Seminare für Hausfrauen: So kommen Sie zurück in den Beruf

Der Kurs „Neuer Start München“ hilft Familienfrauen zurück in den Beruf. Die AZ erklärt, wie
Hausfrauen – sie sind ihr eigener Chef. Sie dürfen in Ruhe die Zeitung studieren, bevor sie das Kinder-Frühstücks-Chaos aufräumen. Je nach Lust und Laune machen sie dann erst die Banküberweisungen oder radeln in den Supermarkt, weil mal wieder Milch, Zwiebeln, Brot und Curry fehlen. Für diese Art von Freiheit werden sie von ihren Männern öfter mal beneidet.
In Wahrheit fühlen sich viele „Familienfrauen“ einsam, fremdbestimmt und gefangen an ihrem Arbeitsplatz daheim“, weiß Inga Fischer, Dozentin bei dem Mutmach-Programm „Neuer Start München“.
Nach einer Job-Pause von fünf, zehn oder 15 Jahren fühlen sich die meisten ihrem Familienleben und den Bedürfnissen ihrer Kinder regelrecht ausgeliefert. Die früheren Restauratorinnen, Bankkauffrauen, Biochemikerinnen, Friseurinnen oder Landschaftsarchitektinnen sehnen sich nach Selbstbestimmung und geistigem Input. „Sie wissen aber noch nicht, wie sie allein rauskommen, aus der Hausfrauen-Nummer,“ sagt die Dozentin.
Nie wieder ins Büro und Home-Office für Jedermann?
"Neuer Start München"
Deshalb bietet der „Verein für Fraueninteressen“ im Lehel das Orientierungsseminar „Neuer Start München“ an. Dieser Kurs hat bereits über 1300 Mütter in München neue Impulse, neuen Mut und Perspektive geschenkt – der Kurs habe sie „direkt erleuchtet“, schreibt eine Frau als Feedback.
Über den dreimonatigen Kurs finden viele Münchnerinnen in die Arbeitswelt zurück, in Teilzeit, in Vollzeit oder als Selbstständige.
Von der Call-Center-Managerin zur Floristin, von der Diplom-Kauffrau zur Heilpraktikerin, von der Buchwissenschaftlerin zur Leiterin der Münchner Seniorenbörse – das sind griffige Erfolgsgeschichten.
Arbeiten daheim: Immer weniger tun's
Doch Hausfrauen, die ihre Fühler nach langer Zeit erstmals wieder Richtung Arbeitswelt austrecken, kämpfen oftmals mit riesigen inneren Hürden. „Das betrifft alle Frauen. Die Blockaden im Kopf machen den Weg zurück in einen Job so wahnsinnig anstrengend“, ist Ingas Fischers Erfahrung.
Hürde 1: Selbstbewusstsein am Boden
„Ich bin nur zuhause“, antworten viele, wenn sie nach ihrer Arbeit gefragt werden. Dabei beansprucht die „Familienarbeit“ unglaublich viel Zeit und Kraft. Täglich für drei oder auch fünf Menschen zu sorgen, lastet viele Frauen aus – aber es füllt sie nicht unbedingt aus: Wo bleibe eigentlich ich?, fragen sich viele. Inga Fischer: „Unzufriedene Mütter müssen raus aus ihrem Schattendasein und für die Welt sichtbar werden. Das ist ein Kraftakt, denn das Selbstbewusstsein von Hausfrauen ist oft am Boden.“
Hürde 2:Anmeldung beim Job-Coaching
Die wenigsten Familienfrauen wollen, dass bekannt wird, dass sie in einem Seminar für Berufsrückkehrerinnen sind. „Wozu brauchst du denn so einen Kurs?“, heißt es im Umfeld. „Mütter schämen sich dafür, es vermeintlich als einzige nicht geschafft zu haben, aus eigener Kraft wieder in einen Job einzusteigen“, sagt Inga Fischer: „Es wird erwartet, dass eine Frau zwischen 33 und 55 Jahren so etwas meistert, auch wenn sie mit der Geburt ihrer Kinder ihren Job an den Nagel gehängt hat. Wie radikal jedoch alte Kontakte zu den Kollegen oder dem Büro verloren gegangen sind, wie mutlos und ohne Anerkennung Mütter oft jahrelang in ihrer kleinen Welt daheim stoisch funktioniert haben, kann sich die Außenwelt kaum vorstellen. Hier gibt der „Neue Start“ Perspektiven.
Hürde 3: Angst vor dem Wiedereinstieg
Elf Wochen Kurs, vier Stunden am Tag – der Kurs ist ein Probelauf: Gerade testen 14 Mütter hier aus, ob sie zuhause überhaupt abkömmlich sind. Schon die tägliche Anreise in die Thierschstraße im Lehel bis 8.30 Uhr morgens aus Harlaching oder Pasing bringt Veränderungen und Konflikte. Papa bringt ab jetzt die vierjährige Tochter in den Kindergarten. Schulkinder essen ab sofort mittags nur Müsli. „Manches muss umorganisiert werden. Wenn das nicht klappt, haben die Mütter keine Zeit – und keine Kraft – wieder berufstätig zu sein“, erklärt Fischer. Denn: Hier wird keine Frau in die Berufstätigkeit geschubst. Fünf Dozentinnen helfen ihnen, Kind und Karriere zu vereinbaren. Aber jede Frau darf frei herausfinden, was gerade gut für sie ist.
Hürde 4: In den Beruf schnuppern
Nach einem professionellen Foto-Shooting für den Lebenslauf und Bewerbungstraining stellen sich die Mütter dem Arbeitsmarkt: Jede Frau sucht sich als erstes ein Zwei-Wochen-Praktikum. „Die Blockade zum Telefon zu greifen, um nach etwas zu fragen, wo Zurückweisung droht, ist gigantisch. Aber wir üben das“, so Inga Fischer: „Meine Damen!, Mädels!, wir bereiten die Bewerbungs-Telefonate vor.“ Die ersten zwei, drei Sätze schreiben alle auf – damit es am Telefon kein Blackout gibt.
Und dann springen sie ins kalte Wasser, in der Anwaltskanzlei, oder hinter der Ladentheke. Meist um festzustellen, dass „auf Arbeit“ auch nur mit Wasser gekocht wird. Das Beispiel von Nina, einer 50-jährigen früheren OP-Schwester mit drei Kindern, zeigt das: Beim Praktikum am Empfang einer Münchner Klinik konnte sie zwar das Computerprogramm nicht bedienen. Aber ihre 20-jährigen Kolleginnen waren begeistert: Von ihrer Ruhe und Nervenstärke: An der Rezeption konnte sie auch mit schwierigen Patienten höflich und souverän umgehen. Maria S. hat jahrelang ihre kranke Mutter gepflegt.
Eine 44-jährige Schwabingerin musste wegen Brustkrebs drei Jahre vom Job pausieren, auch sie tanken im Kurs auf – Anerkennung ist das Zauberwort. Frische Power hat auch Claudia Hinz (44) aus Harlaching. Die Theaterwissenschaftlerin hat drei Töchter im Schulalter. Sie sucht einen Job als Rechercheurin bei einer Filmproduktionsfirma: „Die Ideen sprudeln nur so – durch die geballte Lebenserfahrung der Münchner Mütter.“