„2010 wird mein Jahr!“

Felix Neureuther wollte schon aufhören. Nun hat er sein erstes Weltcuprennen gewonnen – in Kitz, wie damals sein Vater. Der stolze Papa weint und sagt: „Das ist schöner, als selbst zu gewinnen“
von  Abendzeitung
Felix Neureuther bei seinem Siegeslauf in Kitzbühel.
Felix Neureuther bei seinem Siegeslauf in Kitzbühel. © dpa

KITZBÜHEL - Felix Neureuther wollte schon aufhören. Nun hat er sein erstes Weltcuprennen gewonnen – in Kitz, wie damals sein Vater. Der stolze Papa weint und sagt: „Das ist schöner, als selbst zu gewinnen“

Lauthals sang Felix Neureuther mit. Ganz textsicher, so als ob er die Hymne bei Siegerehrungen schon oft gehört hätte. Dabei war es eine Premiere: Der erste Weltcup-Sieg seiner Karriere, und dann auch noch in Kitzbühel, beim Traditionsklassiker. Felix Neureuther war am Ziel.

Endlich hatte er einen Slalom gewonnen. Und endlich wusste er, dass er nie mehr die Frage hören muss, wann er denn gedenkt, seinen ersten Sieg zu feiern.

Als Neureuther eine Stunde nach dem Rennen zur Pressekonferenz schritt, hatte sich scherzhalber Julien Lizeroux, der Zweitplatzierte, auf dem Sitz des Gewinners niedergelassen. Doch das ließ sich Neureuther nicht bieten, er packte den Franzosen, seinen guten Kumpel, und bugsierte ihn grinsend auf den Stuhl zu seiner Rechten.

Den Platz des Siegers ließ er sich nun nicht mehr nehmen. Nicht an so einem Tag. Nicht nach so einer Saison. Die hatte ganz schlecht begonnen, vor Weihnachten kam er nie unter die ersten 15, die Olympia-Quali war in Gefahr. „Ich dachte bereits über einen Psychologen nach oder daran, komplett aufzuhören", sagte Neureuther. „Ich hatte Motivationsprobleme. Ich war mental total am Boden."

Neureuther fühlte sich angegriffen, er schien am Druck zu zerbrechen. Bis Weihnachten kam. „Die Feiertage haben mir sensationell gut getan“, sagte er nun. „Ich konnte abschalten. An Silvester habe ich gescheit einen draufgemacht mit meinen Freunden, was gut für den Kopf war.“ Wobei er um Mitternacht zum Jahreswechsel alleine mit seinen Gedanken war und sich, wie er verriet, vornahm: „Jetzt fängst du wieder bei Null an. 2010 wird mein Jahr."

Zumindest wurden es seine ersten gut drei Wochen. Erst die Olympia-Qualifikation, nun der Triumph am Ganslernhang. Nach dem ersten Durchgang war er Dritter gewesen, dann attackierte er mit einer fehlerfreien Fahrt. Er profitierte von den Ausrutschern von Manfred Moelgg und Reinfried Herbst, dem Halbzeitführenden. Doch die hätten sich auch so schwer getan, die Bestzeit zu unterbieten. Am Ende lag Neureuther vorn, und dann lag er auf dem Boden und küsste den Schnee.

Der Vater war einer der ersten Gratulanten. Christian Neureuther (60), der vor 31 Jahren hier gewonnen hatte, fiel seinem Sohn um den Hals, mit wässrigen Augen. „Das sind Tränen ohne Scham“, sagte er, „wie Felix mit der Nervenbelastung fertig geworden ist: Chapeau! Ich schmeiße mich fast vor ihn hin. Weil es eine Situation ist, die so schön ist." Dahin war alle Zurückhaltung, die er sonst geübt hatte, wenn es um den Buben ging. Weil der Vater nie wollte, dass der Felix als der Sohn berühmter Eltern gesehen wird. Sondern als eigener Mensch, der ihm, dem Papa, zwar nahe ist, aber doch eine eigene Persönlichkeit.

„Wenn die Kinder glücklich sind und ihre Ziele erreicht haben", erklärte Christian Neureuther noch, „dann ist man als Vater oder Mutter unglaublich glücklich. Das ist schöner, als selbst zu gewinnen." Ist ja auch schon lange her, der Sieg von 1979. Beim ORF spielten sie die Bilder von damals für den Felix nochmal ein. „Das sah schon sehr lustig aus", sagte Neureuther junior, „wie die ohne Brille und ohne Mütze da runtergefahren sind. Es war einfach eine andere Zeit, aber dass ich jetzt hier gewonnen habe, wo schon mein Vater triumphierte, das ist schon etwas Besonderes."

Sprach's, freute sich auf die Überweisung des Preisgeldes von 70 000 Euro und auf die Rückkehr nach Kitzbühel schon im Sommer. Dann bekommt er als Streif-Sieger eine eigene Gondel. Er hofft auf die direkt hinterm Papa.

Florian Kinast

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