uhr Ortszeit (17.36 Uhr MESZ) gab Chinas Staatspräsident Hu Jintao mit den Worten «Ich erkläre die Spiele von Peking zur Feier der XXIX. Olympiade für eröffnet» das Startsignal für das dritte Weltfest des Sports in Asien nach Tokio 1964 und Seoul 1988. Vier Minuten nach Mitternacht in Peking entzündete Li Ning, dreimaliger Turn-Olympiasieger von 1984 in Los Angeles, mit einem atemberaubenden Drahtseilakt das olympische Feuer. An dem 16-tägigen Spektakel in Chinas Hauptstadt, den Reiterwettbewerben in Hongkong und im Segelrevier vor Qingdao nehmen mehr als 11 000 Sportler aus der Rekordzahl von 204 Ländern teil.
Vor 91 000 Zuschauern im Nationalstadion und geschätzten vier Milliarden weltweit vor den Fernsehschirmen appellierte Jacques Rogge, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), an die Athleten: «Verhaltet euch als Vorbild für die Welt und stellt euch gegen Doping!» An die Adresse der Gastgeber gewandt, meinte der Belgier: «China hat lange davon geträumt, seine Türen zu öffnen. Heute ist dieser Traum wahr geworden. Glückwunsch Peking!» Zuvor hatten sich die chinesischen Gastgeber mit einer faszinierenden Zeitreise durch ihre mehrere tausend Jahre alte Kultur als weltoffene Nation präsentiert. Chinas Starregisseurs Zhang Yimou stellte das Thema Harmonie in den Mittelpunkt der monumentalen Show mit 14 000 Darstellern, die durch ihre Perfektion und Ausdauer bei schwülheißen 30 Grad Celsius glänzten.
Erst gut 120 Minuten vor der Entzündung des olympischen Feuers war das Geheimnis um den letzten Fackelträger gelüftet worden. Li Ning, 1984 mit dreimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze dekoriert, wurde an einem Drahtseil knapp 50 Meter Höhe hochgezogen. Nach einer «Flugrunde» entlang des Stadiondaches entfachte der 44-Jährige in luftiger Höhe die Flamme. «Das ist das Ergebnis von einem Monat Training. Das größte Problem war der Wind», sagte der Akrobat. Li Ning beendete den «Reise der Harmonie» getauften und mit einer Gesamtlänge von 137 000 Kilometern längsten Fackellauf der olympischen Historie, der auf seinem internationalen Teil von Zwischenfällen durch China-Kritiker überschattet war.
Sichtlich angetan von der knapp vierstündigen Gala im «Vogelnest» war Thomas Bach. «Das war eine grandiose Darstellung der 5000- jährigen Kultur Chinas mit einer ausgestreckten Hand zur westlichen Kultur», sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und IOC-Vize, der der deutschen Mannschaft bei ihrem Einmarsch begeistert applaudierte. «Das war gigantisch. Wenn man ins Stadion einläuft und die Menschen sieht, da läuft es einem kalt den Rücken runter», gestand Basketball-Star und Fahnenträger Dirk Nowitzki schweißnass. «Die Chinesen haben für mich schon das erste Gold gewonnen», schwärmte die frühere Schwimmerin Franziska von Almsick.
Die deutsche Mannschaft zog als siebtletzte in die Arena ein. Die 370 Sportlerinnen und Sportler, darunter Tischtennis-Ass Timo Boll, die Tennisspieler Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler sowie das Segelteam aus Qingdao, wurden mit freundlichem Applaus begrüßt. Den meisten Beifall bei dem traditionell von Griechenland eröffneten über zweistündigen Einmarsch der Nationen heimste das von Yao Ming geleitete Team der Gastgeber ein. Neben dem Basketball-Riesen und Fahnenträger lief ein kleiner Junge, der im Mai die Erdbebenkatastrophe in der Provinz Sichuan überlebt und dabei zwei Klassenkameraden aus den Trümmern gezogen hatte. Mit «jia you» («Auf geht's»)-Rufen feierten die chinesischen Zuschauer ihr mit über 600 Sportlern stärkstes Team.
Vor dem Einzug der Länder hatte China mit einer ungemein aufwändigen Inszenierung eine Brücke durch seine Geschichte geschlagen. Beginnend bei den Lehren des Konfuzius wurden auf einer gigantischen Papierrolle die Beiträge zur Entwicklung der Weltkultur - wie die Erfindung des Papiers und des Kompasses - dokumentiert. Die selbstbewusste Selbstdarstellung gipfelte in einer symbolischen Reise ins All.
Klaviervirtuose Lang Lang begleitete ein fünfjähriges Mädchen auf dem Flügel, die britische Sängerin Sarah Brightman und Chinas Popidol Liu Huan sangen gemeinsam die Hymne der Spiele. Den Abschluss bildete ein Feuerwerk. Insgesamt waren in dieser denkwürdigen Nacht 29 000 Böller und Raketen in den dunstigen Nachthimmel gestiegen. «Das war spektakulär», schwärmte Rogge und sprach von einer «unvergesslichen und bewegenden Feier, die die Ausdruckskraft, Originalität und Kraft der Spiele von Peking zelebriert hat». Der Ober-Olympier versprach den Athleten aufregende und unvergessliche Spiele.
Zu den prominentesten Gästen des Spektakels zählten rund 80 Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident George W. Bush, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Russlands Regierungschef Wladimir Putin. Während der starke Mann Russlands Olympia feierte, explodierte das Pulverfass Kaukasus. Am Abend wurden 1400 Tote durch die Kämpfe in der georgischen Konfliktregion Südossetien gemeldet.
Kurz vor der Eröffnung hat das IOC Brunei von der Teilnahme ausgeschlossen. Das Nationale Olympische Komitee des Sultanats hatte es versäumt, seine zwei Athleten bis zum Ablauf der Meldefrist beim IOC zu registrieren. Damit finden die Sommerspiele mit 204 Ländern statt, auch das ist eine Rekordzahl.
IOC-Sprecherin Emmanuelle Moreau bezeichnete es als eine «große Schande und sehr traurig für die Athleten», dass die beiden Sportler vom NOK ihres Landes nicht gemeldet worden seien. Das IOC habe bis zuletzt versucht, sie zu registrieren. Für Brunei sollten in Peking die 15 Jahre alte Schwimmerin Maria Grace Koh und der Kugelstoßer Mohammed Yazid Yatini Yusof an den Wettkämpfen teilnehmen.
Nach der olympischen Auftaktparty ohne Störfeuer gehören die Arenen bis zum 24. August den Sportlern, die in 302 Wettbewerben um Gold, Silber und Bronze kämpfen. An diesem Samstag stehen die ersten sieben Entscheidungen auf dem Programm.