Interview

Tipps vom Experten: So ernähren Sie sich besser

Sich gesünder ernähren - das ist ein häufiger Neujahrsvorsatz. Aber wie? Der Experte Malte Rubach gibt Tipps, wie man durchhält. Zum Beispiel mithilfe einer Armbanduhr.
Hüseyin Ince
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Ernährungswissenschaftler Malte Rubach hat sich den täglichen Muffin auf dem Arbeitsweg abgewöhnt - stattdessen isst er im Vorbeigehen an der Bäckerei einen Apfel.
Ernährungswissenschaftler Malte Rubach hat sich den täglichen Muffin auf dem Arbeitsweg abgewöhnt - stattdessen isst er im Vorbeigehen an der Bäckerei einen Apfel. © Daniel von Loeper

München - Ernährungswissenschaftler Malte Rubach (39) mag keine pauschalen Antworten. Einzelne Nahrungsmittel verteufelt er nicht und appelliert stets an die Vernunft. Oft verteidigt er in Verruf geratene Lebensmittel wie Fleisch oder Milch. Im AZ-Interview erklärt er, wie jeder Essensvorsätze einhalten kann.

Neujahrsvorsätze: Zwei Monate Zeit Gewohnheiten zu ändern

AZ: Herr Rubach, Neujahrsvorsatz gesunde Ernährung. Hoffnungslos oder realistisch?
MALTE RUBACH: Das lässt sich pauschal nicht sagen. Aber es gibt eine gute Nachricht.

Die wäre?
Die ersten zwei Monate im Jahr haben immer das Potenzial, Gewohnheiten zu ändern. Eben gute Vorsätze zu schaffen. Das Potenzial sollte man nutzen.

Ist "Gute Ernährung" ein beliebter Vorsatz?
Eindeutig. Wenn man auf Google Trends schaut, ist das zu Jahresbeginn immer ein sehr beliebtes Thema. Meistens wollen die Leute abnehmen.

Ist also "gesund ernähren" das Gleiche wie abnehmen?
Nicht immer, "abnehmen" ist oft konkreter und nicht so komplex. Gesunde Ernährung allein wirkt wohl abstrakt.

Oft werden Vorsätze nicht durchgehalten

Ist dieser Neujahrsvorsatz also zum Scheitern verurteilt?
Die ersten zwei Monate schaffen es die meisten, sich gesünder zu ernähren. Selbst wenn es gut läuft, halten solche Vorsätze nur eine bestimmte Zeit. Dann geht die "Party" von vorne los.

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Zurück in alte Ernährungsmuster?
Genau, das sogenannte "Self-Licensing" schlägt durch. Eine Art Selbstbelohnungssystem nach dem Motto: "Das habe ich mir jetzt verdient." Dann greift man wieder häufiger in die Keksdose oder zur Schokoladentafel.

"Ich lief wie fremdgesteuert zum Bäcker, holte Muffin und Kaffee"

Wie kann der Neujahrsvorsatz möglichst lange anhalten?
Sie müssen sich überlisten, neue Gewohnheiten schaffen.

Aber wie?
Machen Sie sich Notizen über Ihre Einkaufs- und Essgewohnheiten. Im Extremfall kann auch ein guter Ernährungsberater helfen. Ich kann Ihnen ein praktisches Beispiel von mir geben.

Ja, gerne!
Früher ging ich morgens vor der Arbeit zum Bäcker am Bahnhof und holte einen Muffin und einen Kaffee für die Zugfahrt. Ich wollte das ändern. Also nahm ich immer einen Apfel mit, packte ihn in die Tasche.

Und das hat funktioniert?
Überhaupt nicht! Ich lief immer noch wie fremdgesteuert zum Bäcker, holte Muffin und Kaffee.

Nach 60 Tagen verfestigen sich Gewohnheiten

Klingt hoffnungslos. Wie haben Sie es geschafft?
Der Trick war: Wenn ich morgens beim Bäcker den Apfel schon in der Hand hielt, ihn also vor meinen Augen oder am besten sogar schon hineingebissen hatte, konnte ich am Bäcker vorbeilaufen.

Hilft das dauerhaft?
Das ist nur der erste Schritt. Nach mindestens 21 Tagen übernimmt man Gewohnheiten. Nach 60 Tagen verfestigen sie sich. Wenn ich am nächsten Tag wieder den Muffin gekauft hätte, statt den Apfel zu essen, hätte ich von vorne angefangen.

Wir haben bisher ausschließlich über Psychologie geredet.
Essen hat einfach mit unterbewussten Gewohnheiten zu tun.

Praktische Tipps für eine gesunde Ernährung

Können Sie uns praktische Tipps geben?
Klar. Regionale Lebensmittel einkaufen. Selbst und frisch kochen. Abwechslungsreich essen.

Warum?
Weil Sie sich mit den Nahrungsmitteln auseinandersetzen müssen und die Kontrolle über die Zutaten haben. Sie bestimmen selbst, was Sie Ihrem Körper zuführen.

Und wer nicht kochen kann?
Es gibt viele gute, simple Rezepte. Oft mit fünf Zutaten. Polenta-Suppe mit Zwiebel und Speck oder Kartoffel-Möhren-Suppe mit Frühlingszwiebeln und einem Schuss Olivenöl. Schmeckt super.

Maximal sechs bis zwölf Gramm Zucker pro Tag

Es gibt Zutaten, die auf Verpackungen nicht erwähnt werden müssen, weil sie in geringen Mengen vorkommen. Ist das bedenklich?
Alle Zutaten, die zugelassen sind, sind gesundheitlich unbedenklich. Aber es gibt für alles eine toxische Dosis. Selbst für Wasser. Wenn Sie mehr als elf Liter trinken, verdünnt sich ihr Blut-Elektrolytspiegel so stark, dass Sie ein Gehirn-Ödem bekommen können oder einen tödlichen Herz-Schock.

Von allem etwas sagen Sie auch. Aber was ist mit Zucker?
In Milch, Getreide oder Obst ist normalweise so viel natürlicher Zucker in Form von Kohlenhydraten, dass Sie keinen Extra-Zucker verwenden müssen.

Gibt es eine noch gesunde Extra-Dosis Zucker?
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt sechs bis maximal zwölf Gramm raffinierten Haushaltszucker pro Tag. Aber wir nehmen im Schnitt die sieben- bis achtfache Menge auf. Das ist nicht mehr gesund.

Klingt wie ein Naschverbot.
Es ist völlig unbedenklich, Süßes zu konsumieren, solange Sie es nicht jeden Tag tun und die ganze Packung vernichten.

"Als Nachtisch Obst. Apfel oder Birne. Hauptsache Obst."

Wie ist das bei Fleisch?
Das kann jeder eigentlich ganz gut für sich einschätzen. Wenn ich morgens schon Schinken auf dem Brot hatte, mittags ein Schnitzel und abends eine Wurstsemmel, dann ist das zu viel Fleisch pro Tag. Das gilt genauso für Salziges und Getreideprodukte.

Eine genaue Mengenangabe?
Ich empfehle da gerne das Tellermodell. Das erwähne ich auch in meinem Buch "Das Geheimnis des gesunden Alterns": erst einmal einen halben Teller voll Gemüse. Damit haben Sie Ballaststoffe, Spurenelemente und Vitamine. Dazu einen Viertelteller Kohlenhydrate, wie Nudeln, Reis oder Brot zum Beispiel. Und ein Viertel füllen Sie mit Proteinen auf. Fleisch oder vegetarische sowie vegane Alternativen, wie Hülsenfrüchte oder Tofu. Als Nachtisch Obst. Ob Apfel, Banane oder Birne. Hauptsache Obst.

Ein "Zeit"-Journalist schrieb: Als er sich entschloss, vegan zu leben, habe sein Arzt gesagt, er brauche keine Cholesterin-Tabletten mehr.
Das kann sein. Für gesunde Menschen ist Fleischkonsum völlig in Ordnung. Wer einen erhöhten Cholesterinspiegel hat, sollte seinen Konsum für alle tierischen Lebensmittel überdenken, weil Cholesterin nur in tierischen Quellen vorkommt.

Fett versus Zucker: Was ist ungesünder?

In den 60ern herrschte eine große Debatte, ob Fett oder Zucker ungesünder ist.
Das ist seit Jahrzehnten geklärt. Keiner dieser Makronährstoffe ist an sich schlecht. Ich muss mich wiederholen: Es kommt auf die Dosis an - und auf die Art. Bei Fett sollte man pflanzliche Öle verwenden. Tierische Fette nimmt man am besten aus dem Lebensmittel selbst auf. Immer mit Schweineschmalz zu kochen ist ebenso wenig gesund wie mit Kokosöl, wegen der gesättigten Fettsäuren. Ein guter Tipp kann sein, nach dem Kochen ein paar kleine Löffel Rapsöl oder Olivenöl über das Essen zu geben. Für die Extradosis ungesättigter Fettsäuren.

In Ihren Büchern heißt es oft: Unverarbeitete Lebensmittel sind gesund. Warum ist das so?
Sie haben die natürliche Zusammensetzung. Da können Sie sich nicht mit dem ein oder anderen Nährstoff überfressen, wenn Sie abwechslungsreich und ausgewogen von allem etwas essen.

Das sind unverarbeitete Lebensmittel

Wie erkenne ich unverarbeitete Lebensmittel?
Milch ist ein unverarbeitetes Lebensmittel, genauso wie ein Apfel. Käse oder Apfelmus sind verarbeitete Lebensmittel, bei denen wir noch erkennen, was der Ursprung war. Bei hoch- oder ultraverarbeiteten Lebensmitteln sieht man das nicht mehr mit bloßem Auge.

Ein Beispiel dafür?
Raten Sie: Tomatenpulver, Kartoffelstärke gemischt mit Zucker, Weizenmehl, Palmöl, Hefeextrakt und Aromen.

Keine Ahnung.
Eine Tütensuppe mit Tomatengeschmack.

"Wenn Sie ohne Pause essen, bauen Sie ständig Fettzellen auf"

Thema Diät: Ich kenne jemanden, der konnte abnehmen, indem er jeden zweiten Tag das Mittagessen ausgelassen hat. Ist das gesund?
Das ist ein sehr guter Weg. Das nennt sich "meal skipping" oder auf Deutsch "Mahlzeiten überspringen". Er hat den Abstand zwischen Hauptmahlzeiten vergrößert und damit ein Problem gelöst. Nämlich, dass wir heute zu jeder Tageszeit immer und überall etwas zu Essen zur Verfügung haben und so den natürlichen Rhythmus verlieren.

Was bewirkt meal skipping?
Wenn wir essen, steigt der Blutzuckerspiegel. Er sinkt nach anderthalb bis zwei Stunden wieder auf Normalniveau. Wenn er noch ein bisschen weiter abflacht, werden wir hungrig. Wenn der Zucker ansteigt, steigt auch der Insulinspiegel. Insulin bewirkt, dass der Körper Zucker in die Zellen aufnimmt, auch in die Fettzellen. Dort wird überschüssiger Zucker zu Fett aufgebaut, als Reserve. Eine große Esspause bewirkt, dass der Insulinspiegel abfällt und der Körper Energie aus den Fettzellen zurückgewinnt. Also baut man Fettzellen ab. Wenn Sie regelmäßig essen, ohne große Pausen, bauen sie immer weiter Reserven auf, also Fettzellen, weil der Insulinspiegel nicht mehr abfällt.

Große Esspausen also?
Absolut, ich nenne das in meinem Buch "Mikrointervallfasten". Es kann auch helfen, nach 18 Uhr nichts mehr zu essen. Bis zum nächsten Morgen. Das kann schon zu einigen Kilogramm weniger führen.

Armbanduhr zur Selbstkontrolle

Sie fordern Bewusstsein, Selbstkontrolle und Selbstüberlistung. Wenn jemand sagt, ich kann das alles nicht. . .
. . . dann würde ich sagen, benutzen Sie eine einfache Armbanduhr oder einen Timer.

Wie soll das denn helfen?
Nach jedem Essen oder Snack stellen Sie die Uhr auf drei Stunden. Essen Sie nichts, bis es piept. Wenn Sie Hunger spüren, trinken Sie Wasser oder Tee, Hauptsache kalorienfrei. Das Hungergefühl ist meistens nach fünf bis zehn Minuten vorbei. Allein das kann eine große Wirkung haben, um dem Körper Zeit für die Verdauung zu geben und wieder in einen natürlichen Rhythmus zu finden.

Und wenn ich gegen den Hunger nicht ankämpfen kann?
Dann essen Sie zumindest eine Banane oder einen Apfel. Und nicht den Keks oder die Schokolade.

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