20 Leute wohnen bei der Kickbox-Polizistin
AZ: Frau Irmen, vier Jahre nachdem Sie Ihren WM-Titel im Kickboxen verloren haben, geht’s am Freitag im Circus Krone gegen Marina Zueva wieder um die Krone, doch Ihre Vorbereitung lief alles andere als optimal. Auch Sie gehören zu den Opfern des Jahrhunderthochwassers.
JULIA IRMEN: Ja, wir wohnen ja zwischen Passau und Dingolfing, die Zustände in der Umgebung sind aufgrund des Hochwassers schlicht katastrophal. Unser Haus war zwar bisher nicht direkt betroffen, aber das Wasser ist jetzt in unserem Ort angekommen. 6000 Leute werden evakuiert, darunter auch die gesamte Familie meines Ehemannes. Wir nehmen im Moment gerade sehr viele Leute bei uns daheim auf, die alle Opfer dieser Flut, dieses Hochwassers geworden sind. Viele unserer Freunde mussten aus ihren Häusern fliehen, wir haben die natürlich alle aufgenommen. Im Moment sind es alles in allem um die 20 Leute bei uns.
Fast schon eine Art flutbedingte Hausbesetzung vor dem wichtigsten Kampf Ihrer Karriere.
(lacht) So könnte man es sehen. Wir werden auch sofort nach dem Kampf zurückfahren und selber aktiv bei den Hilfsarbeiten mitmachen. Ich bin ja Polizistin, wenn auch in Elternzeit. Ich habe ein Helfersyndrom, der Beruf passt zu mir. Ich will was tun.
Stört das Chaos um Sie herum Ihre Konzentration auf den Kampf?
Ich kriege das hin. Die Niederlage von damals hat mich immer angetrieben, denn sie schmerzt immer noch. Ich will nie wieder diese Bitterkeit schmecken. Ich will unter allen Umständen wieder Weltmeisterin werden.
Das hat Ihnen am Anfang der Karriere keiner zugetraut – schon gar nicht der eigene Coach!
Ich habe erst mit 18 Jahren mit dem Kickboxen angefangen. Als ich begonnen habe, bekam ich von meinem damaligen Trainer zu hören: „Julia, du bist zu alt und zu pummelig. Das wird nichts!” Ich habe mir nur gesagt: „Dir Ar***geige zeig’ ich es!”
Gezeigt haben Sie es allen: Sie haben bei den Amateuren sogar Kickbox-Queen Christine Theiss besiegt.
Ja, es war einer ihrer ersten Kämpfe im Vollkontakt und ich habe gewonnen. Sie hat auch von Anfang an einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Als ich sie das erste mal gesehen habe, dachte ich mir nur: „Was macht eine Frau mit so einem hübschen Gesicht beim Kickboxen? Kann sie sich keine andere Sportart suchen?” Bei uns im Kickboxen gibt es doch einige eher burschikose Typen, da stach die Christine immer gleich hervor.
Sie hatte damals keinen Welpenschutz, sondern Fremdtrainerschutz...
(lacht) Stimmt! Vor unserem ersten Kampf hat mir mein Trainer verboten, ihr ins Gesicht zu schlagen! Er meinte, die sieht so gut aus, die bleibt sicher nicht dabei, wir wollen ihr das Leben danach nicht kaputt machen. Aber ich habe mich nicht dran gehalten und trotzdem ins Gesicht geschlagen! Aber Chrissi hat alle eines Besseren belehrt, die sie nur für ein hübsches Püppchen halten. Sie ist supertough!
Supertough ist auch Ihr Beruf als Polizistin, vor ein paar Tagen wurden erst wieder Beamte in Geltendorf beschossen, wie gehen Sie damit um?
Es ist schwer, so etwas zu hören, und ich muss auch zugeben, dass ich selber nicht immer meine Schutzweste im Einsatz getragen habe. In Deutschland haben wir es als Polizisten noch relativ gut, aber in ich war vor sechs Monate in Los Angeles bei der Polizei, bin dort Streifen mitgefahren. Das ist heftig, da kann wirklich jeder Einsatz dein letzter sein. Jeden Abend sind alle Beamten zusammengekommen, und haben gemeinsam dafür gebetet, dass wir uns am nächsten Morgen wieder alle heil und gesund wiedersehen. Das ist dort wirklich keine Selbstverständlichkeit, da hat jeder eine Waffe.