Ist billiges Fleisch auch schlecht? Diese Tipps gibt eine Expertin

Bei Edeka gibt’s Schweineschnitzel für 4,49 Euro das Kilo. Real haut den Rinderbraten für 5,55 Euro raus – 42 Prozent Rabatt. Aldi schwingt beim Putenschnitzel den "Preishammer der Woche": 2,99 Euro das Pfund.
Wie kann es sein, dass ein Kilo Fleisch billiger ist als ein Kilo Erdbeeren? Und muss das Fleisch bei diesen Preisen nicht qualitativ schlecht sein?
Verbraucher-Experten sagen über diese Lockvogel-Angebote von Discountern: Sie werden künstlich billig gemacht und quersubventioniert. Welches Fleisch wirklich drin steckt, weiß man oft nicht.
Ernährungsexpertin und Verbraucherschützerin Silke Schwartau erklärt der AZ, warum man gutes Fleisch so schwer erkennt und welche Alternativen es gibt:
AZ: Frau Schwartau, ein Kilo Schweineschnitzel für 4,49 Euro. Wie kann das sein?
Silke Schwartau: Diese Billigangebote sind oft marinierte Produkte oder eben spezielle Sonderangebote, mit denen die Läden auf Kundenfang gehen. Oft denken Kunden: Wenn das Fleisch billig ist, muss es auch der Rest des Angebots sein.
Wie aber wird dieses Billig-Fleisch hergestellt?
Das weiß man leider nicht. Bei Eiern haben wir eine eindeutige Kennzeichnung. Die Drei steht für Käfighaltung. Seitdem kaufen Kunden derart gekennzeichnete Eier nicht mehr. So etwas fehlt bei Fleisch. Es stehen zwar vielleicht Auslobungen wie "Vom Land" oder von "Bauer sowieso" drauf. Wo es dann tatsächlich herkommt, weiß man oft nicht. Deswegen brauchen wir dringend ein Tierwohl-Label.
Warum gibt es nicht längst eine solche Kennzeichnung?
Es gibt viele Interessensgruppen, die sich dagegen aussprechen. Deutschland exportiert zudem viel Fleisch. Und es gibt auch viele Konsumenten, die nicht mehr für die Ware bezahlen wollen. Ich glaube aber, wenn wir eine Tierwohl-Kennzeichnung hätten, würden das mehr tun. Das Fehlen führt dazu, dass sich einige denken: Wenn ich eh nicht weiß, wo das Fleisch herkommt, dann achte ich eben auf den Preis. Das ist fatal und drückt die Preisschraube weiter nach unten.
Beim Gang durch den Supermarkt stellt man fest: Entweder das Fleisch ist extrem billig oder teuer.
Wir haben neben den Billigprodukten das obere Segment. Das ist das Öko-Fleisch, das relativ teuer vermarktet wird, weil dort strenge Kriterien gelten. Das kann sich aber nicht jeder leisten. Was wir nicht haben, ist das Segment dazwischen. Das Fleisch, das etwas teurer als normal ist, aber bei dem sich das Schwein zumindest im Stroh suhlen konnte.
Wie erkenne ich beim Einkaufen, ob Fleisch gut ist oder nicht?
Am Bio-Label kann man sich orientieren. Wenn ein blaues Regional-Fenster drauf ist, dann ist das auch glaubwürdig. Dann weiß man zumindest, dass das Tier nicht durch halb Europa gekarrt wurde. Es sagt allerdings nichts über die Tierhaltung aus.
Bei Biofleisch ist man also auf der sicheren Seite?
Ja, da sind Sie auf der besseren Seite. Hier gibt es strenge Vorgaben, dass die Tiere zum Beispiel Auslauf bekommen müssen.
Muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man zum Billigfleisch greift?
Man sollte sich nichts vormachen, Konsumenten sind im weitesten Sinne auch Co-Produzenten. Jeder Fleischkauf ist auch ein Stimmzettel für eine gewisse Art von Tierhaltung.
Ist weniger Fleisch essen eine Option?
Wir Deutschen essen ohnehin zu viel Fleisch, das ist nicht gut für die Gesundheit. Deswegen rate ich lieber zu weniger Fleisch und dafür zu Besserem.
Wie viel Fleisch pro Woche empfehlen Sie?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sagt: 500 Gramm pro Woche. Es gibt mittlerweile auch viele Alternativen zum Fleisch, etwa nachgemachte Veggie-Bratlinge oder Ähnliches. Das sollte man einfach mal ausprobieren. Einige sagen, das schmeckt ganz gut – und auch so kann man Tierleid verhindern.
Wie viel sollte ein Schweineschnitzel Ihrer Meinung nach kosten?
Die Frage ist immer auch: Was kommt beim Landwirt an? Was fließt in den Handel? Das wird nicht transparent gemacht. Ich finde, dem Landwirt muss so viel bleiben, dass er seine Tiere tiergerecht halten kann.
Umfrage - Jeder Zweite erkennt gutes Fleisch nicht
Das Gewissen vieler Kunden beim Thema Fleischkauf ist rein. Jeder zweite Deutsche isst aus Gründen des Umwelt- oder Klimaschutzes weniger Fleisch – das kommt jedenfalls heraus, wenn man sie selbst danach fragt, wie es Greenpeace zu Jahresbeginn tat.
Der Selbstauskunft stehen die Branchenzahlen gegenüber: Demnach essen die Deutschen nur etwas weniger Fleisch. Gut 59 Kilogramm pro Kopf waren es 2015, rund zwei Kilo weniger als noch vor fünf Jahren – aber nicht weniger als zur Jahrtausendwende.
Nach einer Umfrage von Verbraucherschützern wären Kunden sehr wohl bereit, für das Schweineschnitzel rund die Hälfte mehr zu bezahlen – wenn sie sicher sind, dass die Tiere besser gehalten werden. Nahezu jeder zweite weiß demnach aber nicht, woran er Fleisch aus artgerechter Haltung erkennt.
Qualitätsmerkmale: Wie gesundes Fleisch aussieht
Egal ob Bauernhof, Bioladen oder Supermarkt: Fleisch stammt aus unterschiedlichen Quellen und variiert stark im Preis. Doch woran können Verbraucher schon beim Einkauf erkennen, dass es sich um qualitativ hochwertiges Fleisch handelt?
Ratsam ist es generell, Fleisch aus der Region zu kaufen. Und neben zahlreichen Siegeln geben auch äußere Kriterien einen Hinweis auf die Qualität des Fleisches. Ein Überblick:
- FETT: Fett gilt für viele eigentlich als verpönt und ungesund. "Doch im Fett sind auch viele Geschmacksstoffe drin“, erklärt Elisabeth Roesicke vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Verbraucher sollten daher darauf achten, dass das Fleisch nicht ganz mager ist, sondern eine kleine Fettmarmorierung hat. Die lässt sich an einem weißen aderförmigen Muster erkennen.
- FARBE: Welche Farbe das Fleisch idealerweise hat, hängt vom Tier ab. Kalbfleisch etwa sollte hell sein, aber nicht ganz weiß, rät Roesicke. Rindfleisch hingegen ist am besten mittelrot und sollte nicht zu dunkel sein. Geflügel ist hingegen hell. Beim Schweinefleisch ist die Farbe idealerweise ebenfalls hell bis zartrosa – auf keinen Fall aber sehr weiß. "Solches Fleisch verliert sehr viel Wasser bei der Zubereitung.“ Vorsicht gilt auch bei gräulichem Fleisch.
- FLÜSSIGKEIT: Wer verpacktes Fleisch kauft, achtet am besten darauf, dass sich kein Wasser in der Packung befindet. Schwimmt das Fleisch in einer Lache aus blutigem Wasser, deutet das darauf hin, dass es schon zu alt ist, so Roesicke.
- FORM: Expertin Roesicke kennt einen einfachen Trick, mit dem Verbraucher bei verpacktem Fleisch erkennen können, ob es noch frisch ist: Wenn man mit dem Finger auf das Fleisch – beziehungsweise die Verpackungsfolie – drückt, entsteht eine Delle. Diese sollte sich schnell wieder zurückbilden und nicht zurückbleiben. Außerdem hat das Fleisch am besten eine glänzende Oberfläche.
Fleisch online kaufen: Online-Metzger liefern nach Hause
Wo bekommt man mit gutem Gewissen gutes Fleisch? Das geht nicht nur beim örtlichen Metzger, sondern auch im Internet. Drei ausgewählte Tipps:
- Die Tagwerk Biometzgerei im Münchner Umland: Das Fleisch kann man in Bioläden in München kaufen und auch über die Ökokiste beziehen. Mehr Infos
- Die Jäger und Sammler: Die zwei jungen Unternehmer Lars Tinapp und Florian Stocker versprechen bei ihrem Internet-Angebot hochwertiges Bio-Freiland-Fleisch, das bis nach Hause geliefert wird. Die Homepage der Online-Metzger
- Der Biobauerndienst: In München wird frei Haus geliefert, deutschlandweit mit DHL, heißt es auf der Dachauer Biobauerndienst-Internetseite, die groß auf der Startseite das Bio-Label zeigt. Geliefert wird neben Fleisch und Wurst auch Obst und Gemüse. Mehr dazu.
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