Stolperfallen und Datenschutz - Obacht im Homeoffice!

Immer mehr Menschen arbeiten wegen der Corona-Pandemie im Homeoffice, seit Mittwoch gelten die neuen Vorgaben, mit denen Arbeitgeber verpflichtet werden, ihren Mitarbeitern in bestimmten Fällen das Arbeiten im Homeoffice anzubieten. Doch dort drohen Versicherungsrechtsfallen. Darauf weist unter anderem der Rechtsanwalt Arndt Kempgens aus Gelsenkirchen hin. Die wichtigsten Antworten rund ums Arbeiten daheim:
Besteht ein gesetzlicher Anspruch aufs Homeoffice?
Aktuell - noch - nicht. In der Diskussion sind momentan 24 Tage pro Jahr. Aber: Der Bund-Länder-Corona-Beschluss vom 5. Januar 2021 fordert Arbeitgeber dringend auf, "großzügig Homeoffice-Möglichkeiten zu schaffen". "Für Arbeitgeber bedeutet dies rechtlich, dass sie aus dem Arbeitsvertrag gestützt auf die ihnen obliegenden Schutzpflichten nach §618 BGB nun gesetzlich verpflichtet sind, zumindest, zweimal darüber nachzudenken'", meint der Anwalt. Arbeitgeber seien rechtlich verbindlich gehalten, zu schauen, wo Homeoffice möglich sei, und müssten ihren Beschäftigten dies dann anbieten, sagte dazu Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Was ist, wenn Arbeitgeber kein Homeoffice möglich machen, auch wenn das möglich wäre? Hier wird es knifflig: Sollten Gespräche mit dem Arbeitgeber nichts bringen und dieser sich weigern, obwohl die Arbeit auch problemlos von zu Hause aus gemacht werden könnte, sollen sich Arbeitnehmer an den Betriebsrat wenden - sofern es einen gibt, empfehlen Arbeitsministerium und Deutscher Gewerkschaftsbund.
Homeoffice in meisten Arbeitsverträgen nicht geregelt
Im Konfliktfall wird auch die Arbeitsschutzbehörde des jeweiligen Bundeslandes als Ansprechpartner genannt, die für die Durchsetzung der Regeln zuständig ist. Auf Verlangen der Behörde müsse der Arbeitgeber dann Gründe darlegen, weshalb Homeoffice nicht möglich sei. Im "allergrößten Notfall" sind laut Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auch Bußgelder möglich. Theoretisch bis zu 30.000 Euro.
Bei welchem Bürojob könnte Homeoffice abgelehnt werden? Zum Beispiel, wenn dieser noch andere Tätigkeiten beinhaltet, die im Betrieb erledigt werden müssen. Das Arbeitsministerium nennt zum Beispiel die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post, die Materialausgabe, die Bearbeitung des Warenein- oder -ausgangs oder Kundenbetreuung. Auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe im Betrieb könnte einem Wechsel ins Homeoffice entgegenstehen. Muss ich daheim arbeiten, wenn mein Chef das verlangt? Kempgens sagt: "Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, Homeoffice ohne weiteres zu akzeptieren." Denn in den meisten Arbeitsverträgen sei das Homeoffice nicht geregelt.
Wer ruft denn jetzt an? Vorsicht beim Sprint zum Telefon
Aber: "Auch Arbeitnehmer haben aus ihrem Arbeitsvertrag immer - ungeschriebene - Nebenpflichten." Dazu gehöre auch die Pflicht eines jeden Arbeitnehmers, die betrieblichen Notwendigkeiten zur Einrichtung des Homeoffice zumindest wohlwollend zu prüfen. Der Rechtsanwalt verdeutlicht: "Eine strikte grundlose Ablehnung kann gegen den Arbeitsvertrag verstoßen." Was gilt bei Arbeitsunfällen zu Hause? "Die Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) deckt Arbeitsunfälle ab. Im Homeoffice soll eigentlich der gleiche Schutz wie im Betrieb gelten", teilt Kempgens mit.
Aber es gibt gravierende Unterschiede: Versichert seien nämlich nur Unfälle, die mit der versicherten Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehen und nicht auf das "allgemeine Lebensrisiko" zurückzuführen sind. "Das kann zu kuriosen Ergebnissen und auch Stolperfallen für Arbeitnehmer führen", führt er aus: Wenn Arbeitnehmer im Homeoffice zum Telefon sprinten und dabei stürzen, besteht nur gesetzlicher Versicherungsschutz, wenn der Anruf beruflicher und nicht privater Natur war, wie das Bundessozialgericht in einem Urteil im Jahr 2018 entschied.
Unfälle im Homeoffice: Was ist versichert?
Angenommen, es geht etwas an der vom Arbeitgeber bereitgestellten Technik daheim kaputt, bin ich verantwortlich? "Die Haftung der Arbeitnehmer für Schäden an Betriebsmitteln ist im Homeoffice genauso wie auch im Betrieb", erklärt Kempgens. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt demnach: volle Haftung bei grober Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz, Haftungsteilung bei "normaler", mittlerer Fahrlässigkeit, keine Haftung bei leichter Fahrlässigkeit. Was gilt, wenn ich mir zu Hause ein Mittagessen zubereite? "Im Betrieb ist der Gang zur Kantine versichert, im Homeoffice der Gang zur eigenen Küche nicht", warnt der Experte und verweist auf ein Urteil vom Juli 2016 des Bundessozialgerichts.
Ich muss mein Kind zur Kita bringen - zählt das als Arbeitsweg? "Wer auf seinem normalen Weg zur Arbeit sein Kind zur Kita bringt, ist auf dem Weg versichert", so Kempgens, dabei handle es sich um einen versicherten Betriebsweg. Wer aber aus dem Homeoffice sein Kind zur Kita bringt, hat laut einem Urteil vom Januar 2020 keinen Versicherungsschutz.
Stolperfallen: Ist der Arbeitnehmer auch daheim versichert? Das kommt drauf an, was im Weg liegt: Wer im Homeoffice über eine Akte oder Computerkabel stürzt, ist versichert, teilt der Anwalt mit. "Nicht aber, wenn der Arbeitnehmer im Homeoffice über ein Kinderspielzeug stolpert" (denn das sei die "Risikosphäre des Arbeitnehmers"). Kurioses rund um die Toilette - was gilt auf dem Weg dorthin? "Der Weg zum WC ist im Betrieb versichert", teilt der Anwalt mit. Im Homeoffice ist das aber nicht so. Denn der Arbeitgeber habe keinen Einfluss darauf, entschied das Sozialgericht München in einem Urteil im Juli 2019.
Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber beim Datenschutz beachten müssen
Datenschutz gilt auch im Homeoffice für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Darauf weist der Tüv Süd hin. "Unternehmen sollten deshalb ihre Arbeitsprozesse so gestalten, dass sie auch beim mobilen Arbeiten weiterhin die seit Mai 2018 geltenden Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten einhalten", mahnt die Prüforganisation und zählt folgende Punkte auf, die es zu beachten gilt:
Sichere IT-Infrastruktur: Dem Arbeitnehmer sollten betriebliche Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden, mit denen er sich ins Unternehmensnetz einwählen kann. Idealerweise handelt es sich dabei um ein in sich geschlossenes Virtual Private Network (VPN). Falls ein Mitarbeiter doch sein eigenes Gerät nutzen muss, sollten auch hier entsprechende Maßnahmen getroffen werden, so der Tüv. Schulungen sensibilisieren: "Die Angriffsfläche für Phishingattacken wächst, sobald vermehrt im Homeoffice gearbeitet wird", mahnt der Tüv Süd. Für den verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Daten sollten Mitarbeiter verstärkt geschult werden, empfiehlt der Verein.
Kontrollbesuche sind nur erlaubt, wenn sie abgesprochen sind
Vereinbarungen treffen: Mit Mitarbeitern, die von zu Hause aus arbeiten, sollte eine Vereinbarung zur künftigen Arbeit im Homeoffice getroffen werden. "Darin müssen im Einzelfall zutreffende Pflichten und vereinbarte Schutzvorkehrungen dokumentiert werden", führt der Tüv aus - am besten von Beginn an. Neben allgemeinen Maßnahmen zum Schutz kann in einer Vereinbarung ein Kontrollrecht des Arbeitgebers ausgemacht werden.
Kontrolle im Homeoffice: Der Tüv stellt klar: Kontrollbesuche sind nur erlaubt, wenn der Besuch abgesprochen wurde. Software, die jeden Tastaturanschlag speichert und den Bildschirm hin und wieder fotografiert, ist nur erlaubt, wenn ein konkreter Anlass vorliegt und der Einsatz der Software kommuniziert wurde. Zugriff auf geschäftlichen E-Mail-Verkehr darf der Chef immer einfordern; ebenso möglich ist es, den Browser-Verlauf des Dienst-Laptops auszuwerten. Private und geschäftliche Daten trennen: Auch hier sollten alle Maßnahmen in einer Vereinbarung dokumentiert werden.