Wird's reichen? So groß ist Ihre Renten-Lücke

Die Preissteigerung sorgt dafür, dass Sie sich von Ihrer Rente viel weniger leisten können, als Sie sich erhoffen. Wie Sie Ihren Bedarf im Alter richtig ermitteln und wie viel Sie im Monat sparen sollten.
Jeder zweite Münchner bekommt heuer Post von der Rentenversicherung. Der ernüchternde Inhalt: die Renteninformation. Sie informiert darüber, was der jeweilige Beitragszahler künftig in Euro und Cent an Rente erhält.
Bei Thomas Wasche ist diese Summe auf den ersten Blick kein Grund, sich zu erschrecken: 1508 Euro im Monat steht da ganz unten in dem schwarz umrandeten Kasten auf dem Schreiben. Soviel an gesetzlicher Rente bekommt der 35-Jährige raus, wenn er im Jahr 2043 seinen Ruhestand antritt – vorausgesetzt, er zahlt bis dahin weiterhin Beiträge wie jetzt in die Rentenkasse ein.
Das – so weiß Wasche genau – wird aber nicht reichen, um im Alter den Lebensstandard zu halten, den er und seine Frau Gabriele heute haben. „Den meisten Menschen ist mittlerweile klar, dass es im Alter eine Lücke geben wird“, sagt Stefanie Kühn. Doch wenn die unabhängige Vermögensberaterin ihren Mandanten dann diese Lücke vorrechnet, „sind manche dann doch geschockt.“
Hauptursache für den Schreck ist die Preissteigerung. Sie sorgt dafür, dass der Betrag, der auf der Renteninformation zunächst noch ganz passabel aussieht, zu einem kläglichen Sümmchen schrumpft.
Zum Beispiel bei Gabriele und Thomas Wasche: Ginge das Münchner Ehepaar jetzt in Rente, hätte es einen finanziellen Bedarf für seinen Lebensunterhalt von 3000 Euro monatlich. Bis zu ihrem tatsächlichen Ruhestand sind es aber noch 32 Jahre hin. Die Inflation macht das Leben bis dahin Jahr für Jahr teurer. Ihren monatlichen Bedarf müssen die Wasches daher mit der jährlichen Teuerungsrate hochrechnen.
Liegt sie im Schnitt bei 2,5Prozent, benötigen die Wasches bei Renteneintritt im Jahr 2043 rund 6600 Euro, um ihren jetzigen Lebensstandard zu halten. „Solche Zahlen sind nicht außergewöhnlich“, meint Beraterin Kühn. „Die wenigsten machen sie sich aber klar.“
Gemessen an diesem Betrag nehmen sich die Rentenzahlungen, die die Wasches zu erwarten haben, bescheiden aus. Zusammen kommen sie auf 2900 Euro: gut 1500 Euro von Thomas, 1100 von Gabriele Wasche. Hinzu kommen noch 300 Euro aus einer Betriebsrente. Stellt man das dem Bedarf gegenüber, fehlen unterm Strich im Alter jeden Monat rund 3700 Euro. Allerdings steigen bis 2043 nicht nur die Kosten – auch die Rente wird voraussichtlich höher ausfallen, als sie auf der aktuellen Renteninformation angegeben ist. Um wie viel die Rente steigt, ist unklar – klar ist nur, dass sie nicht so stark steigt wie die Löhne und wohl auch nicht so hoch ausfällt wie die Inflation.
Die Rentenversicherung rechnet in ihrer Renteninformation unter anderem auch vor, wie hoch die Zahlungen ausfallen würden, wenn die Rente um ein Prozent pro Jahr steigt: Das Ehepaar Wasche würde dann 3574 Euro staatliche Rente bekommen. Rechnet man die Betriebsrente hinzu, fehlen trotzdem noch gut 2700 Euro im Monat.
Eine gute Rente - aber zum Leben zu wenig
Das ist viel Geld. Im schlimmsten Fall müssten die Wasches jeden Monat 1220 Euro zurücklegen, um diese Lücke zu schließen. Im besten Fall – bei der kleineren Versorgungslücke von 2700 Euro – wären es 714Euro.
Ein Unterfangen, das für das Ehepaar kaum machbar ist. „Wichtig ist jedoch, dass sie jetzt überhaupt anfangen, zusätzlich zu sparen“, rät Georg Pitzl, unabhängiger Versicherungsberater bei der Meringer Firma Riverconsulting.
Noch besser wäre es gewesen, sie hätten schon vor zehn Jahren damit begonnen. Dann hätten sie deutlich weniger Geld zurücklegen müssen – im besten Fall sogar nur 427 Euro im Monat. „Zeit“, sagt Georg Pitzl deshalb, „ist wichtiger als Rendite“. Er rät dazu, so früh wie möglich mit der Altersvorsorge zu beginnen. „Am besten bei Berufseintritt.“
Wie viel jedoch von ihrem Einkommen sollten die Wasches für das Alter zurücklegen? „Es muss ein vernünftiger Betrag sein“, sagt Stefanie Kühn. „Aber auch nicht soviel, dass man sich das Leben in der Gegenwart damit schwer macht.“ Sinnvoll seien zwischen 10 und 20 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens. Um sich das Sparen zu erleichtern, rät Experte Pitzl dazu, „aus allen Fördertöpfen etwas mitzunehmen“. Soll heißen: Die Wasches sollten an die staatliche geförderte Riester-Rente genauso denken wie die von Steuern und Sozialabgaben befreite betriebliche Vorsorge. Das Riestern lohnt sich wegen der Zuschüsse vor allem, wenn Kinder da sind. Aber nicht jeder fährt damit gut. „Wer früh genug anfängt, für den ist unter Umständen eine nicht geförderte Anlage besser“, meint Stefanie Kühn. Der Grund: Bei Riesterprodukten gibt es oft vergleichsweise hohe Kosten und Gebühren.
Ohnehin glaubt Beraterin Kühn nicht daran, dass es künftig mit Sparen alleine getan sein wird, wenn es um das Auskommen im Alter geht. „Wir müssen uns auch auf eine andere Art von Ruhestand einstellen.“ Rentner müssten damit rechnen, auch im Ruhestand einer Beschäftigung nachzugehen – und sei es nur einer geringfügigen. Tatsächlich ist das schon jetzt immer öfter der Fall. Und es müsse ja auch nicht zwangsläufig etwas Schlimmes bedeuten, meint Kühn: „Man muss sich nur rechtzeitig den passenden Job ausdenken. Im besten Fall macht man dann sein Hobby zum Beruf.“
Die Einkäufe verteuern sich wohl auch künftig minimal – Miete, Gas und Benzin steigen stark. Damit müssen Sie rechnen:
Die Renten werden kaum steigen, die Preise schon – und das muss man fürs Alter miteinkalkulieren.
Die AZ hat nachgerechnet: Wir haben zwölf Produkte im Rewe in der Hopfenpost gekauft – Semmeln, Mineralwasser, Schweinsbraten, Schokolade und andere Dinge des täglichen Bedarfs – und anhand der Inflationsraten der letzten 20 Jahre berechnet, wie teuer diese Waren künftig wohl sein werden. Außerdem haben wir die Kosten für Miete, Strom, Gas, Benzin berechnet. Fast alle Waren in unserem Korb werden teurer:
Die Semmel-Preise steigen zurzeit jährlich um drei Prozent – auf derzeit 32 Cent. 2022, wenn der Bank-Berater aus der Beispielrechnung unten in Rente geht, kostet eine voraussichtlich 44 Cent. Wenn ein Maurer (32) in Ruhestand geht, zahlt er 90 Cent.
Schokolade, Wasser und Kaffee werden wohl deutlich teurer – nur Tomaten und Waschmittel etwas billiger.
Die wahren Preistreiber findet man aber nicht im Warenkorb: Das sind die Miete und die Nebenkosten. Eine Altbauwohnung mit 70 Quadratmetern kostet zurzeit im Schnitt 840 Euro. 2022 wird sie 992 Euro kosten, 2033 fast 1171 – und wer 2046 eine solche Wohnung mieten will, muss in München mit 1424 Euro Kaltmiete rechnen.
Strom und Gas wurden seit 1991 um etwa drei Prozent jährlich teurer – ein Zwei-Personen-Haushalt zahlt heuer 85 Euro für Gas und 47 Euro für Strom im Monat – das sind zusammen 132 Euro. In elf Jahren sind dafür wohl 185 Euro, in 22 Jahren 260 Euro fällig. 2046 sind es 388 Euro Nebenkosten – so kommt man auf eine Warmmiete von 1812 Euro – fast das Doppelte wie 2011.
Am steilsten ist der Preisanstieg beim Sprit – fast 5 Prozent pro Jahr seit 1991. Für 113Euro tankt der Deutsche im Monat Superbenzin – für die gleiche Liter-Zahl muss er 2022 mehr als 187 Euro hinlegen, 2033 sind es 310 Euro, 2045 stolze 564 Euro.
Wer dann noch Lust auf Ausgehen hat, muss auch tiefer in die Tasche greifen: Für eine Maß im Biergarten, die heuer 7,30 Euro kostet, sind in elf Jahren wohl 9,40 fällig – der Maurer, der spätestens 2046 in Rente gehen möchte, muss dafür sogar 16,20 einkalkulieren. Nimmt er noch ein Schnitzel mit Beilagen dazu, zahlt er für alles zusammen 41,20 Euro – der Preis eines Fleischgerichts wird sich, wenn die Inflationsrate stabil bleibt, bis dahin verdoppeln.